Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Lettland: Von Silvester auf Neujahr verdreifachten sich die Vorstandsgehälter in den staatseigenen Kapitalgesellschaften
10.01.2013


Ein-Lats-MünzeDie Chefs staatlicher Kapitalgesellschaften, deren Umsatz 40 Millionen Lats (57 Millionen Euro) pro Jahr übersteigt, begrüßten gewiss frohgelaunt das neue Jahr, denn seit seinem Beginn erhalten sie deutlich mehr Geld. Das ermöglicht ein Kabinettsbeschluss der Regierung von Valdis Dombrovskis vom letzten November. Demnach kann ein Vorstandsmitglied solcher Firmen zwei Gehälter beziehen – für die Arbeit im Vorstand und für staatliche Amtsverpflichtungen in der Kapitalgesellschaft. Die Vorstände des Energiekonzerns Latvenergo und der Eisenbahngesellschaft Latvijas Dzelzce?š (LD) kassieren nun über Nacht doppelt bis dreifach höhere Einkommen. Damit beschäftigen sich seit einigen Tagen Politiker, Journalisten und lettische Bürger. Die Vergütung des LD-Vorstandsvorsitzenden U?is Magonis wird in mehreren lettischen Webportalen als Beispiel genannt: Bis Ende 2012 erhielt er monatlich 2600 Lats, nun, zusätzlich für seine Verpflichtungen als staatlicher Amtsinhaber entlohnt, erhöht sich sein Einkommen auf insgesamt 8500* Lats (12.146 Euro). Das sind, verglichen mit Gehältern in westlichen Vorstandsetagen, immer noch bescheidene Beträge, eher mit Einkommen vergleichbar, die die gehobene Mittelschicht in Deutschland oder Österreich erzielt. Aber auch das Gehalt eines lettischen Durchschnittsverdieners ist deutlich geringer und gleicht eher dem Taschengeld manch westlicher Jugendlicher - falls deren Eltern noch  feste Stellen haben. Regierungschef Valdis Dombrovskis zeigte sich von einem solch tiefen Schluck aus der Lohnpulle überrascht. Er beauftragte am 7.1.13 die zuständigen Minister mit der Überprüfung, ob solche Gehaltssteigerungen jenseits jeglichen Produktivitätszuwachses begründet sind.

Geld regiert die Welt - und der Lats immer noch Lettland, Foto: Copyright: www.bank.lv (Latvijas Banka)

 

Hat ein Vorstandschef mehr Verantwortung als ein Arzt oder ein Polizist?

Wirtschaftsminister Daniels Pav?uts, der für Latvenergo zuständig ist, verteidigte am 8.1.13 gegenüber der Ir-Redaktion die Firmenchefs. Lettlands Stromversorger sei das größte Unternehmen des Landes. Für Pav?uts ist es „nicht normal“, dass der Chef des Rigaer Freihafens ein mehrfach höheres Einkommen erzielt, dass auch in Privatfirmen und Energiekonzernen der Nachbarländer die Vorstandsmitglieder ein Mehrfaches verdienten. Allerdings sei die Art, wie die Gehaltserhöhungen erfolgten, „nicht allzu korrekt“ gewesen. Grundsätzlicher und kritischer geht der Journalist Otto Ozols auf dem Webportal tvnet.lv am 9.1.13 mit den Einkünften des Establishments ins Gericht. Er fragt sich, ob „die große Verantwortung“ für große Unternehmen solche Gehälter rechtfertigten. Doch wie sei es dann mit Ärzten (die in Lettland viel schlechter bezahlt werden als im Westen, U.B.)? Sie benötigten eine harte, langjährige Ausbildung, retteten nicht selten in zweistündigen Operationen das Leben ihrer Patienten. „Womit beispielsweise,“ so fragt Ozols, „sind die Leiter von Latvenergo oder Latvijas Dzelce?s besser als ein Chirurg, der in der Zeit eines Jahres das Leben mehrerer Kinder rettet? Womit sind die Chefs großer Unternehmen besser als ein ehrenhafter und beharrlicher Polizist, der im Jahr mehrere gefährliche Verbrecher fängt? Jemand könnte sagen, das sind unvergleichbare Größen und das eine übertriebene Gegenüberstellung. Nein, das Einzige, was in diesem Fall übertrieben ist, das sind die Vieltausend-Gehälter für manche, für auserkorene `Dickwanste` mit der Kontrolle über Millionenflüsse, welche zur rechten Zeit in die Taschen der Bonzen der `richtigen` Partei fließen oder einer solchen nahestehen.“ Zudem bezweifelt Ozols, ob die geleistete Arbeit überhaupt ein erhöhtes Einkommen rechtfertigt. Die Chefs von Latvijas Dzelce?s verzögerten beispielsweise die Planung der Rail Baltica, die irgendwann erträglicheres Zugreisen zwischen Tallinn und Berlin ermöglichen soll. Ozols bilanziert, dass die „fettleibige Mafia“ in Lettland nicht gestorben sei: „Das alles bezeugt das Folgende – der rasche Anstieg der Gehälter für Beamte und Politiker erweist sich als weitaus wichtiger als ernsthafte Arbeit mit Reformen, der vernünftigen Einrichtung des Systems. Die Dickwanste beherrschen die staatlichen Unternehmen, die staatlichen Millionen, Minister und Beamte. Im Lande, das einst den Ministerpräsidenten [und Unternehmer, U.B.] Krištop?ns herbeirief, ist wieder alles beim alten. Denn Lettland ist das Land, wo die fettleibige Mafia sich als unsterblich herausstellt. Premier Valdis Dombrovskis kann mit den Anführern der größeren Parteien um den Baum herumlaufen. Leider erweisen sich die Hoffnungen, dass diesmal annehmbare Reformen, klare und verständliche Arbeitsergebnisse für die Gesellschaft an erster Stelle stehen - und nicht erst nach dreifacher Erhöhung von Tausendlats-Gehältern - einmal mehr als die üblichen Politlügen, mit denen die lettischen Wähler beschwindelt werden.“

*Zahl wurde am 15.1.13 korrigiert

 

Externe Linkhinweise:

ir.lv: Pav?uts un Ronis v?rt?s valsts uz??mumu valdes locek?u atalgojumu

tvnet.lv: Trekno mafija ir nemirst?ga, vi?i ir atgriezušies, lai vald?tu un Valdis Dombrovskis var skriet ap koku




 
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