Kreis Cesis will Schloss Groß Roop (Lielstraupe) sanieren
14.04.2022
Für die Bauarbeiten werden mehr als ein Jahrzehnt benötigt
Schloss Groß Roop, Foto: CC BY-SA 3.0, Saite
Wer mit dem Auto von Riga nach Valmiera unterwegs ist, erblickt auf halbem Wege ein ockerfarbenes Gemäuer. Hinter einem Teich lehnt sich mittelalterlich verwinkelt eine Fülle von Häusern an einen Turm mit barocker Spitze. Das Ganze wirkt wie ein zusammengerücktes Dorf, dessen Teile in unterschiedlichen Zeiten ohne Plan entstanden sind. So mischen sich der mittelalterliche Burg- mit dem barocken Schlossstil, Reste alter Fachwerkfassaden mit geschwungenen Dachgiebeln und Fenstern. Zudem umgibt das Gelände eine gespenstische Ruhe. Man vermutet Dornröschen im Tiefschlaf. Tatsächlich steht der stolze Gebäudekomplex seit Jahren leer. Der Kreis Cesis, der seit der letzten Gebietsreform zuständig ist, hat ihn vom Gesundheitsministerium übernommen, dem das Schloss Groß Roop (lettisch: Lielstraupe) gehörte. Die Kreispolitiker wollen das Kulturdenkmal zu einem attraktiven Zentrum für in- und ausländische Besucher gestalten.
Das Bauwerk ist in einem bedenklichen Zustand, ein Bauzaun versperrt die Teile, deren Zutritt zu gefährlich wäre. Bis Ende 2017 war in einem Flügel ein medizinisches Zentrum untergebracht, wo Suchtkranke therapiert wurden. Patienten und Personal sind in die psychiatrische Anstalt von Strenci umgezogen, weil Einsturzgefahr drohte. In den fünfziger Jahren beherbergte der ehemalige Adelssitz Verwaltung und Werkstätten einer Traktorenstation. Die sowjetische Art, ehemalige Adelsitze für öffentliche Zwecke zu nutzen, hatte oftmals die Zerstörung des prunkvollen Inventars zur Folge. Immerhin blieben in Groß Roop die Eichentreppen, Parkett und Kachelöfen erhalten.
Rudite Vasile organisiert die Touristik des Kreises Cesis. Geradezu poetisch formuliert sie den Schmerz, den ihr der Zustand dieser außergewöhnlichen Gemäuers bereitet: “Zuerst kommt das Dach! Damit es nicht durchregnet. Wenn der Regen fließt, dann fließt es in Strömen, dann schmerzt das Herz, Tränen fließen. Traurig für das Schloss, traurig für uns, traurig das Ganze. Das Dach, die Stützmauer, die wegen eines unpassenden Mörtels eingestürzt ist, muss auch erneuert werden,” sagte sie dem TV3-Journalisten Janis Zvers (tv3.lv). Allein für das Dach werden die Baukosten auf 800000 Euro geschätzt. Für die Erneuerung des gesamten Geländes werden viele Millionen benötigt.
Am 13. April 2022 trafen sich Gesundheitsminister Daniels Pavluts und Janis Rozenbergs, Vorsitzender des Kreises Cesis, zu einer Besprechung, um den staatlichen in kommunalen Besitz zu überführen (tv3.lv). Rozenbergs wünscht, dies mit einem Gesetz zu regeln, weil die Kreisbehörde nach derzeitigen Bestimmungen nur eingeschränkt planen darf. Pavluts entgegnete, dass ein solches erst verabschiedet werden müsse und Zeit erfordere. Zumindest scheint gesichert, dass Groß Roop für die Allgemeinheit zugänglich bleibt. Geplant ist ein Museum, vielleicht auch Gaststätte und Hotel einzurichten. Noch weiß Rozenbergs nicht, wie der Kreis Cesis die erforderlichen Millionen aufbringen soll: Er hofft, dass sich die Dinge mit der Zeit ergeben, dass Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen sich beteiligen und dass EU-Gelder fließen werden. “Die Verantwortung ist enorm, aber wir sind bereit,” meint er zuversichtlich, die Sanierungsarbeiten düften mehr als ein Jahrzehnt beanspruchen.
Schloss Groß Roop ist ein Hingucker; ein Juwel aus alten Zeiten. Seine Geschichte geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Ein Vasall des Rigaer Bischofs errichtete hier seinen Herrensitz. Die Burg wurde erstmals 1310 erwähnt, als die Anlage von Litauern belagert wurde. Graf Peter von Lacy, livländischer Generalgouverneur irischer Herkunft, verwandelte nach dem Nordischen Krieg die Burg in ein barockes Schloss mit entsprechend gestalteten Türmen und Giebeln. 1905 steckten lettische Revolutionäre auch diesen deutschbaltischen Herrensitz in Brand. Architekt Wilhelm Bokslaff plante danach die Sanierung erstmals nach wissenschaftlichen Kriterien.
Groß Roop ist der einzige Adelssitz Lettlands, in dem eine Kirche in das Schlossgemäuer integriert ist. In ihr wurden Barone und Geistliche bestattet. Die Erneuerung der Bauten betrifft also auch die Evangelische Kirche. Zum Areal gehört ein stattlicher Park, in dem exotische Bäume wachsen. Dort befindet sich ein Friedhof, der Pestleichen aus dem 16. Jahrhundert birgt. Damals starben mehr als 80 Prozent der Stadt Straupe, die sich in der Nähe des Schlosses befand und sogar ein Mitglied des Hansebundes war, nur 794 Einwohner überlebten. Schließlich machte der Nordische Krieg der Stadt den endgültigen Garaus. Mögen für Groß Roop bessere Zeiten bevorstehen.
Udo Bongartz
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