Lettland: Corona-Situation entspannt sich etwas
16.12.2021
Omikron ist inzwischen auch in Riga eingereist
Der Jurist und Parlamentarier Gobzems beschäftigt die Polizei. Er darf nicht an Parlamentssitzungen teilnehmen, weil er kein gültiges Covid-Zertifikat vorlegt, Foto: Saeima, CC BY-SA 2.0, Saite
Die nächtliche Ausgangssperre, die die Regierung bis zum 15. November 2021 anordnete, wirkt offenbar. Die Inzidenzzahlen, die europäische Rekordwerte erreicht hatten, verringerten sich merklich und inzwischen steht Lettland deutlich besser da als die deutschsprachigen Länder. Nach Ende des Lockdowns verkündete das Ministerkabinett neue Beschränkungen, um körperliche Nähe in der Öffentlichkeit weiter einzuschränken. Wer ein Geschäft betritt, muss sein Covid-Zertifikat vorzeigen. Nur Geschäfte für den lebensnotwendigen Bedarf (Lebensmittel, Medikamente, Brillen, Tiernahrung, Hygieneprodukte), die weniger als 1500 m² Verkaufsfläche aufweisen, stehen auch Ungeimpften offen. Die Besucherzahl pro Laden ist beschränkt, deshalb bilden sich vor den Eingängen zuweilen Schlangen von Wartenden. Weil Kunden ohne Covid-Zertifikat die großen Lebensmittelgeschäfte nicht betreten dürfen, melden kleinere Filialen nun größeren Andrang. Eine Vertreterin des Lebensmitteldiscounters Maxima, der in Lettland zahlreiche Geschäfte verschiedener Größe betreibt, bestätigt diese Beobachtung (nra.lv). Die Nachfrage nach haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln, Reis und Konserven sei gestiegen. Doch die Feiertagslaune lassen sich die Kunden nicht verderben, sie greifen auch verstärkt bei Torten, Wein und Sekt zu.
Für Reisende, die ein Covid-Zertifikat vorweisen, gelten momentan keine besonderen Einreisebeschränkungen, sie müssen sich aber auf der Webseite covid-pass.lv anmelden. Die Regierung behält sich vor, bei einer erneuten Verschärfung der Corona-Lage von allen Einreisenden, auch Geimpften und Genesenen, einen aktuellen PCR-Test zu verlangen, die kostspielig und für Reisende mit Bus und Bahn schwer zu organisieren sind (Die italienische Regierung hat diese Bestimmung schon eingeführt, dagegen protestiert die italienische Hotelbranche). Touristen müssen mit einem deutlich reduzierten kulturellen Angebot rechnen, denn auch für Konzertveranstaltungen und sonstige Versammlungen gelten Beschränkungen. Immerhin können die großen Museen Rigas derzeit ohne Voranmeldung besucht werden, ein gültiges Covid-19-Zertifikat und Maske sind aber auch dort Voraussetzung.
14-Tage-Inzidenz vom 10.12.21
Slowakei |
2274.1 |
Österreich |
1506.5 |
Schweiz |
1228.2 |
Deutschland |
938.7 |
Litauen |
862.9 |
Lettland |
587.8 |
Estland |
565.1 |
Italien |
266.8 |
Schweden |
249.1 |
Rumänien |
109.1 |
Die Zahlen zeigen, dass sich das Virus momentan besonders in deutschsprachigen Ländern verbreitet. In den baltischen Ländern, die vor einigen Wochen noch höchste Werte aufwiesen, entspannt sich die Lage dank neuer Kontaktbegrenzungen. Generell empfiehlt das SPKC, auf Reisen zu verzichten, doch - derzeit - sind vollständig Geimpfte von Reisebeschränkungen nicht betroffen. Quelle: spkc.gov.lv
Die verschärften Corona-Bestimmungen entlasten die Kliniken. In der Woche bis zum 12. Dezember 2021 verringerte sich im Vergleich zur Vorwoche die Zahl der Covid-19-Patienten um 27,5 Prozent; auf einen vollständig Geimpften, der stationär behandelt werden muss, kommen vier Ungeimpfte bzw. nur unzureichend Geimpfte (lsm.lv). Zwar bieten Impfungen keinen vollständigen Schutz, doch das Risiko, schwer zu erkranken oder zu sterben ist deutlich geringer, die Gefahr für Ungeimpfte, mit Corona abzuleben, etwa acht Mal höher. Gesundheitsminister Daniels Pavluts befürchtet allerdings, dass der gute Trend nicht anhält. Die Omikron-Variante bereitet ihm Sorgen. Am Nikolaus-Tag hatte offenbar Knecht Ruprecht das Sagen: Die Medien meldeten die ersten beiden nachgewiesenen lettischen Omikron-Infektionen. Reisende, die von einer internationalen Veranstaltung in Schweden zurückgekehrt waren, hatten sich am Rigaer Flughafen kostenlos testen lassen; im Labor bemerkte man zunächst, dass es sich nicht um die mittlerweile übliche Delta-Variante handelte. Inzwischen meldet das staatliche Zentrum für Krankheitsprophylaxe und -kontrolle schon 14 lettische Omikron-Fälle: Neun Infizierte waren eingereist, die übrigen hatten sich bei Eingereisten angesteckt (lsm.lv).
Während in Lettland mittlerweile 67,9 Prozent der Bevölkerung sich gegen Corona immunisieren ließ - am 15. Dezember 2021 beginnt die Impfung der Fünf- bis Elfjährigen -, bleibt die Szene der Pandemieskeptiker weiterhin aktiv. Sie bereitet Schlagzeilen mit gefälschten Impfzertifikaten und nicht genehmigten Demonstrationen. Der rechtspopulistische Abgeordnete Aldis Gobzems, der nach der Wahl von 2018 zunächst als Ministerpräsident im Gespräch war, tourte Anfang Dezember im Bus durch Kurland, um mit Gesinnungsgefährten gegen staatliche Corona-Maßnahmen und gegen die Impfpflicht zu demonstrieren. In Liepaja, Ventspils und Tukums veranstalteten sie ungenehmigte Kundgebungen; Polizisten nahmen Gobzems am Nikolaustag fest, weil er sich geweigert hatte, eine Protestversammlung abzubrechen. Nach einem Aufruf des Politikers demonstrierten am 13. Dezember 2021 erneut mehr als 600 Teilnehmer vor der Rigaer Burg; diese Veranstaltung war ebenfalls nicht genehmigt. Um 17 Uhr versammelte sich die Menge auf dem Burgplatz. Polizisten nahmen 16 Personen fest; u.a. hatten einige ihre Kollegen körperlich angegriffen. Armands Ruks, Vorsitzender der staatlichen Polizei, informierte die zuständige Saeima-Kommission, dass gegen Gobzems in 61 Fällen ermittelt werde (lsm.lv). Sein Anwalt bestreitet die Vorwürfe.
UB
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