Ehemaliger BND-Chef August Hanning in Lettland vor Gericht
07.10.2021
Wie man die eigene Bank ausraubt
Was ist der Raub einer Bank gegen die Gründung einer Bank? Foto: Andreas Bohnenstengel, CC BY-SA 3.0 de, Link
Der Jurist August Hanning war Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes und Staatssekretär im Innenministerium. 2009 wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt, der bis heute anhält. Da bleibt Zeit, sich als Geschäftsmann und Berater im Ausland umzuschauen. Nun muss er sich als Aufsichtsratsmitglied der geschlossenen PNB Banka vor einem lettischen Gericht verantworten. Hanning sieht sich von seinen Geschäftspartnern getäuscht.
Die Europäische Zentralbank (EZB) verbot am 15. August 2019 der Bank wegen zu hoher Schulden die weitere Geschäftstätigkeit. Der Mehrheitsaktionär Grogorij Guselnikow hatte seinen Anteil wenige Monate zuvor einer Investorengruppe übergeben, die vom berüchtigten Milliardär Roger Tamraz angeführt wurde. Der in den USA lebende Banker und Geschäftsmann ägyptischer* Herkunft ist u.a. Gründer des Erdölkonzerns Tamoil. Die Zeitschrift Newsweek beschrieb ihn als windigen Tycoon mit zahlreichen geschäftlichen und politischen Kontakten. Er habe die Mentalität eines Gebrauchtwagenhändlers, der auch mal vor der libanesischen Justiz floh, weil er 200 Millionen Dollar von einer Bank unterschlagen haben soll (newsweek.com).
Guselnikow, ein Unternehmer russischer Herkunft mit britischem Pass, gehört ebenfalls zu den Bankern der besonderen Art. 2018 behauptete er in einem Interview mit Associated Press, dass der damalige Präsident der lettischen Nationalbank, Ilmars Rimsevics, jahrelang von seiner Bank Geld erpresst habe. Guselnikow und die übrigen Teilhaber des Kreditinstituts, das damals noch Norvik Banka hieß, wendeten sich an das internationale Schiedsgericht ICSID in Washington, um gegen Lettland zu klagen. Die Richter wiesen die Klage zurück. Rimsevics, dem solche und andere Vorwürfe das Amt kosteten, stellte Guselnikows Anschuldigungen als Manöver dar, um von den Machenschaften und der trüben finanziellen Situation der PNB Banka abzulenken (Die LP berichtete).
Im Januar 2018 wurde der ehemalige dänische Premier und NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender in Guselnikows Bank (eng.lsm.lv). Auch August Hanning wurde dort Mitglied. 2019 hatte der Deutsche sonderbare Vorgänge im Unternehmen beobachtet, die er nun in einem Interview mit dem TV-Magazin De facto preisgab (lsm.lv). Der Aktientausch sei in der Art erfolgt, dass Guselnikow erlaubt wurde, seine Aktiva aus der Bank zu nehmen und gleichzeitig habe man Tamraz aufgefordert, seinen Aktienanteil zu erwerben. Das Management habe Guselnikow den Anteil ausgezahlt, aber Tamraz habe für seine Anteile nichts bezahlt. Der Rat sei darüber nicht informiert worden.
Guselnikow befreite der Deal von seinen Schulden in Höhe von 12 Millionen Euro, auch sein Bruder wurde um 1,2 Millionen entlastet, zudem überwies die Bank noch 7,2 Millionen für Anwälte in die USA. Statt zu investieren nahmen die vermeintlichen Neubesitzer kurz vor der Pleite noch einen Kredit in Höhe einer halben Million Euro bei der eigenen Bank auf. Er wurde nicht mehr zurückgezahlt. Das und weitere Geschäfte verhandelten die PNB-Manager, ohne Sicherheiten einzufordern. Der NRA-Journalist Arnis Kluinis beziffert den heutigen Schuldensaldo auf über 200 Millionen Euro (nra.lv). Offiziell habe die EZB finanzielle Schwierigkeiten der PNB Banka festgestellt. “Tatsächlich lässt sich sagen, dass ein Teil des Bankvermögens der Bank geraubt wurde.”
