Politiker und Diplomaten verschiedener Nato-Staaten besuchten am 20.8.2015 die Eröffnungszeremonie für das neu errichtete Gebäude dieser Einrichtung in der Kalnciema Straße. Sie trägt den sperrigen Titel „NATO Centre of Excellence for Strategic Communications“ oder kurz: „COE Stratcom“. Unter den Gästen befanden sich neben dem lettischen Staatspräsidenten Raimonds V?jonis seine litauische Kollegin Dalia Grybauskaite und US-Senator John McCain. Beide sind für ihre militante Haltung im russisch-ukrainischen Konflikt bekannt. Neben Letten und Deutschen arbeiten Litauer, Esten, Polen, Italiener und Briten am COE Stratcom, das bereits seit einem Jahr in provisorischen Räumen in der Valdemara Straße untergebracht ist. Die Zahl der Mitarbeiter soll in Zukunft von derzeit 28 auf 35 erhöht werden. J?nis S?rts, bislang Staatssekretär im lettischen Verteidigungsministerium, wird die Leitung des Zentrums übernehmen. Seiner Auffassung nach dürfe die Nato feindliche Propaganda nicht mit Gegenpropaganda bekämpfen, sondern müsse die Gesellschaft in die Lage versetzen, „normale, objektive Informationen“ auszuwerten. Kritiker bezweifeln, ob ein Militärbündnis eine solch aufklärerische Rolle spielen kann.
Feierliche Eröffnung des Stratcom-Gebäudes, Foto: Toms Kalni?š, Kanzlei des Staatspräsidenten der Republik Lettland
Gegen russische Desinformations-Kampagnen
S?rts beschreibt gegenüber lsm.lv die Aufgaben: Das Nato Kompetenzzentrum solle das Geschehen in der Welt verfolgen, Ideen entwickeln, wie in Nato-Angelegenheiten mit der Gesellschaft zu reden sei. Als Beispiel erwähnt er die Zeit, als sich der Konflikt in der Ukraine verschärfte. Damals habe sich Russlands offizielle Verleumdungspropaganda verstärkt. Man müsse verstehen, wie Propaganda arbeite, weshalb sie erfolgreich sei und wie man Gegenmaßnahmen ergreife. In diesem Sinne beabsichtigt COE Stratcom Gutachten zu erstellen und Schulungen anzubieten. US-Senator McCain, auf lsm.lv zitiert, glaubt ebenfalls an die Nato-Wahrheitsfindung. Er sorgt sich um Cyberattacken, also um digitalen Informations- und Hackerkrieg, der heutzutage jedes Land betreffen könne, daher habe das Zentrum eine große Bedeutung. Er teilt S?rts` Ansicht über die Gefahren russischer Propaganda. Es sei kein Geheimnis, dass der russische Präsident Desinformations-Kampagnen einfädele, die insbesondere auf die baltischen Länder zielten, aber auch andere Nato-Staaten beeinflussten. In der Stratcom-Selbstdarstellung sind unter „Mission and Tasks“ folgende Ziele aufgeführt: „Das Zentrum wird als Mittelpunkt für Debatten und Gutachten innerhalb verschiedener Stratcom-Bereiche arbeiten: Öffentliche Diplomatie, öffentliche Angelegenheiten, öffentliche militärische Angelegenheiten, Informationstätigkeiten und psychologische Operationen. Es wird Experten verschiedener Fachbereiche einbeziehen, um strategische Planungen zu unterstützen und diese ebenso auf strategischem und taktischem Niveau auszuführen. In seiner Arbeit wird das Zentrum die Integration verstärken und virtuelle Netzwerke nutzen, um sie bestehenden und erwünschten nationalen Kommunikations-Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.“ Ob damit eine konkrete Zusammenarbeit mit Medien und Journalisten gemeint ist, bleibt unklar.
Raimonds V?jonis in der Mitte neben seiner Amtskollegin Dalia Grybauskaite und US-Senator John McCain, Foto: Toms Kalni?š, Kanzlei des Staatspräsidenten der Republik LettlandAuch Nato-Militärs betreiben Desinformation
Einige Journalisten nehmen das neue Nato-Kompetenzzentrum mit Skepsis zur Kenntnis. “German Foreign Policy” (GFP) erinnert an den ursprünglichen Zweck von Stratcom, nämlich gesellschaftliche Akzeptanz für den Afghanistan-Einsatz herzustellen. Nun habe es Russland und den Islamischen Staat zu neuen Schwerpunkten auserkoren. Der Artikel warnt davor, Verlautbarungen von Nato-Staaten als von Propaganda unbefleckte Wahrheit aufzufassen. So stelle der sogenannte „Realitätsscheck: Russische Behauptungen – unsere Antworten“ des deutschen Außenministeriums, der im Februar 2015 verbreitet wurde, der russischen Sicht ebenso fragwürdige Aussagen entgegen. Behauptungen dieses Papiers, rechte Kräfte spielten in der Ukraine keine Rolle und die Einschätzung, beim Sturz von Wiktor Janukowitsch habe es sich keinesfalls um einen Putsch gehandelt, sind zumindest als ziemlich einseitige Meinungsäußerung zu werten. GFP erinnert daran, dass auch die Nato in vielen Fällen hybride Kriegsführung anwendete, beispielsweise, als der ehemalige bundesdeutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping vor einem „Hufeisenplan“ der jugoslawischen Regierung warnte. Angeblich sollte mit diesem Kosovo-Albaner blutig vertrieben werden. So wurde die Kriegsstimmung für den damaligen Nato-Einsatz angeheizt. Das Gerede vom Hufeisenplan erwies sich als Propagandalüge. Sie ist längst nicht die einzige, mit der Nato-Vertreter die Öffentlichkeit täuschten. Manipulierte Informationsvergabe gehört zum Kriegshandwerk. J?nis S?rts gab lsm.lv am 9.7.2015 ein Interview. Darin bezeichnete er die Einheit der Nato und Europas als wesentlich für Lettlands Sicherheit. Alles, was Anlass gebe, dass sich die Nato und Europa spalteten, beeinträchtige die lettische Sicherheitslage. Da die Letten in dieser Frage von anderen abhängig seien, werde von ihnen ein Beitrag erwartet. Lettland müsse daher seine Militärausgaben und seine Truppenzahl erhöhen. Ob sich derart militärpolitische Stellungnahmen mit dem Anspruch auf Objektivität vereinbaren lassen, bleibt fraglich. Bis Oktober bleiben die Stratcom-Mitarbeiter noch in der Valdemara Straße, denn ihr neues Gebäude ist noch nicht komplett eingerichtet.
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Externe Linkhinweise:
youtube.com: Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg - Es begann mit einer Lüge (WDR)
politik-im-spiegel.de: Strategische Kommunikation
lsm.lv: S?rts: Svar?g?kais m?su droš?bai ir NATO un Eiropas vienot?ba
lsm.lv: Ar augstu ?rvalstu viesu dal?bu R?g? atkl?j NATO Izcil?bas centru
lsm.lv: NATO Izcil?bas centra ?ka R?g? - svin?gi atkl?ta, bet aizvien tukša un remontdarbos
lsm.lv: Ar augstu ?rvalstu viesu dal?bu R?g? atkl?j NATO Izcil?bas centru
sargs.lv: Latvian president officially opens new offices of NATO COE Stratcom in Riga
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