Latvieðu Centrs Minsterç

   
127663

Letten drängen Deutschland zur Lieferung von Leopard-2-Panzern
24.01.2023


Frieden schaffen mit immer mehr Waffen

Spinnennetz an einem militärischen Mündungsrohr als Friedenszeichen, Ausschnitt aus einem Foto von Lupus in Saxonia, Eigenes Werk CC BY-SA 4.0, Link

Jedes Mal droht eine militärische Eskalation, wenn die USA die Ukraine-Kontaktgruppe einberufen. Das sind jene 50 Länder, die die Ukraine militärisch unterstützen, darunter alle NATO-Staaten. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz trafen sich Regierungsvertreter am 20. Januar 2023, um weitere Waffenlieferungen zu beschließen. Nun soll Deutschland, das sich im Februar noch kurz weigerte, überhaupt Rüstungsgüter zu liefern, sein ganz schweres Kriegsgerät entsenden, den Kampfpanzer Leopard 2. Noch zögert die Bundesregierung; doch die US-Regierung und osteuropäische Politiker erhöhen den Druck. Auch Lettlands Amtsträger scheuen sich nicht, Deutschland undiplomatisch vorzuführen.


Nach dem dritten Treffen der Kontaktgruppe kommentierte der lettische Staatspräsident Egils Levits am Samstag für LTV die deutsche Zurückhaltung, die geforderten Panzer zu liefern: "Das ist für alle eine Enttäuschung. Sowohl für alle Verbündeten Deutschlands als natürlich auch für die Ukraine. Und auch für Lettland. Ich denke, dass Deutschland ernsthaft seine Politik in dieser Frage überdenken muss." (lsm.lv) Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics hatte bereits am Samstagmorgen auf Englisch mit seiner ganz speziellen Logik getwittert, die Leopardpanzer zu Friedenspanzern macht: "Die Außenminister fordern Deutschland auf, Leopardpanzer an die Ukraine jetzt zu liefern. Dies ist erforderlich, um die russische Aggression zu stoppen, der Ukraine zu helfen, den Frieden in Europa rasch wieder herzustellen. Deutschland als die führende europäische Macht hat eine spezielle Verantwortung in dieser Hinsicht." Ganz so allein scheint die deutsche Regierung aber nicht dazustehen; laut Eric Bonse kommt eine EU-"Panzerallianz" für Leopard-Lieferungen nicht zustande, denn auch Spanien und Dänemark haben Bedenken und andere Politiker scheinen sich hinter der deutschen Position zu verstecken. (lostineu.eu)


Die von NATO-Stratcom-Informationen versorgte baltische Öffentlichkeit reagiert entsprechend auf Deutschlands "Zögern". Am Samstag organisierten Demonstranten eine Protestaktion vor der deutschen Botschaft in Vilnius. LSM zitiert einige Stimmen aus der litauischen Hauptstadt: "Ich bin hier, weil ich wünsche, dass der Krieg in der Ukraine endet, so bald es möglich ist und sie ihr Land zurückbekommen können und die Besatzer vertreiben und ich möchte, dass die Menschen nicht mehr getötet werden." Ein weiterer Demonstrant meinte: "Ich möchte meine Haltung gegenüber einem Land zum Ausdruck bringen, von dem in vieler Hinsicht Europas Zukunft abhängig ist. Der Krieg dauert beinahe ein Jahr und Deutschland ist eine fortwährende Enttäuschung."  


Dass mehr Waffenlieferungen den Frieden schneller herbeiführen, ist im baltischen Diskurs unumstritten, wer es anders sieht, gilt schnell als "Kreml-Propagandist" und verantwortet ukrainische Opfer. Das politische Establishment der drei Länder, das EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola als "Zentrum der Entscheidungsfindung" lobpries, gibt in militärischen Fragen ebenso wie bei EU-Sanktionen neben Polen international den Ton an, gewiss mit Rückendeckung der USA (LP: hier). Lettische Politiker setzen auf Siegfrieden und ignorieren Bedenkenträger wie Henry Kissinger, Jeffrey Sachs oder Klaus von Dohnanyi, die zu Mäßigung und zu Verhandlungen auffordern, weil sie eine Atommacht für nicht besiegbar halten. Statt dessen erschwert es die baltische Position, möglichst bald internationale Verhandlungen zu führen, um einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Ein solcher wäre im April schon in erreichbarer Nähe gewesen, bevor Boris Johnson die ukrainische Regierung dazu brachte, die Verhandlungen mit Russland abzubrechen (LP: hier). Die lettische Regierung setzt sich statt dessen dafür ein, Wladimir Putin vor ein speziell eingerichtetes EU-Kriegstribunal zu bringen, sie setzt Sieg mit Frieden gleich.


Es ist schon erstaunlich, dass Deutschlands östliche Nachbarn 78 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg dessen Militärmacht einfordern. Doch für das Land, das größtenteils selbstverschuldet die Schrecken zweier Weltkriege erfuhr, ist keine selbstbestimmte Führungsrolle vorgesehen, in der es eine alternative Entspannungspolitik verfolgen könnte; seine Aufgabe gleicht eher der Rolle von Adi Berber in den Edgar-Wallace-Filmen der 60er Jahre. Der Österreicher Berber spielte nach seiner Ringerkarriere in diesen Krimis die Rolle des Kinderschrecks: Ein bärenstarker Hüne mit grausigem Gesicht und Spatzenhirn, der auf Befehl seines Herrn zu jeder Gewalttat bereit ist.  


Derweil vermindern Estland und Lettland ihre diplomatischen Beziehungen mit Russland. Nach einem angeblichen Streit um Personalstärken in den diplomatischen Vertretungen in Tallinn bzw. Moskau beschlossen die Nachbarländer wechselseitig, ihre Botschafter auszuweisen. Nun solidarisierte sich Lettland mit Estland. Das lettische Außenministerium beschied Michail Wanin, dem russischen Botschafter in Riga, dass er bis zum 23. Februar, also ein Tag vor dem Jahrestag des russischen Einmarschs, das Land verlassen muss. Die russische Regierung reagierte, nun müssen auch die Letten Maris Riekstins, ihren Botschafter in Moskau, abziehen. Außenminister Rinkevics erneuerte den Appell an seine Landsleute, nicht nach Russland zu reisen bzw. das Land zu verlassen (lsm.lv).


Udo Bongartz 




 
      Atpakaï