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Nachricht des Tages I (12.2.08): Schröder bekommt Schützenhilfe aus Lettland
12.02.2007


Ob dieser Nachricht dürfte sich der Vorsitzende des Aktionärsausschusses der Zuger Nord Stream AG auf eine Extra-Cohiba gefreut haben. Hatte sich doch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in den vergangenen Monaten die Hacken für seinen neuen Arbeitgeber krummgelaufen, um die europäische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß Rußland ein zuverlässiger Energiepartner sei. Zuletzt letzte Woche in Brüssel, wo sein Auftritt für die geplante Nord-Stream-Gaspipeline durch die Ostsee bei der internationalen Presse freilich keinen allzu glänzenden Eindruck hinterließ (s. etwa Die Welt und Business Week, 8. Februar; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Februar; Diena, 10. Februar).
 
Matthias Warnig
 
Nein, das ist nicht Gerhard Schröder, sondern sein CEO, der Vorstandsvorsitzende der Nord Stream AG, Matthias Warnig. Photo: Nord Stream AG.
 
Die gebetsmühlenartig wiederholte Zusicherung G. Schröders, Moskau habe die Lage im Griff, vermochte nicht so recht zu zünden. Zu tief sitzt mittlerweile der Schock zwischen Nordsee und Mittelmeer über russische Gas- und Öl-Lieferausfälle Anfang 2006 und 2007. Nun naht für den ehemaligen Autokanzler Schützenhilfe. Und das aus ganz unerwarteter Ecke. Nämlich aus dem Baltikum. Der Titel einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur: "Lettland bezeichnet Russland als zuverlässigen Energiepartner" (12. Februar). Der "Vater" dieses Gedankens heißt Edgars Skuja und ist stellvertretender Staatssekretär im Auswärtigen Amt zu Riga: "Wir haben nie Probleme mit dem Bezug der Energieträger aus Russland gehabt", sagt er. Lettland habe nur positive Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit Russland im Energiesektor gemacht. Und Pläne zur Anknüpfung von unterirdischen Gasspeichern in der Baltenrepublik an die geplante Schröder-Röhre durch die Ostsee würden "sowohl in Lettland als auch mit seinen europäischen und russischen Partnern diskutiert", holpert E. Skuja weiter durch den Satz.

Prompt diagnostiziert RIA Novosti einen Sinneswandel an der Daugava: Lettland habe in der Vergangenheit "das russisch-deutsche Projekt der Transitpipeline durch die Ostsee wegen angeblicher Umweltprobleme scharf kritisiert. Auch Polen und andere baltische Länder sahen ihre Interessen gefährdet, da die neue Leitung mit den bisherigen Pipelines konkurriert, für die sie Transitgebühren kassieren".

Nord Stream Logo
 
Einen wesentlichen Aspekt übersieht RIA Novosti jedoch: im Unterschied zu Westeuropa, das sich derzeit trickreich gegen die Versuche russischen Kapitals wehrt, im Energiesektor der verschiedenen Länder wesentlichen Einfluß zu gewinnen, sitzt der Moskauer Gasmonopolist Gasprom in Lettland bereits mit am Tisch. Gemeinsam mit dem Essener Konzern E.ON Ruhrgas AG hält man die Aktienmehrheit des nationalen lettischen Versorgungsunternehmens Latvijas gaze AG (und ganz nebenbei: auch der Nord Stream AG).

Mit anderen Worten: der lettische Gasmarkt ist zwar eher der Peanuts-Kategorie zuzurechnen, doch dessenungeachtet steht fest, daß die Gasprom-Kasse einen Teil des Latvijas-gaze-Jahresgewinns (2005: umgerechnet  33,42 Mio. Euro) für sich verbuchen kann. Da überlegt man sich in Moskau schon einmal, ob man sich durch Lieferstörungen ins eigene finanzielle Bein schießen möchte. Jeder nicht verbrauchte Kubikmeter ist ein unmittelbares Einnahmenminus.

Allerdings hat die kleine Baltenrepublik noch einen weiteren kleinen Trumpf im Ärmel: den mittellettischen Untertagegasspeicher Incukalns. Dieser gehört Latvijas gaze und wird im nachfrageschwachen Sommer mit russischem Erdgas befüllt. In den Wintermonaten beliefert Gasprom von hier aus unter anderem auch Nordwestrußland. Lieferstörungen nach Lettland könnten sich letztlich auch in St. Petersburg bemerkbar machen.

Auf einen zusätzlichen Umstand macht RIA Novosti selbst aufmerksam: in Incukalns "können vier Milliarden Kubikmeter Gas gelagert werden, die Lettland für zwei Jahre ausreichen"...

Der Lettischen Presseschau liegen leider keine Erkenntnisse darüber vor, ob G. Schröder ob dieser ernüchternden Einsichten seine geliebte Cohiba doch nicht aus Enttäuschung ratzfatz mit bloßen Händen zermalmt hat.

-OJR- 



 
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