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Deutsche Gemeinde in Lettland wird Miteigentümer der Rigaer Petrikirche
23.04.2022


Rekonstruktion der Barockorgel wird nun realistischer

Die Rigaer Petrikirche, dahinter der Dom, Foto: Moralist, Eigenes Werk, Gemeinfrei

Die Petrikirche mit ihrem langen barockförmigen Turm ist ein Wahrzeichen Rigas und eine historische Stätte. Hier formierte sich das Bürgertum gegen die bischöfliche Herrschaft. Hier verbreitete Andreas Knöpken schon wenige Jahre nach Luthers Thesenanschlag reformatorische Ideen. Brände und Kriege beschädigten das Bauwerk, der Turm musste mehrmals neu errichtet werden, zuletzt nach 1945 als Metallkonstruktion. In sowjetischer Zeit wurde die Kirche für Kulturveranstaltungen genutzt. Hier fanden legendäre Kunstausstellungen statt, die nicht den bolschewistischen Vorstellungen entsprachen. Bauexperten warnen, dass das Gebäude dringend saniert werden muss. Bislang blieb aber die Eigentümerfrage ungeklärt. Seit der Unabhängigkeit verwaltete die Stadt Riga den gotisch-barocken Ziegelbau; die Stadtregierungen vernachlässigten aber dessen Instandsetzung. Die Saeima-Parlamentarier haben am 24. März 2022 nach langwierigen Diskussionen beschlossen, die Kirche einer Stiftung zu übereignen, die der deutschen St.-Petri-Gemeinde und der Lettischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (LELB) gehört. Die Federführung obliegt den Deutschen.


Arvils Aseradens, Vorsitzender der Saeima-Kommission für Bildung, Kultur und Wissenschaft, zeigte sich zufrieden: “Rigas Petrikirche ist eine von den bedeutendsten kulturhistorischen Denkmälern Lettlands, das Riga absolut prägt und Rigas Zugehörigkeit zum christlichen Kulturraum Westeuropas aufzeigt. Derzeit befindet sich die Kirche als Kulturdenkmal in einem kritischen Zustand und es sind dringende und umfangreiche Sanierungsarbeiten erforderlich. Wir hoffen, dass das in der Saeima angenommene Gesetz ein guter Anfang sein wird, damit die Petrikirche in seiner ursprünglichen Gestalt erneuert wird.” Ziel des Gesetzes ist es, den kulturhistorischen Wert zu bewahren, die Kirche vorrangig wieder als religiöse Stätte zu nutzen, aber weiterhin nichtreligiöse Kulturveranstaltungen zuzulassen und den öffentlichen Zutritt zu gewährleisten. Die Eigentümer sind verpflichtet, Einnahmen aus dem laufenden Betrieb zum Erhalt des Bauwerks einzusetzen. Sanierungsarbeiten sollen sie mit dem Kulturministerium abstimmen; Aseradens` Kommission verlangt die Vorlage eines jährlichen Rechenschaftsberichts.


Vor einigen Jahren schlugen nationalkonservative Politiker vor, die Kirche der LELB zu übereignen und auch die deutsche Gemeinde zu beteiligen. Doch dieser Plan fand nicht ungeteilten Zuspruch. Dainis Ivans, ein führender Aktivist der Unabhängigkeitsbewegung von 1989, kritisierte die “Enteignung” der Rigenser. Er fürchtete den Einfluss der nationalkonservativ geprägten LELB auf die zukünftige kulturelle Nutzung. Architekt Peteris Blums hingegen listete die zahlreichen schweren Bauschäden auf, weil die Stadt Riga die Sanierungsarbeiten vernachlässigt hatte, zu denen sie verpflichtet gewesen wäre (LP: hier). Der Streit verschärfte sich, Blums schrieb über einen “Krieg” zwischen Mitmenschen, die Stadt gegen die Kirche, Letten gegen Deutsche. Er plädierte dafür, die Petrikirche der LELB und der deutschen Gemeinde anzuvertrauen, “um es wieder in ein Gotteshaus zu verwandeln, um es wieder zum Rigaer Stolz mittelalterlicher Baukunst und einer zeitgemäßen Haltung zu machen” (LP: hier).


Das Petrikirchengesetz ist eine gute Nachricht für den deutschen Förderverein, der seit vielen Jahren Spenden sammelt, um die einstige Barock-Orgel Gottfried Kloosens von 1734 zu rekonstruieren. Dessen Vorsitzender Klaus Wittmann kommentierte in einer Presseerklärung den Saeima-Beschluss: “Mit der Lösung der Eigentumsfrage für die Kirche wird auch endlich das Projekt der Rekonstruktion ihrer historischen Orgel realistisch, für die sich die deutsch-lettische Orgelstiftung Riga und der Förderverein Orgel Petri-Kirche Riga e.V. seit vielen Jahren einsetzen. Denn trotz Wiederaufbaus der 1941 kriegszerstörten Kirche in den achtziger Jahren ist die Orgelempore dieser prächtigen Kirche, Wahrzeichen Rigas, wo vor 500 Jahren die Reformation im Baltikum begann, bis heute leer. `Wenn die Petri-Kirche ihre Stimme wiederhat`, sagte der renommierte lettische Architekt Peteris Blums, `ist für die Rigaer Altstadt der Zweite Weltkrieg endgültig zu Ende.`“


UB 

 




 
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