Personalmangel bei lettischen Grenzschützern
07.03.2020
Unattraktive Gehälter halten Stellenbewerber fern
Wenn in den östlichen EU-Ländern ein Politiker in Bezug auf Flüchtlinge und Migranten über europäische Solidarität redet, meint er “die Sicherung der Außengrenzen”, also die Abschottung des Kontinents, nicht eine solidarische Aufteilung von Obdachsuchenden unter den Mitgliedstaaten. Daher wenden sich die Regierungen von Tallinn bis Sofia gegen EU-Flüchtlingsquoten und verhalten sich abweisend, wenn NGO-Schiffe vor Italien bitten, Gerettete aufzunehmen oder griechische Inselbewohner fordern, dass die EU endlich eine Lösung für völlig überfüllte Flüchtlingslager findet. Einst flüchteten Letten zu Tausenden vor der Roten Armee in westliche Länder, fanden Asyl in den USA, Australien und Westeuropa. Doch jene, die sich heutzutage gegen die Aufnahme von Geflüchteten oder Migranten wenden, argumentieren, dass zwischen den Asylsuchenden aus den islamischen Ländern und den Bewohnern des christlichen Abendlands zu große kulturelle Unterschiede bestünden. Lettische Nationalkonservative, Vertreter des sogenannten “Ethnopluralismus”, der jeder Ethnie seinen eigenen Raum zuweist, schüren die Furcht vor Islamisierung und islamistischem Terror und die Kölner Silvesternacht gilt ihnen als abschreckendes Beispiel, wohin die naive Politik der “Gutmenschen” führt. Die Politiker des rechten Randes können das Trauma der sowjetischen Besatzung reaktivieren, als die Rote Armee in die lettische Republik einfiel und die sowjetische Ansiedlungspolitik der nächsten Jahrzehnte beinahe bewirkt hätte, Letten zur Minderheit im eigenen Land zu machen. Damals waren Letten angehalten, eine fremde Sprache zu sprechen und eigene kulturelle Traditionen aufzugeben, wenn sie von der fremden Sowjetmacht nicht erwünscht waren, von Hinrichtungen und Deportationen ganz zu schweigen. Dass sich die heutige globale Situation anders darstellt und Lettland als Mitglied von EU und NATO mitverantwortlich ist, was in anderen Erdteilen geschieht, erläutern Politiker dieser Fasson natürlich nicht. Dass beispielsweise vom Westen gelieferte Waffen und begonnene Kriege (an denen sich auch die lettische Armee beteiligt) das Elend in der arabischen Welt zum erheblichen Teil mitverursachen und den Terror, der angeblich bekämpft werden soll, durch eigene Drohnenmorde und "Kollateralschäden" erst provozieren und dass die von den Industrieländern ausgelöste Klimaerwärmung in manchen Regionen Afrikas bereits Dürre und Hunger bewirken (LP: hier) - das alles scheinen zu komplexe, vor allem unliebsame Zusammenhänge, um im täglichen Nachrichten-Overkill dargestellt zu werden. Nun stellt sich heraus: Lettlands Grenzschützer sollten "illegale" Grenzübertreter lieber nicht abweisen oder einsperren, sondern in den eigenen Reihen zum Dienst verpflichten, denn bei ihnen herrscht selbst Fachkräftemangel.
Guntis Pujats, Foto: JolantaBabisko - Paša darbs, CC BY-SA 4.0, Saite
General Guntis Pujats, oberster Befehlshaber der lettischen Grenzschützer, bekannte im Interview mit Latvijas Radio vom 6. März 2020, dass 11 Prozent der Stellen, das entspricht 260 Beschäftigten, unbesetzt seien (lsm.lv). Am Rigaer Flughafen fehle sogar 20 Prozent des Personals. Außerdem schickte Lettland 25 Grenzschützer, zwei Polizisten, Hundestaffeln und Schiffe zum Frontex-Einsatz an die türkische Grenze. Weiteres Personal und technisches Gerät wurden von Frontex angefordert. Auch ein lettischer Hubschrauber soll nach der Reparatur über der Ägäis zum Einsatz kommen.
“Es ist offensichtlich, dass wir unsere Kräfte an den lettischen Grenzen etwas reduzieren. Die Abwesenheit der Kollegen müssen jene ausgleichen, die vor Ort bleiben und die wahrscheinlich Überstunden leisten müssen,” meint Pujats.
Das Personal der Grenzschützer reiche nicht hin, ein Plan aus dem Jahr 2016, der 133 neue Stellen für die Grenzüberwachung vorsah, sei nicht realisiert worden. Auch für die Eishockey-Meisterschaft im nächsten Jahr seien 54 neue Stellen nötig, die bislang nicht zugeteilt wurden. Auch in diesem Fall müssten die Grenzschützer wahrscheinlich den Gürtel enger schnallen und Überstunden einplanen.
Pujats sieht in den unattraktiven Gehältern den Hauptgrund, weshalb der Nachwuchs fehlt. Man könne mit dem, was das lettische Militär zahle, nicht konkurrieren. Hinzu komme der Geburtenmangel, der sich nun auch auf die Bewerberzahl auswirke. Allerdings bemängelte er auch die schlechte körperliche Verfassung, in der sich manche Jugendliche befänden.
Atpakaï