Lettischer Verdacht gegen Angela Merkels Spin-Doktor Lutz Meyer
20.05.2019
Steuergeld für Wahlkampfplakate statt für Riga-PR?
Er engagierte sich für die Wahlerfolge Gerhard Schröders und wandte sich nach dem angeblichen „Linksschwenk“ der SPD der CDU zu (tagesspiegel.de). Für die Christdemokraten propagierte er im Wahlkampf von 2013 die „Merkel-Raute“. Meyer, der mehrere PR-Agenturen (Blumberry, Fullberry, Lutz Meyer & Company) gründete, hat einflussreiche Kundschaft: Parteien, Stiftungen, Konzerne, auch die Münchener Sicherheitskonferenz gehört dazu. Zum Service von Lutz Meyer & Company gehört: „Wir machen Meinung. Die richtige Positionierung, eine klare Strategie, überzeugende Botschaften und eine exzellente Vernetzung in den Medien,“ und: „Wir verstehen Politik. Wirtschaftlicher Erfolg hängt oft vom politischen Meinungsklima ab. Gemeinsam mit unseren Mandanten wandeln wir Interessen in politische Themen und gestalten den Entscheidungsprozess.“ (meyercompany.com). Lutz Meyer & Company unterhält Büros in Berlin, Stockholm, Madrid und Washington. Meyer, der ehemalige Sozialdemokrat, der sich gegen sozialpolitische Maßnahmen wie Rente mit 63 oder Mütterrente aussprach und für eine Schwächung des linken Flügels der SPD plädierte (taz.de), beriet vor der Saeima-Wahl im letzten Oktober jene lettische Partei, die sich als „sozialdemokratisch“ bezeichnet und welche die größte Saeima-Fraktion stellt: Saskana. Deren Vorsitzender und jüngst geschasster Bürgermeister Rigas, Nils Usakovs (LP: hier), hatte zuvor den deutschen Spin-Doktor in Berlin getroffen. Seit April 2019 ermittelt die lettische Antikorruptionsbehörde KNAB gegen zwei Unternehmen der Stadt Riga, der Touristik-Entwicklungsagentur RTAB und dem Informationsportal riga.lv. Der lettische Rechnungshof wirft deren Geschäftsleitungen vor, innerhalb von drei Jahren mehr als 20 Millionen Euro verschwendet zu haben. In diesem Zusammenhang verdächtigen lettische Journalisten Meyer und seine Mitarbeiter, dass sie sich die Wahlkampfbetreuung für Saskana illegal aus dem RTAB-Etat erstatten ließen.
Nils Usakovs, ehemaliger Bürgermeister Rigas und Saskana-Vorsitzender, traf sich mit Meyer in Berlin, derzeit kandidiert er für das EU-Parlament, Foto: Saeima, CC BY-SA 2.0, Saite
Am 13. Mai 2019 informierte KNAB die Öffentlichkeit über Ermittlungen gegen den RTAB-Vorstand wegen „Verschwendung von Budgetmitteln, Dokumentenfälschung, den Gebrauch gefälschter Dokumente und Betrugs.“ (knabgov.lv) KNAB arbeite eng mit dem Rechnungshof zusammen und werde in diesem Fall auch von Ermittlern in anderen Ländern unterstützt: „Gleichzeitig finden heute kriminalistische Ermittlungen auch in Deutschland, Schweden und Spanien statt,“ ist auf der KNAB-Webseite zu lesen. Fahnder ermittelten also auch in jenen Ländern, in denen Lutz Meyer & Company Büros unterhält.
Die Firma, die „eine Beratung, keine Agentur“ sein will, hatte auch mit RTAB geschäftliche Beziehungen, um für Riga in den genannten Ländern PR und Werbung zu betreiben. Dafür erhielten die Berater nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders LTV Beträge von insgesamt bis zu 300.000 Euro. Die Journalisten des LTV-Magazins „De facto“ suchten bislang aber vergeblich nach den entsprechenden Leistungen: „Doch öffentlich sind keine Informationen darüber auffindbar, dass in diesen Ländern tatsächlich von Meyer konzipierte Werbekampagnen für Riga stattfanden, im RTAB-Archiv konnte man die Verträge mit Meyers Firma nicht finden.“ Statt dessen fanden die Journalisten ein Dokument, in dem sich die deutsche PR-Agentur als Gestalter der Saskana-Wahlkampagne ausgibt. „`De facto` verdeutlicht, dass wenn sich schon keine Nachweise dafür finden lassen, dass Meyers Firmen eine 300.000 Euro teure Werbekampagne für Riga erarbeiteten, man vermuten darf, dass ihnen möglicherweise das Geld von Rigas Steuerzahlern für die Arbeit an der Saskana-Wahlkampagne gezahlt wurde.“ (lsm.lv)
Meyers Mitarbeiter fotografierten in der Wahlkampfzeit Saskanas Spitzenpolitiker. Sie wurden auf Schwarz-Weiß-Plakaten abgebildet. Der Saskana-Abgeordnete Andrejs Klementjevs wies damals in einem Interview darauf hin, dass Meyer zu solchen Foto-Porträts geraten habe. Doch im Zusammenhang mit den neuen Vorwürfen wollen sich die Porträtierten nicht mehr an den Deutschen erinnern. Die Journalisten befragten zwei Politiker der Partei, den Fraktionsvorsitzenden Janis Urbanovics und den Spitzenkandidaten Vjaceslavs Dombrovskis. Doch beide wissen angeblich nicht, wer der Urheber der Wahlkampagne war und wie sie finanziert wurde. Meyer selbst zeigt keine Bereitschaft zur Aufklärung. Als LTV-Journalisten ihn telefonisch in seinem Büro erreichten, legte er, nachdem er vom heiklen Thema erfuhr, den Hörer schnell wieder auf. Auch Saskana-Vorsitzender Nils Usakovs wollte die Fragen der Journalisten nicht beantworten. Bislang gibt es nur Indizien, keine Belege, vielleicht wurde Meyers Agentur über die Art der Finanzierung getäuscht. Doch die erneuten Negativschlagzeilen könnten Saskana angesichts der bevorstehenden EU-Wahl schaden.
Atpakaï