Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Auch Letten protestieren gegen ACTA
15.02.2012


„Man hat uns ohnehin schon alle Freiheiten genommen. Die Freiheit im Internet ist eine von jenen, die geblieben sind. In aller Welt protestiert man gegen ACTA und auch wir müssen protestieren. ACTA darf nicht einfach durchschlüpfen. Die vom Lobbyismus angespornten Staatsmänner nahmen einfach ohne Diskussionen ein Abkommen hin, das erlaubt, Menschen in der Sphäre des Internets auszuspionieren. Die Menschen müssen darüber informiert werden, dass nun ihr Internetprovider alles über Euch wissen und Euch überwachen wird, falls jenem danach gelüstet. Alles, was Ihr tut, wird ihm frei zugänglich und sie werden gezwungen sein, die Information staatlichen Behörden zu überlassen.“ Mit diesen kämpferischen Worten richtet sich Gatis Gail?tis von der regierungskritischen Internet-Initiative manabalss.lv an seine Leser. Er sammelt derzeit 10.000 Protestunterschriften gegen das internationale Abkommen, deren Brisanz die Osteuropäer, allen voran die Polen, zuerst entdeckten.  Am Montag demonstrierten auch junge lettische Internetnutzer mit Anti-ACTA-Masken. Die Kritik zeigt erste Erfolge: Wirtschaftsminister Daniels Pav?uts beabsichtigt, den Vertrag im lettischen Parlament vorerst nicht ratifizieren zu lassen.

Die Guy-Fawkes-Maske ist nun auch zum Symbol der Anti-ACTA-Proteste geworden, Foto: Al auf Wikimedia Commons

 

Wirtschaftsminister Daniels Pav?uts begrüßt den Dialog mit ACTA-Gegnern

ACTA verdeutlicht, warum viele die herrschende Praxis der Globalisierung beargwöhnen: Jahrelang wurde über diesen internationalen Urheberrechtsvertrag verhandelt – hinter verschlossenen Türen, beeinflusst von Lobbyisten der us-amerikanischen Medienbranche, und die demokratische Öffentlichkeit blieb wieder einmal solange draußen vor der Tür, bis die Tatsachen beinahe vollendet schienen. Am 26.1.12 unterzeichneten die Botschafter der meisten EU-Staaten, auch Lettlands, in Japan bereits den Vertragstext, der aber erst in Kraft tritt, wenn alle nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten ihn verabschieden. Die Proteste erreichten diese Woche die lettische Öffentlichkeit. Vor dem Regierungsgebäude versammelten sich etwa 150 Jugendliche und junge Erwachsene. Die Webseite des Wochenmagazins Ir informierte am 13.2.12 darüber, dass die Polizisten einen Demonstranten in Gewahrsam nahmen, der sich geweigert hatte, seine Guy-Fawkes-Maske, das Protestsymbol dieser neuen Bewegung, abzunehmen. Im Gegensatz zum Big-Brother-Publikum des Privatfernsehens sieht die Internetgemeinde in Orwells totalitärer Vision weniger die Unterhaltung als den Schrecken: Big Brother is watching you stand unter anderem auf den Transparenten. Hier zeigt sich der Vorteil eines kleinen Landes. Eine solche Aktion, mag sie noch so fantasievoll gestaltet sein, hätte in einer deutschen Großstadt nicht mal behäbige Lokalredaktionen beschäftigt. In Lettland berichtete am Abend sogar die Hauptnachrichtensendung Panorama darüber. Und auch das politische Establishment zeigt sich offen, über ACTA zu diskutieren. Noch am 1.2.12 hatte Regierungschef Valdis Dombrovskis im Privatsender LNT getönt, dass er den ACTA-Vertrag für hinreichend besprochen halte. Die Position der Regierung, ACTA zuzustimmen, sei den lettischen Wirtschaftsbranchen seit Juli 2010 bekannt. Er könne sich nicht erklären, warum die Vertreter der Informationstechnologie nun behaupteten, von diesem Vertrag nichts zu wissen. Doch beim lettischen Wirtschaftsminister fanden die ACTA-Kritiker bereits am 8. Februar Gehör. Ir zitierte Daniels Pav?uts an diesem Tag mit folgenden Worten: „Eine proaktive Diskussion und eine rechtzeitige Aufklärung  wurde in Lettland leider verzögert. Sowohl angesichts der Stimmungen in einzelnen gesellschaftlichen Gruppen als auch wegen der ausgesprochenen Sorgen mehrerer Experten über eine mögliche Anwendung von ACTA in Lettland muss gesichert werden, dass konstruktive und begründete Dialoge und Diskussionen mit interessierten Gruppen zustande kommen.“ Pav?uts versicherte, derzeit nicht auf eine Verabschiedung von ACTA im Parlament zu drängen. Auch Dombrovskis bekennt nun, dass man Zeit habe. Ob man mit den Zielen der ACTA-Gegner sympathisiert oder nicht: Ihr Engagement ist ein Erfolg für die lettische Demokratie.


Externe Linkhinweise:

spiegel.de: Copyright-Abkommen - Das steckt hinter dem Acta-Streit

manabalss.lv

ir.lv: Pav?uts pagaid?m nevirz?s ACTA ratifik?ciju Saeim?

ir.lv: Jaunieši pie vald?bas protest? pret ACTA


delfi.lv: Premjers ACTA l?gumu uzskata par pietiekami apspriestu




 
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