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Lettland: Stromerzeuger Latvenergo steht erneuerbaren Energien im Wege
30.08.2012


SStromleitung bei RigaWelches Land ist grüner und umweltbewusster? Deutschland oder Lettland? Sind die Deutschen die Umweltengel, die internationale Standards setzen? Und die Letten typisch osteuropäische Schmutzfinken, die für scheinbar billigen Strom aus der dreckigen Steckdose auch noch einen Super-Gau riskieren? Während in Deutschland über die Überproduktion der Windmüller und fehlende Leitungen debattiert wird, erwägt die lettische Regierung die Beteiligung an einem neuen litauischen Atomkraftwerk, trotz Tschernobyl und Fukushima. Doch die Zahlen der Weltbank bezeugen anderes: Ein Durchschnittsdeutscher verbrauchte 2009 üppige 6778,66 Kilowatt Strom pro Jahr, ein Lette damals nur 2874,71. Ein Großteil ihrer Elektrizität bezieht die Baltenrepublik aus Wasserkraft. Der Durchschnittslette heizt den Nordpol weitaus weniger auf als der Durchschnittsdeutsche: Im Jahr 2008 setzte jeder Bundesbürger 9,58 Tonnen vom Treibhausmittel Kohlendioxid frei, der Lette begnügte sich mit 3,35 Tonnen. Lettland steht also relativ gut und grün da. Das Ziel der Regierung, in den nächsten acht Jahren den Anteil erneuerbarer Energien auf 40 Prozent zu steigern, scheint realistisch. Aber Reinis ?bolti?š, Energieexperte der Webseite politika.lv, kritisierte im August 2012 die interessegeleitete Diffamierung gegen erneuerbare Energien. Industrielle und Vertreter des staatlichen Konzerns Latvenergo behaupten, grüner Strom sei prinzipiell zu teuer. Der Wirtschaftsminister will nun die Subventionen überprüfen und neu festsetzen. ?bolti?š sieht in der Dominanz von Latvenergo den Hauptgrund, warum sich Windmühlen nur zögerlich an der Rigaer Bucht verbreiten.

Stromleitung südlich von Riga, Foto: LP

 

Kraft-Wärme-Kopplung oder erneuerbare Energien

Die Diskussion wird auch in Deutschland geführt: Alternative, kleine Stromanbieter kritisieren die Vorherrschaft der vier großen Stromkonzerne, die den Fortschritt im Sinne umweltschonenderer Stromerzeugung behinderten, weil sie ihre Umsätze mit herkömmlichen Großkraftwerken erzielten. Manche Bürgerinitiativen produzieren in ihren Gemeinden den Strom lieber selbst. In Lettland beherrscht das staatliche Unternehmen Latvenergo den Markt. Neben den Wasserkraftwerken an der Daugava betreibt der lettische Energieriese in Riga zwei Heizkraftwerke, die Strom und Wärme zugleich erzeugen. Diese Technik ist schon relativ effizient, doch Lettland muss dafür teures Gas aus Russland einführen. Der lettische Staat garantiert diesen beiden `Thermoelektrozentralen` TEC 1 und TEC 2, dass ihr Strom regelmäßig Abnehmer findet. In jedem lettischen Haushalt musste im letzten Jahr durchschnittlich 17 Lats (24,35 Euro) mehr für diese Kraft-Wärme-Kopplung gezahlt werden. Außerdem erhöhten sich die Gebühren um weitere 5 Lats, weil die Erzeuger erneuerbaren Stroms, meistens Windenergie, gleichfalls subventioniert werden. ?bolti?š räumt ein, dass beispielsweise Windmüller, unter ihnen bekannte Oligarchen, bislang recht großzügig mit Fördermitteln bedacht wurden und er lobt Wirtschaftsminister Daniel Pavluts für sein Bestreben, die Subventionspolitik zu überdenken. Zugleich beklagt ?bolti?š aber das stereotype Gerede von Regierungsvertretern und Industrielobbyisten, die grünen Strom prinzipiell als zu teuer darstellen. Er vermutet, dass die Regierung die Umsätze des staatseigenen Unternehmens Latvenergo schützen will. Mit einem Wert von mehr als eine Milliarde Lats ist es das größte lettische Unternehmen. Seine Manager sollen auch in den Nachbarländern bis nach Skandinavien Absatzmärkte erschließen. Latvenergo-Vertreter befürworten die Beteiligung ihrer Firma am Neubau eines Atommeilers in Litauen, um mit diesem – vermeintlich – billigen Strom andere Ostseeanrainer zu versorgen. Die Regierung hofft auf steigende Latvenergo-Umsätze, um die Staatskasse zu füllen. Zugleich behindert diese Begünstigung des staatseigenen Unternehmens den Ausbau von Energietechniken, die ohne fossile Rohstoffe auskommen.

Das Heizkraftwerk TEC 1

Das Strom-Wärme-Kraftwerk TEC1 in Riga, Foto: Wikimedia Commons


Die deutsche Enttäuschung

Der Wirtschaftsminister beabsichtigt, bis 2016 keine neuen Windmühlen oder andere grüne Energieprojekte zu genehmigen. Erst soll alles auf den Prüfstand. Bislang erhielten die alternativen Produzenten nur 27 Millionen Lats Subventionen, die Betreiber von gasbetriebenen Kraftwerken für Strom und Wärme dagegen 149 Millionen Lats. Wie eine Antwort auf ?bolti?š wirkt die schriftliche Rechtfertigung des Wirtschaftsministers, die er auf der Webseite ir.lv am 28.8.12 darlegte. Pavluts erwähnt, dass der grünen Stromproduktion zu freizügig Quoten zugestanden worden seien. Wenn diese vollständig genutzt würden, müsste jeder lettische Haushalt jährlich 78 Lats hinzuzahlen. Gleichwohl bekennt sich auch der Minister der Reformpartei zum Ziel, Lettlands fossilen Energieverbrauch zu senken. Er zählt aber auch Kernenergie hinzu, die er akzeptiert, wenn sie sich für Latvenergo rechnet. Der Politiker will die Subventionierung der Kraft-Wärme-Kopplung ebenfalls beschränken, von der Latvenergo profitiert. Bislang erhalten die entsprechenden Heizkraftwerke unbefristet Subventionen. Solche Vergünstigungen seien in anderen europäischen Ländern auf einige Jahre befristet. Schließlich kommt er im Zusammenhang mit der Energieeffizienz auf Deutschland zu sprechen: „In Europa und der ganzen Welt erfolgen gerade lebhafte Diskussionen darüber, ob und wie konkrete Technologien zu fördern sind, nennen wir Deutschland als Beispiel, wo eine ausgesprochene Enttäuschung über die Wirksamkeit der Windenergie zu beobachten ist. Die Lehre aus solchen Diskussionen ist, dass der Staat sich nicht unausgewogen auf Technologien festlegen darf, die veralten können und die auf diese Art Hindernisse für die Modernisierung der Stromerzeugung werden.“ Die Förderung moderner Energietechniken müsse elastisch bleiben. Sowohl erneuerbare Energien als auch Kraft-Wärme-Kopplung seien bedeutende Teile der lettischen Energieindustrie und die Aufgabe der Regierung sei es, diese effektiv, transparent und nachhaltig zu fördern. Fragt sich nur, ob der Minister die deutsche Enttäuschung richtig verstanden hat.

 

Externe Linkhinweise:

politika.lv: Valstij ne?rt? ener?ija

ir.lv: Za?? ener?ija – izmaksas, efektivit?te, reput?cija

 




 
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