Lettisches Centrum Münster e.V.

   

„Persistant Presence“ in Lettland
29.10.2015


Deutsche und US-Amerikaner uneins über dauerhafte Nato-Präsenz an den Ostgrenzen

Marder-PanzerDie Bundeswehr schickt wieder Soldaten und Kriegsgerät nach Lettland. Am Wochenende sollen mit der Bahn 37 Marder-Panzer am Rigaer Vorortbahnhof Garkalne ankommen. Das berichten sargs.lv und deutschesheer.de. Von dort aus werden sie zum Übungsplatz ?daži gebracht. Sechs Wochen lang üben 200 Soldaten des Panzergrenadierbataillons 391 aus dem thüringischen Bad Salzungen mit ihren lettischen Verbündeten „Persistant Resistance“. So bezeichnet die Nato eine ganzjährige Manöverserie, die sie auch in den übrigen baltischen Ländern und Polen ausrichtet. ?daži wird für deutsche Soldaten allmählich zur festen Adresse. Laut einem Artikel des Wall Street Journal vom 28.10.2015 sind sich die USA und Deutschland uneins in der Frage, wie stark und dauerhaft Nato-Truppen an der Grenze zu Russland stationiert bleiben sollen.

Foto: „Marder1A3.5“ von Paula Guzman, 7th ATC Public Affairs - http://www.hqjmtc.army.mil, http://www.hqjmtc.army.mil/feature/bwtrain/. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.

 

Nato-Präsenz im Osten immer dauerhafter

Bundeswehr-Soldaten wurden in diesem Jahr bereits dreimal nach Lettland zu Manövern abkommandiert: Summer Shield im März, Saber Strike im Juni und Silver Arrow, das im September stattfand. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte in Riga am 14.4.2015 zugesichert, dass sich die Bundeswehr an solchen Übungen beteilige. Doch hinter den Kulissen wird offenbar gestritten. Lettische Medien zitierten am 29.10.2015 aus dem Artikel "NATO Looks at Stationing More Troops Along Eastern Flank" des Wall Street Journal. Demnach zeigten sich deutsche Vertreter in privaten Nato-Runden gegenüber Plänen der USA und anderer Verbündeter reserviert, noch mehr Soldaten an die russische Grenze zu entsenden. Nato-Hardliner wollen in den baltischen Staaten und Polen vier Bataillone mit jeweils 800 bis 1000 Soldaten stationieren. Die Deutschen würden höchstens eine „gemäßigtere“ Aufrüstung mit einem einzigen Bataillon für alle vier Länder akzeptieren. Berlin wolle Moskau nicht als „ständigen Feind“ behandelt sehen und Russland nicht aus Europa ausschließen, „trotz der Spannungen in der Ukraine und anderen Provokationen“, wie die US-Zeitung bemerkt. Militärexperte Thomas Wiegold zitiert auf seinem Blog in diesem Zusammenhang eine dpa-Meldung vom 8.10.2015: Deutschland wolle keine zusätzlichen Soldaten für Ausbildungs- und Trainingsaktivitäten bereitstellen.

George Friedman

George Friedman, Chef des Strategic Forecasting, Inc., bezweifelt, dass es in Europa dauerhaft Frieden gibt*, Foto:„George Friedman (6980502329)“ von Luc Van Braekel from Waregem, Belgium - George Friedman Uploaded by Magnus Manske. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons.

Wer spaltet wen?

Unter der Nato-Decke brodelt es offenbar. Darunter steckt eine grundsätzliche Auseinandersetzung. Strikte Nato-Befürworter, unter ihnen die USA und die neuen Nato-Mitglieder im Osten, warnen vor einer Spaltung Europas durch Russland. Bei zu engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Russen prophezeien lettische Webleser in ihren Kommentaren einen neuen „Hitler-Stalin-Pakt“ und bevorzugen einen Cordon Sanitaire für osteuropäische Staaten unter us-amerikanischer Aufsicht. Nato-Skeptiker warnen dagegen vor einer Spaltung Europas durch die USA. Unter ihnen machte vor einigen Monaten ein Youtube-Video des Stratfor-Chefs George Friedman* die Runde. Er empfahl vor laufender Kamera der US-Regierung, Deutschland und Russland gegeneinander aufzuwiegeln, damit die Supermacht, die sich seiner Meinung nach dazu bekennen müsse, ein Imperium zu sein, auf der eurasischen Landmasse die Kontrolle behalte. Zwar wünscht Friedman Europa keinen weiteren Weltkrieg, aber "es wird seine Kriege haben", wie die Youtube-Übersetzung lautet. Der Streit innerhalb der Nato ist auch einer innerhalb der EU – nie war die Staatengemeinschaft so uneins.

* Zusatz am 3.10.2015: Es lohnt sich, die gesamte Rede Friedmans im englischen Original zu verfolgen. Demnach ist die ursprüngliche Bild-Unterschrift, dass Friedman gegen den Frieden in Europa agitiere, nicht haltbar. Neben der zweifellos machiavellistischen Haltung im Sinne der US-Herrschaft formuliert der Stratege richtige Beobachtungen zum traurigen Zustand der EU, zur prekären sozialen Situation vieler Europäer und der fragwürdigen Rolle des Exportjunkies Deutschland: youtube.com: George Friedman, "Europe: Destines for Conflict?"


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