Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Acht Tote bei Brand in einem illegalen Rigaer Hostel
29.04.2021


Behörden sahen sich nicht imstande, die Herberge rechtzeitig zu schließen

Die Merkelstraße in Riga, Foto: CC BY-SA 3.0, Saite

 

Es war am 28. April 2021 um fünf Uhr morgens, als Notrufe die Feuerwehr erreichten: Die oberste sechste Etage und das Dach eines alten Wohnhauses in der Rigaer Innenstadt, in der Merkelstraße 8, standen in Flammen. Zunächst hatten die Feuerwehrleute Mühe, die eiserne Hosteltür, die mit Codenummer gesichert war, zu überwinden. Die Löscharbeiten der 53 Feuerwehleute dauerten bis zum Mittag an; die Merkelstraße, eine wichtige Durchgangsstraße des öffentlichen Nahverkehrs, musste stundenlang gesperrt werden. Die Rettungskräfte vermochten 24 Menschen zu evakuieren, sechs von ihnen kamen mit mittelschweren Verbrennungen oder Rauchvergiftungen ins Krankenhaus. In der zerstörten Etage machten die Retter einen grausigen Fund: Acht Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Ihre Identität ist nur mit einer DNA-Probe zu ermitteln. Es stellte sich heraus, dass im sechsten Stock ein Hostel ohne Genehmigung betrieben wurde. Inzwischen nahm die Polizei drei der Betreiber fest, die Ermittlungen dauern an. (lsm.lv)


Unter den Toten können sich sowohl lettische als auch ausländische Gäste befinden, darunter nach letzten Angaben drei ausländische Studierende der Lettischen Universität, die aber keine Studierenden des Erasmus-Programms seien. Die Polizei gibt Auskunft unter der Webadresse cietusie@riga.vp.gov.lv oder der Telefonnummer +371 67829250 (lsm.lv). Polizeisprecherin Simona Gravita bestätigte der Presse, dass drei Personen festgenommen wurden, unter ihnen ein Jurist, der als Eigentümer der beiden betroffenen Etagenwohnungen registriert ist. Eine Firma namens Hospitality Solutions war Betreiberin des Hostels, das als Japanese Style Centrum firmierte. Im Internet erhielt die Herberge äußerst schlechte Bewertungen: Unsauberkeit, Wanzen im Bett, ehemalige Kunden warnten vor übermäßigem Drogen- und Alkoholkonsum, Streitigkeiten zwischen Gästen. Anwohner beschwerten sich über den Lärm. Noch einen Tag vor dem Brand war ein Gast offenbar an einer Überdosis Drogen gestorben. Auch in der Brandnacht erreichten den medizinischen Rettungsdienst und die Polizei Notrufe und Beschwerden.


Die städtische Polizei hatte viel Arbeit mit dem Hostel. Ihr Leiter Juriss Lukass bezifferte die Einsätze der letzten Zeit: “Insgesamt erreichten uns seit März des Jahres 16 Anrufe von benachbarten Bewohnern. Wir haben 17 Strafen wegen Ordnungswidrigkeiten verhängt und fünf administrative Verfahren wegen der Nichtbeachtung epidemiologischer Bestimmungen eingeleitet. Insgesamt wurde diese Adresse bis gestern 19 mal aufgesucht.” (lsm.lv)


Nun ermitteln Lukass` Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei. Den Hostel-Besitzern wird vorgeworfen, ihre Herberge ohne behördliche Genehmigung betrieben zu haben. Sie hätten zudem Brandschutzbestimmungen nicht beachtet und durch ihre Fahrlässigkeit fremdes Eigentum zerstört. Die Behörden wussten über die Missstände Bescheid. Der staatlichen Arbeitskommission lagen elf Beschwerden vor, weil Angestellte über ausbleibende Gehaltszahlungen klagten. Hospitality Solutions, das auch in der Merkelstraße 1 ein Hostel untergebracht hat, weigerte sich, mit den Behörden zu kooperieren. Die Feuerwehr, die den Brandschutz überprüfen wollte, wurde mehrmals am Hostel-Eingang abgewiesen.  


Am 13. Januar 2021 untersuchten Inspektoren der städtischen Bauaufsicht die Wohnungen 21 und 22 in der 6. Etage und bemerkten, dass sie ungenehmigt zu einem Hostel umgebaut worden waren. Die Prüfer wiesen die Betreiber an, es unverzüglich zu schließen und innerhalb von sechs Monaten die baulichen Mängel zu beseitigen. Doch baulich veränderte sich offenbar nichts, stattdessen nahm das Hostel weiterhin Gäste auf. Edgars Butans, Vertreter der Bauaufsicht, wies im Gespräch mit LSM darauf hin, dass seine Behörde nicht die Ressourcen habe, um ein solches Objekt zu überwachen und nachzuprüfen, ob die Betreiber verordneten Auflagen nachkommen. Zudem hätten seine Mitarbeiter nicht das Recht, Bewohner aus den Räumen zu vertreiben. Die Polizei wiederum wusste nichts von der Anweisung der Bauaufsicht, das Hostel zu schließen.


Nach offiziellen Angaben gehört Hospitality Solutions einem Litauer. Im Jahr 2019 machte die Firma 126.538 Euro Umsatz und angeblich nur 2.745 Euro Gewinn. Das Unternehmen besteht seit 2005 und hat ein Grundkapital von 2.840 Euro. Inoffiziell war das illegale und riskante Geschäft, dessen Betreiber sich weder um kostspielige Bestimmungen noch um hinreichende Gehaltszahlungen kümmerten, vermutlich deutlich lukrativer. (jauns.lv)

UB 




 
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