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Lettland: Neue Initiative für gleichgeschlechtliche Partnerschaften
30.04.2020


Unangenehme Entscheidung für lettische Parlamentarier

RegenbogenflaggeRaimonds Petrovics startete am 9. März 2020 auf der Webseite Manabalss.lv erneut eine Initiative, in Lettland gleichgeschlechtliche Partnerschaften staatlich anerkennen zu lassen. Auf Manabalss.lv können Bürgerinnen und Bürger Gesetzesänderungen vorschlagen, erhalten solche mehr als 10.000 Stimmen, prüfen die Webseitenbetreiber die juristische Umsetzung. Petrovics` Anliegen hat diese Hürde bereits überschritten (manabalss.lv). Das lettische Parlament wird sich voraussichtlich wieder einmal mit diesem Thema beschäftigen. Bislang scheiterten Vorhaben, homosexuelle mit heterosexuellen Paaren rechtlich gleichzustellen, stets am ablehnenden Votum der Parlamentarier, die offenbar homophobe Reaktionen in der Öffentlichkeit fürchten.

Die Regenbogenflagge ist das Symbol der LGBT-Bewegung, hier auf einer Mozaika-Demonstration von 2015. Foto: LP

Ein Recht ist nicht weniger wert, wenn es anderen zuteil wird

Petrovics begründet seinen Vorschlag mit dem Hinweis auf andere Länder, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder sogar gleichgeschlechtliche Ehen längst Realität sind. Innerhalb der EU bleiben homosexuelle Paare außer in Lettland nur in Litauen, Bulgarien, Polen, Rumänien und in der Slowakei rechtlos.

Er hält dies für eine Frage der Gleichheit vor dem Gesetz. Staatlich anerkannte Partnerschaften bedeuteten Rechte, Verantwortung und Garantien, die der Staat Paaren gewährt. Die lettische Regierung dürfe gleichgeschlechtliche Paare nicht diskriminieren und sie vom Schutz ausschließen, der offiziell anerkannten Ehen zwischen einer Frau und einem Mann gewährt werden. Der Aktivist nannte einige Beispiele für die alltägliche Benachteiligung: “Gleichgeschlechtlichen Paaren bleiben manche Rechte vorenthalten, die heterosexulle Paare haben. Falls eine(r) von beiden ins Krankenhaus kommt, dann darf der Partner nicht die Person sein, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung wichtige Entscheidungen trifft. Das bezieht sich sogar auf Todesfälle: Bei der Aufteilung des Erbes wird der Partner ignoriert, sogar dann, wenn sein Name im Testament aufgeführt ist.” (liepajniekiem.lv)

Petrovics begründet die Gleichgültigkeit oder Ablehnung gegenüber den Forderungen sexueller Minderheiten historisch: “In Diskussionen über gleichgeschlechtliche Ehen rufen Vorstellungen darüber, was eine Ehe ist, die allerschärfsten Meinungsverschiedenheiten hervor, in solchen offenbart sich in Lettland nicht selten die tief verwurzelte Homophobie und Diskriminierung von Lesben und Schwulen aus sowjetischen Zeiten.” Er lässt das nationalkonservative Argument nicht gelten, dass eine rechtliche Gleichstellung die traditionelle Familie bedrohe. “Ich bin der Ansicht, dass diese Rechte nicht weniger wertvoll oder geschwächt sind, nur weil sie auch anderen Menschen zuteil werden. Unsere Gesellschaft ist von der Vielfalt der Individuen, Beziehungen und Familien geprägt. Es ist die Zeit gekommen, dies als Errungenschaft zu würdigen.” Von der lettischen Regierung fordert er, den Kampf gegen Diskriminierung fortzusetzen - doch es ist fraglich, ob Minister und Parlamentarier mit diesem Kampf überhaupt schon begonnen haben.

