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In Riga entstehen weitere Stadtwiesen
22.05.2022


Zarte Pflänzchen gegen die Katastrophe

Der Klappertopf sorgt als Wasser-Schmarotzer für Vielfalt, Foto: Sannse, CC BY-SA 3.0, Link

Journalisten berichten meistens über Katastrophen und Konflikte, gerade derzeit sind die Nachrichten überfüllt damit. Mancher wendet sich ab und fragt sich: “Wo bleibt das Positive?” Probleme zu verdeutlichen ist allerdings die wichtigste Aufgabe der Berichterstattung. Medien, die nur noch Erfolgsnachrichten der Regierung verkünden, kennzeichnen eine Diktatur. Allerdings ist beim Krisenjournalismus die Lust auf Sensationsmeldungen kaum zu verkennen. Katastrophen und Verbrechen gewährleisten Umsatz und Klickzahlen. So kommen Ereignisse und Handlungen zu kurz, die einen Ausweg aus der multiplen sozial-ökologischen Zangenkrise weisen. Als solche betrachtet der Soziologe Klaus Dörre das Menschheitsdilemma, gleichzeitig ökologische Katastrophen und soziale Konflikte bewältigen zu müssen. Veränderungen zum Positiven beginnen hingegen unscheinbar; es sind die kleinen Pflänzchen, die vermehrend und wachsend die Umkehr bewirken. In diesem Sinne wirkt das Projekt “Stadtwiesen” des Lettischen Naturfonds (LDF). Die Naturschützer vereinbarten im letzten Jahr mit der Stadt Riga und mit Nachbarschaftsinitiativen, 20 eintönige Rasenflächen in bunte, artenreiche Wiesen zu verwandeln (LP: hier). Jetzt sollen zehn weitere Gebiete hinzukommen.


Die industrialisierte Landwirtschaft hat mit ihrem Chemieeinsatz viele Arten vernichtet. Schlagzeilen machten Imker, die mit ihren Bienenvölkern in die Stadt zogen, weil für Insekten in dicht besiedelten Räumen die Umwelt mittlerweile weniger vergiftet und das Nahrungsangebot größer ist. Vielerorts ist es städtischen Gärtnern zu verdanken, dass in den Grünanlagen die Blütenpracht diverser wird. Zuweilen bedeutet weniger mehr: Der LDF beobachtete, dass in Riga städtische Rasenflächen zu oft gemäht werden, so dass Wiesenblumen keine Chance haben, ihre Blüten zu entfalten, so dass eintöniges Gras für deprimierende Stimmung sorgt. Im letzten Jahr vereinbarte der Naturschutzverein mit der Stadt, 20 Rasenflächen in den Wachstumsperioden vor dem 31. Mai und 15. September nicht mehr zu mähen. Viele Wiesenblumen müssen bis zu 20 Zentimeter hoch wachsen, um Blüten zu entwickeln.


Das städtische Unternehmen Rigas Mezi übernahm die Vorbereitungen, um Rasen in Wiesen zu verwandeln. Die Arbeiter pflügten die Flächen. Nachbarschaftsinitiativen brachten das Saatgut aus, das der LDF zur Verfügung stellte. Für die zukünftigen Wiesen wurden Rasenflächen in dicht besiedelten Wohngebieten ausgewählt, also dort, wo Pflanzen besonders wichtig sind, um das städtische Klima zu verbessern. Projektleiterin Ruta Sniedze-Kretalova merkt allerdings an, dass sich die vorbereiteten Flächen im Wachstumsrückstand befinden. Die Startbedingungen waren ungünstig, denn während der Aussaat im letzten Frühjahr herrschte kaltes Wetter und Trockenheit (ldf.lv). Viele Arten blühen in den ersten Jahren nicht, weil sie erst einmal Wurzeln ausbilden müssen. Erfreulich sei, dass fast überall die Saat gekeimt ist. Sniedze-Kretalova beobachtet die rasche Ausbreitung des Klappertopfes, einer Wiesenblume mit gelben Blüten im grünen Kelch. Die Pflanze gilt als Wiesenvorbereiter, denn mit ihren Wurzeln entzieht sie dem Gras Wasser. Auf diese Weise schafft der Klappertopf Platz für neue Arten. Wiesen wachsen langsam heran und erfordern einige Jahre Geduld. In diesem Jahr kommen Flächen am Daugava-Ufer an der Steinbrücke in der Innenstadt und an der Promenade in Kengarags, in der Nähe des Kis-Sees und anderen Wohngebieten hinzu. Auch ein Teil des Siegesparks wird in eine Wiese verwandelt - der Siegespark mit dem Siegesdenkmal, das derzeit für die üblichen Negativschlagzeilen sorgt, die hier einmal nicht das Thema sein sollen.


UB


 




 
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