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Lettische Hausärzte bummeln bis zum Herbst
19.08.2017


Ärztevertreter beklagt „stalinistische Repressionen“

Ärztin mit FormularenSeit Anfang Juli protestieren lettische Hausärzte gegen zu geringe staatliche Vergütungen. Aus dem unbefristeten Streik wurde inzwischen ein Bummelstreik, bei dem pro Tag 20 Patienten behandelt werden. Der Lettische Verband der Hausärzte (LGGA) lehnte das Angebot der Regierung ab. Diese ist zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit. Ärztevertreter beklagen nicht nur die niedrige Bezahlung, sondern auch die bürokratischen Schikanen, mit denen die Hausärzte kontrolliert und überwacht werden.

Ärzte im Bürokratiestress, Foto: Mennonite Church USA Archives - https://www.flickr.com/photos/mennonitechurchusa-archives/25021335601/, No restrictions, Link

Valdis Keris, Vorsitzender der Gewerkschaft für Angestellte in medizinischen und sozialpflegerischen Berufen (LVSADA), kritisierte in der TV-Sendung Rita panorama am 27. Juli 2017 die Art, wie die Kollegen vom Verband der Hausärzte streikten. Das sei eine recht sonderbare Art des Protests: Die Menschen gingen zur Arbeit, nähmen Geld, aber erklärten zu streiken. Das entwerte den Begriff Streik, man solle nicht mit Worten spielen (lsm.lv). Am 3. Juli 2017 hatte der Verband der Hausärzte seine Mitglieder zum Streik aufgefordert. Dem Aufruf folgten mehr als 600 Ärzte. Doch bislang brachten die Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium keine Einigung. Besonders umstritten ist der Pro-Kopf-Betrag. Dieser ist von der Zahl der Einwohner abhängig, für die die Hausärzte in ihrem Bezirk zuständig sind. Diese staatliche Zahlung beträgt mehr als die Hälfte der ärztlichen Einnahmen. Der LGGA verlangt eine pauschale Erhöhung um 30 Prozent, Gesundheitsministerin Anda Caksa bietet ab nächstes Jahr aber nur 150 Euro monatlich mehr und will dafür die Arbeitsqualität kontrollieren lassen.

Bei völliger Arbeitsverweigerung mussten die Hausärzte fürchten, dass der Staat die Zahlungen einstellt. Deshalb hatte Mitte des letzten Monats der LGGA die Streikenden angewiesen, fortan 20 Patienten pro Tag zu behandeln. Peteris Apinis, Vorsitzender des Lettischen Ärztevereins, beklagte in einem Artikel (irlv.lv ), dass die protestierenden Hausärztinnen und -ärzte (in dieser Sparte arbeiten zu 80 Prozent Frauen) verschärften staatlichen Kontrollen ausgesetzt seien und schon für kleine Vergehen bestraft würden. Die Angestellten der staatlichen Gesundheitsinspektion suchten meistens zu Beginn oder am Ende der Arbeitswoche die Praxen auf und fragten: „Streikt ihr?“ Alle, die diese Frage bejahten oder Sympathien für den Streik äußerten, müssten mit Problemen rechnen. Die Prüfer suchten dann nach fehlerhaft ausgefüllten Rezeptbüchern oder nicht ausgefüllten Plänen zur Abfallbeseitigung. Solche Vergehen würden mit Geldstrafe bis zu 500 Euro geahndet.

Apinis betrachtet die staatlichen Kontrollen als schwerwiegende Schikanen, bezeichnet sie sogar als „stalinistische Repressionen“. Auch unabhängig von den Streikaktionen würden Hausärzte den ganzen Tag vom zu bearbeitenden Papierberg gehetzt und auf diese Art überwacht. Für Apinis ist dieser Zeitaufwand sinnlos. „Kein einziges Mal kontrolliert der Mitarbeiter der Inspektion die Behandlung des Patienten, bespricht die Diagnosen oder analysiert die dem Patienten verschriebenen Medikamente. Alle diese Kontrollen sind einzig und allein eine Stunde Schönschreiben in gotischer Handschrift.“ Die Kontrollen hielten die Ärzte von ihrer eigentlichen Arbeit ab, machten sie nervös und unruhig. „Im Ergebnis bekommen es die Patienten mit einem ausgebrannten Arzt zu tun, was das Schlechteste ist, was dem Kranken zu wünschen ist.“ Die bürokratischen Bürden und unnützen Kontrollen seien Anzeichen des Qualitätsverlusts in der lettischen Medizin.

Das Gesundheitsministerium bestreitet, dass die Kontrollen erfolgten, um Streikende zu maßregeln. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Ministeriums und der Ärzteschaft hat sich bislang nicht geeinigt. Ministerpräsident Maris Kucinskis und Gesundheitsministerin Anda Caksa lehnen weitere Zugeständnisse ab. Caksa behauptet, dass zusätzliche Kontrollen für die Hausärzte keine Mehrarbeit bedeuteten. Im Gegensatz zu Apinis hält sie solche Überprüfungen für notwendig, um die medizinische Qualität zu verbessern. Finanzministerin Dana Reizniece-Ozola will die Ausgabenerhöhungen für den Gesundheitsetat begrenzt halten. Im nächsten Jahr soll sein Anteil auf vier Prozent vom BIP steigen – damit liegt Lettland immer noch weit unter dem EU-Durchschnitt (lsm.lv).

Die LGGA will den Bummelstreik bis zum Herbst fortsetzen. LGGA-Vorsitzende Sarmite Veide kündigt an, dass ihr Verband Ende September oder Anfang Oktober den Streik wieder im vollen Umfang aufnehmen könne. In dieser Zeit sich einstellender chronischer Erkrankungen seien Streiks für Patienten besonders schmerzlich (lsm.lv).

 

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