Lettisches Centrum Münster e.V.

   

Gedenken an den 14. Juni 1941
15.06.2016


Eintritt in Nato und EU als Lehre aus der Vergangenheit

Denkmal in TornakalnsVor 75 Jahren erfolgte in Lettland die erste Massendeportation. Kurz bevor die Deutsche Wehrmacht die baltischen Länder überfiel, organisierten Stalins Besatzer den Transport litauischer, estnischer und lettischer Bürger nach Sibirien. Stalin hatte den Beschluss bereits am 15.5.1941 gefasst, nicht ahnend, dass wenig später die Deutschen die Sowjetunion überfielen. Tschekisten suchten in der Nacht zum 14.6.1941 die Wohnungen auf und führten die Bewohner zu den Bahnhöfen ab. Mehr als 15.000 Einwohner Lettlands wurden in Viehwaggons verfrachtet. Nach tagelanger Fahrt endeten sie in den Weiten Sibiriens oder Kasachstans. Ziel der Aktion war es, die lettische Oberschicht zu beseitigen. Diese erschien dem Sowjetregime verdächtig. Politiker, hochrangige Beamte, Befehlshaber der Polizei und der Armee, Soldaten, Literaten, Lehrer, Unternehmer und Händler endeten in den Gulags. Dort wurden einige Hundert Männer sofort erschossen. Zu den Verschleppten gehörten auch die Familienangehörigen, unter ihnen Kleinkinder. Fast jeder zweite der Deportierten sah die Heimat nicht mehr wieder. Der 14. Juni ist ein lettischer Trauertag, an dem die Nationalflaggen an den Häusern ein schwarzes Band tragen. Überlebende und Angehörige der Opfer legten vor dem Nationaldenkmal in Riga Blumen nieder. Staatspräsident Raimonds V?jonis sprach zu ihnen.

Am Rigaer Bahnhof Tor?akalns erinnert ein Viehwaggon, der für die Deportation benutzt wurde, an die Ereignisse des 14.6.1941, Foto:  ScAvenger (J?nis Vilni?š) - Paša darbs, CC BY-SA 3.0

 

Fahne und Hymne als Brot der Deportierten

V?jonis erinnerte daran, dass fast jede lettische Familie in der Stalinzeit Deportationen, Verhaftungen und Hinrichtungen ihrer Angehörigen zu beklagen hatte. Die nationalen Symbole beschrieb er als Zeichen der Hoffnung jener Zeit: „Heute sprechen wir jedem den tiefsten Dank aus, der unter diesen unmenschlichen Umständen zu überleben vermochte. Der Glaube an Lettland, an unsere Fahne und Hymne waren das Brot des Deportationswegs. Vielen erlaubte es die Rückkehr. Es hielt die Hoffnung lebendig, dass Lettland wieder frei sein wird und die Gerechtigkeit siegt.“ Heute lebten die Letten unter völlig anderen Bedingungen als vor 75 Jahren. Die Bürger hätten viel getan, damit sich die Ereignisse des 14. Juni nicht wiederholten. „Wir haben unsere Streitkräfte gestärkt; wir haben Freunde und Verbündete gewonnen, auf die wir uns in Friedenszeiten verlassen können und in den Momenten, in denen Gefahr droht. Indem wir in die Nato und die EU eintraten, bekräftigten wir unsere Zugehörigkeit zu Europa und wurden vielen zum Vorbild.“ Dennoch sei auch heutzutage nichts garantiert und selbstverständlich. Die Letten müssten wachsam sein und bereit, ihr Land zu verteidigen. „Wir müssen bereit sein, Europas Werte zu verteidigen – Freiheit, Menschenrechte, Würde und Toleranz, denn auf diesen Werten basiert Lettland.“ Schließlich appellierte er an das Gemeinschaftsgefühl aller Einwohner: „Arbeiten wir alle zusammen, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, dem Alter oder der sozialen Lage.“ Jetzt sei der Zusammenhalt besonders wichtig, um Lettland als ein Land zu gestalten, auf das alle stolz sein könnten. An der Gedenkveranstaltung am Nationaldenkmal nahmen ausländische Delegationen teil, unter ihnen eine Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestags.

 

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