Ieva Balode: Ausstellung „Angstschleife“
07.05.2022
Mit Aufzeichnen und Ablichten gegen die Verlustangst
Motiv von Ieva Balode, Foto: LNMM
Vor einem düster-grauen Hintergrund zeichnet sich in etwas helleren Grautönen eine Ruine ab. Das Gemäuer erscheint zerschunden. Wo Fenster waren, schaut man in dunkle eckige Löcher. Das Dach fehlt, die Schornsteine, die die Giebelwand zieren, sind nutzlos. Das könnte das grauenhafte Motiv aus einem Alptraum sein oder aus einem Krieg oder einfach eine furchterregende Erinnerung an die Vergänglichkeit des Bestehenden. Die Foto- und Filmkünstlerin Ieva Balode beschäftigt sich in ihrer Personalausstellung mit den Gefühlen Furcht und Angst, ein aktuelles Thema...
Pandemie und Krieg machen Angst. Für die Regierenden hat das Angstmachen Vorteile; es schüchtert die Menschen ein und macht sie folgsamer. Ein Grund für die Entstehung von Dörfern und Städten war der Schutz, der die Gemeinschaft vor Angreifern bot, gegen die der einzelne sich nicht hätte verteidigen können. So entstanden soziale Hierarchien; wer sich Schwert und Rüstung leisten konnte, war mächtiger; er bewohnte die Burg, um die sich die Hütten der übrigen scharten. Gefühle der Angst und der Furcht können eine gestaltende instinktive Kraft darstellen. Die Furcht vor der Dunkelheit führte zur Straßenbeleuchtung; die religiöse Bewältigung der Todesangst führte zum Bau enormer Tempelanlagen. Doch Furcht und Angst können selbst zu Gefahr werden. Dem nervösen Chirurg, der Furcht davor hat, bei der Operation einen Fehler zu machen, dem mag gerade deshalb der Fehler unterlaufen. Die Furcht davor, eine unangenehme Wahrheit auszusprechen, hat noch so manche Situation verschlimmert.
Die Künstlerin verbindet auch die Materialien und Medien, die sie verwendet, mit dem Gefühl der Angst, nämlich der Angst, Wahrgenommenes und Erlebtes zu verlieren. Balode ist Foto- und Filmkünstlerin; sie hält also den Moment oder die Szene fest, als könnten sie so verewigt werden. Die Ausstellung zeigt man Installationen mit Filmprojektoren und fotochemischen Fotografien, deren Zusammenspiel laut Museums-PR „ein leicht verstörendes Gefühl“ vermittele. Mit einem fotochemischen Kinofilm könne sich der Besucher wie mit einem kinetischen Objekt vertraut machen, das gemeinsam mit anderen analogen Projektoren den Museumssaal in einem anderen Licht zeigten.
Ieva Balode wurde 1987 geboren und absolvierte die Abteilung für visuelle Kommunikation der Lettischen Kunstakademie. Sie hat sich an zahlreichen internationalen Ausstellungen und Filmfestivals beteiligt, in Deutschland waren ihre Werke 2016 in Leipzig und 2020 in München zu sehen. 2019 nahm sie an den Oberhausenern Kurzfilmtagen teil. Seit 2017 ist sie Direktorin des experimentellen Kinofestivals „Prozess“ in Riga. Diese Personalausstellung ist noch bis zum 12. Juni 2022 im Hauptgebäude des Lettischen Nationalmuseum der Kunst im Kuppelsaal, 5. Etage, zu sehen. Das Kunstmuseum befindet sich am Jana Rozentala laukums 1 in Riga.
UB
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