Hannings Rechtfertigung, selbst vom Vorstand getäuscht worden zu sein, lässt Insolvenzverwalter Vigo Krastins nicht gelten, denn laut Gesetz haften Rat und Vorstand gemeinsam. Krastins reichte im letzten Jahr eine Klage gegen ihn, Rasmussen und neun weitere PNB-Banker ein, um in einem Zivilprozess für die Gläubiger eine Schadenssumme von mehr als 30 Millionen Euro zu erstreiten. Teile des Besitzes von Rasmussen und Hanning sollen bereits beschlagnahmt sein. “Die Episode mit den neuen Aktionären geht auf Beschlüsse beider Gremien zurück, sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand. Alle Vorstands- und Ratsmitglieder waren im Bilde, was ablief, auch über die Vorgänge, wie die Angelegenheit vonstatten ging. Jetzt zu sagen, wir wussten nichts oder irgendjemand hat uns getäuscht oder betrogen, das wird nicht wirklich korrekt sein,” meint Kläger Krastins.
Derzeit befindet sich der Prozess noch im Anhörungsverfahren. Auch die Polizei ermittelt in Sachen PNB Banka wegen Geldwäsche und Betrug, nennt aber bislang keine Beschuldigten. Guselnikows und sein stellvertretender Vorstandsvorsitzender Oliver Bramwell haben die Vorladung vor Gericht ignoriert.
Hanning war von Guselnikow aufgefordert worden, in den Aufsichtsrat zu kommen. In Tamraz sah er laut Interview einen ehrenwerten Geschäftsmann. Dessen Investorengruppe habe zugesagt, mehr als 100 Millionen Euro investieren zu wollen, deshalb habe man auch die Auszahlung des Kredits akzeptiert. Jetzt beschuldigt Hanning die lettische Finanz- und Kapitalmarktkommission FKTK, dass sie die neuen Aktionäre nicht habe akzeptieren dürfen. Doch die FKTK entgegnet, dass dieser Besitzerwechsel mit ihr nicht vereinbart worden sei. Hanning findet zudem, dass der Insolvenzverwalter seine Forderungen an die ehemaligen Besitzer und nicht an die Unternehmensführung richten müsse.
Auch ansonsten scheinen die Auslandsgeschäfte des ehemaligen Staatsbediensteten nicht mit Fortune gesegnet. Der Stern berichtete 2020, dass Hanning Präsident von Pluteos sei, eine Firma, die sich als “Fine Swiss Consulting” vorstellt (pluteos.com), aber weniger über feine als über sonderbare Büros in der Schweiz verfügt (stern.de). Stern-Journalist Hans-Martin Tillack stellte dazu fest: “Der offizielle Sitz in der Schweiz bringt es zugleich mit sich, dass die Pluteos [...] nicht offenzulegen braucht, wer ihre Aktionäre sind. Nach dem deutschen Gesetz zur Geldwäschebekämpfung müsste die hiesige Tochter die Identität von wirtschaftlich Berechtigten und damit die Namen größerer Aktionäre hinter der Pluteos aber sehr wohl öffentlich machen. Nur hat sie das nicht getan.”
Hanning war als politischer Beamter ein Hardliner, der es laut einem Stern-Bericht 2002 befürwortete, dem unschuldigen Guantanamo-Folteropfer Munat Kurnaz die Einreise nach Deutschland zu verweigern (stern.de); 2015 forderte er in einem Zehn-Punkte-Plan, die deutschen Grenzen zu schließen (welt.de).
*Die ursprüngliche Angabe, dass Tamraz libyscher Herkunft sei, war ein Irrtum.
UB
Atpakaï