 

Populistische Parlamentarier

Im Jahr 2005 beschlossen Saeima-Abgeordnete, dass das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen in die Verfassung aufgenommen wurde. Seitdem hat sich die politische Gleichgültigkeit gegenüber den Forderungen sexueller Minderheiten kaum verändert, vergleichbare Initiativen fanden keine parlamentarischen Mehrheiten. Die Ir-Redaktion befragte 2018 vor der Saeima-Wahl jeweils fünf Politiker der größten Parteien. Zum Thema gleichgeschlechtliche Partnerschaft antwortete der überwiegende Teil mit “Ne” (Nein). Ein einhelliges Nein verkündeten die Mitglieder der “Nationalen Allianz” (NA), der “Neuen Konservativen Partei” (JKP) und der “Union der Grünen und Bauern” (ZZS). Zu jenen, die sich nicht für eine rechtliche Verbesserung homosexueller Paare einsetzen, gehören prominente ehemalige und amtierende Minister wie Maris Kucinskis (ZZS), Dana Reizniece-Ozola (ZZS), Dace Melbarde (NA) oder Janis Bordans (JKP). Die Regierungspartei “Neue Einigkeit” (JV) erweist sich als uneinig: Außenminister Edgars Rinkevics würde für “Ja” votieren, er ist der erste Spitzenpolitiker, der sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte. Andere Politiker seiner Partei sind dagegen. Abgeordnete der mitregierenden Partei “Wem gehört das Land” (KPV) und der oppositionellen “Saskana” äußerten sich derart ausweichend, dass die Ir-Redaktion ihre Antworten als Nein wertete . Nur die fünf Politiker der liberalen Regierungspartei “Für Entwicklung/Pro” (AP) unterstützen allesamt die rechtliche Anerkennung schwuler und lesbischer Paare, unter ihnen die amtierenden Minister Ilze Vinkele, Artis Pabriks und Juris Puce (ir.lv).

No-Pride-Protest in Lettland

Homophobe Gegendemonstranten auf der Rigaer Baltic-Pride-Demo von 2012, auf ihrem Schweinekopf-Plakat ist zu lesen: "Letten sterben aus" und "Nein zum Gayropa", Foto: LP

Homophobie als kulturelles Ahnenerbe

In der aktuellen Debatte fürchten sich die Parlamentarier offensichtlich vor Entscheidungen, die in einem Teil der Bevölkerung homophoben Unmut entfachen könnten. Die nationalkonservativ gestimmte JKP, die zweitgrößte Regierungsfraktion, hat bereits ihre Ablehnung bekundet. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Krisjanis Feldmans merkt an, dass eine solche Gesetzesinitiative noch im letzten Jahr abgewiesen wurde. Die Haltung seiner Partei sei skeptisch, es handele sich um eine juristische und verfassungsrechtliche Frage, man müsse sich vor den Folgen hüten. Im übrigen mische sich die JKP nicht in Privatangelegenheiten ein (apollo.lv). Noch ausweichender argumentiert KPV-Fraktionsvorsitzender Aris Zakatistovs. Er hält Petrovics` Forderung für keine politische, sondern für eine kulturelle Frage. In der Welt bestehe der Gedanke, dass man sich nicht nur für Minderheitenrechte einsetzen, sondern auch die Rechte der Mehrheit beachten müsse, den nächsten Generationen jene Kultur zu überliefern, die “wir von unseren Vorfahren erhalten haben”. Deshalb schlägt die KPV eine Volksabstimmung vor (apollo.lv).

 

Mozaika begrüßt die erneute Aufforderung

Die Nichtregierungsorganisation “Mozaika” begrüßt die erneute Initiative. Sie kämpft seit über einem Jahrzehnt für die Rechte von Lesben, Schwulen (Gays), Bisexuellen und Transgender (LGBT). Ihre wiederholten “Pride”-Demonstrationen in der Rigaer Innenstadt verursachten viel Aufsehen, auch aggressiven Unmut bei nationalkonservativ-klerikal gesinnten Gegendemonstranten. “Dies ist die erneute Aufforderung an Politiker, auf die gesellschaftliche Realität zu reagieren. Der rechtliche Schutz gleichgeschlechtlicher Paare ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Ehegattengesetzes, deshalb fordern wir die Saeima-Abgeordneten auf, die Diskussion über dessen Notwendigkeit wieder aufzunehmen. Dank an alle, die unterschrieben haben, die aktiv diese Initiative verbreiten und unterstützen,” ließ Mozaika auf Facebook verlautbaren (satori.lv).



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