Vor 25 Jahren gründeten Letten die Volksfront (Tautas fronte)
10.10.2013
Am 8. und 9. Oktober 1988 versammelten sich Oppositionelle in der Rigaer Kongresshalle, um die Volksfront zu gründen. Diese Bürgerbewegung konzentrierte den Widerstand gegen die sowjetische Herrschaft. Trotz der Reformpolitik von Michael Gorbatschow war ein solches Engagement Ende der achtziger Jahre noch recht riskant. Wie weit konnten Letten den neuen politischen Parolen von Glasnost und Perestroika vertrauen? Noch riskierten Kritiker ihre Verhaftung, wenn sie beispielweise an Gedenktagen, die an sowjetische Tabus rührten (die Deportationen vom 14.6.1941, der Hitler-Stalin-Pakt vom 23.8.1939 und die lettische Staatsgründung vom 18.11.1918), vor dem lettischen Natonaldenkmal Blumen niederlegten. Die Volksfront war keine einheitliche Bewegung. In ihr versammelte sich ein breites Spektrum von Reformkommunisten bis antikommunistischen Nationalisten, von denen die einen mehr Selbstständigkeit innerhalb der Sowjetunion, die anderen eine autonome lettische Republik forderten. Zunächst hoffte Gorbatschow darauf, dass die baltischen Länder zum Laboratorium seiner Politik würden. Doch dieses Experiment endete mit der Auflösung der Sowjetunion. Gerade jene Vertreter der Gegenseite, der „Interfront“, die mit Panzern die lettische Hauptstadt belagern ließen und im August 1991 gegen Gorbatschow putschten, beschleunigten das Ende ihrer Herrschaft selbst. In den Augusttagen von 1991 war die Hoffnung auf einen Sowjetstaat, der die Menschenrechte garantiert, endgültig verspielt worden. Damals wurde das unabhängige Lettland international anerkannt, am 21.8.1991 auch von Moskau. Nach 25 Jahren gedachten Politiker und ehemalige Aktivisten der inzwischen aufgelösten Volksfront, die ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung eines unabhängigen lettischen Staates bedeutete.
Dainis ?v?ns war erster Volksfront-Vorsitzender, Foto: Rimantas Lazdynas auf lv.wikipedia.org, Lizenz
Mutig und friedlich
Parlamentspräsidentin Solvita ?bolti?a erinnerte am 4.10.2013 in einer Saeima-Gedenkveranstaltung an die Friedfertigkeit des lettischen Widerstands: „Die Bewegung des dritten Erwachens Lettlands, welche zur Erneuerung der lettischen Unabhängigkeit 1991 führte, demonstrierte deutlich das hohe Freiheitsgesinnung unseres Volkes. Wie gingen wir mit dem um, was man uns angetan hatte? Wir wurden nicht aggressiv, wir benutzten keine Waffen, wir begannen keinen Krieg.“ Stattdessen erfolgte die `Singende Revolution` mit Menschenketten, Liederfesten und dem Barrikadenbau gegen sowjetische Milizen. Am 5.10.2013 trafen sich Volksfront-Veteranen an dem Ort, wo sie ihre Organisation vor einem Vierteljahrhundert gegründet hatten, in der Rigaer Kongresshalle. Auch der heutige Regierungschef Valdis Dombrovskis war anwesend und würdigte die Aktivisten, von denen einige, wie die EU-Abgeordnete Sandra Kalniete, inzwischen zu seinen Parteifreunden zählen. Dombrovskis rief das Publikum zu einer Schweigeminute für die fünf Opfer auf, die durch Schüsse der sowjetischen Omon-Milizen während ihres Einsatzes in Riga im Januar 1991 ihr Leben verloren. Danach stellte Dainis ?v?ns, der erste Vorsitzende der Volksfront, einen Bildband zu seiner Bewegung vor und Regisseur Askolds Saul?šs zeigte seine Dokumentation “Anthologie des Erwachens“. (Das Wort „Erwachen“ ist im lettischen historischen Kontext nicht so problematisch wie im deutschen). Der Film montierte historisches Material der Volksfront-Zeit mit aktuellen Interviews der Aktivisten, die die turbulenten Ereignisse aus heutiger Sicht kommentierten. Wer noch Zeit hatte, konnte sich anschließend im neu gegründeten Volksfront-Museum in der Vecpils?tas iel? 13/15 die Sonderbriefmarke zum 25jährigen Jubiläum besorgen. Bis zum 18.10.2013 ist auf dem Domplatz eine Ausstellung mit 70 großformatigen Fotos zum Thema zu sehen.
Externe Linkhinweise:
ltfmuz.lv: Tautas Frontes muzejs
tvnet.lv: Sestdien atz?m?s Latvijas Tautas frontes 25.gadsk?rtu
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