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Nachricht des Tages (5.2.07): EU-Energiekommissar Piebalgs auf schwieriger Mission in Lettland
05.02.2007


Es sind schwere Kaliber, die EU-Energiekommissar Andris Piebalgs dieser Tage von den Gepäckbändern europäischer Flughäfen zu wuchten hat - nämlich drei Eckpfeiler der künftigen Energiepolitik der Europäischen Union. Anfang März sollen sie im Europaparlament beraten werden, doch nicht überall lösen sie Begeisterung aus, und so gilt es denn für den hageren Letten aus Brüssel, noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten. Für den 5. Februar steht seine Heimat auf dem Reiseplan, Regierung und Parlament in Riga müssen für eine Öffnung der Energiemärkte, deutlich reduzierte Emissionen von Treibhausgasen und Energiesparmaßnahmen gewonnen werden. Doch zu allen drei Themen gibt es Widerstand in der kleinen Ostseerepublik, selbst aus dem Umweltschutzressort, da mag A. Piebalgs noch so visionär und tapfer behaupten: "Wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, kann Europa eine neue weltweite industrielle Revolution auslösen - eine wirtschaftliche Entwiclung, die mit der Reduzierung von kohlenstoffhaltigen Emissionen einhergeht" (Diena, 3. Februar).
Andris Piebalgs
 EU-Energiekommissar Andris Piebalgs (Lettland) 
 
Konfliktfeld eins - Liberalisierung. Die Europäische Kommission sieht in einer Trennung von Energieerzeugung und -transport den Haupthebel zur Öffnung des Strom- und Gas-Binnenmarktes, die langfristig zu mehr Wettbewerb und sinkenden Preisen führen soll. In Lettland müßte man dazu aber beispielsweise das staatliche Monopolunternehmen Latvenergo zerschlagen. "Falsch", sagt da Ugis Sarma, Direktor der Energiewirtschaftlichen Abteilung am Wirtschaftsministerium in Riga. Vielmehr komme es darauf an, die Baltenrepublik an die europäischen Stromnetze anzuschließen. Wofür es auch einige gute Gründe gibt: noch immer deckt Lettland einen Teil seines Elektrizitätsbedarfs durch Importe aus Rußland. Weitgehend in den Sternen steht ferner, wie sich die Lücke zwischen der Schließung des zweiten Reaktorblocks im AKW Ignalina 2009 und der Inbetriebnahme eines geplanten gemeinsamen baltischen Kernkraftwerks um 2015 meistern läßt.

Noch vertrackter die Situation im Gasbereich. Auch hier ein Monopolist, doch diesmal in privater Hand - die Latvijas gaze AG (Mehrheitsaktionär im übrigen: die Essener E.ON Ruhrgas AG).  Überdies nur eine Bezugsquelle: Rußland, als weiterer Anteilseigner des Unternehmens vertreten durch den Moskauer Staatskonzern Gasprom.

Konfliktfeld zwei - Treibhausgase, vor allem CO2. Man werde die diesbezüglichen Verpflichtungen aus dem Kioto- Protokoll selbstverständlich respektieren, versichert da Peteris Ustubs, seines Zeichens Berates des lettischen Ministerpräsidenten Aigars Kalvitis, schiebt jedoch umgehend ein "Aber" nach: die Europäische Kommission müsse das wirtschaftliche Wachstum an der Daugava stärker berücksichtigen. Zwar räumt auch er ein, daß Lettland bei der Festsetzung der zulässigen Schadstoffquoten seinerzeit nicht aufgepaßt habe, doch das Ergebnis möchte er nicht so gerne akzeptieren. Vor allem geht es in diesem Zusammenhang um zwei große Vorhaben - eine geplante Zementfabrik und ein Kohle-Kraftwerk, mit dem das bereits angesprochene schwarze Loch zwischen dem endgültigen Bestriebsstop für das alte AKW Ignalina und dem Anfahren der neuen Meiler überbrückt werden soll.

Schützenhilfe erhält das lettische Wirtschaftsministerium sogar aus einer Ecke, mit der es ansonsten eher über Kreuz ist: bei einer kürzlichen Anhörung monierte auch der Direktor der Abteilung für Klima und erneuerbare Energien am Umweltminsterium, Valds Bisters, bei Festsetzung der derzeitigen Emissionsquoten habe die Europäische Kommission nicht den raschen Wirtschaftswachstum der neuen Mitgliedsländer berücksichtigt (Baltenergy.com, 2. Februar).

Konfliktfeld drei - Energiesparen. Hier hatte die Regierung in Riga zwar im vergangenen Dezember ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der die Einführung eines Energiepasses für Gebäude vorsieht, einen Monat später jedoch kalte Füße bekommen. Premier A. Kalvitis und einige seiner Ministerkollegen befürchten nun plötzlich, die neue Regelung werde die Bürokratie fördern und zu zusätzlichen Belastungen für die Bürger führen, es liege doch auf der Hand, daß ein 100 Jahre altes Bauernhaus auf dem Lande nicht den jüngsten Energieeffizienz-Anforderungen entspreche. "Der Gutachter soll also 100 Lats für die Erkenntnis bekommen, daß dieses 1000 Lats werte Gebäude alt ist und abgerissen gehört? Weshalb soll ich dazu gezwungen werden, in einem Haus, das als Exponat im Ethnographischen Freilichtmuseum durchgehen könnte, Plastikfenster einzubauen und eine Glasfaser-Wärmedämmung anzubringen?", grummelte A. Kalvitis - und gab den Gesetzentwurf dem Wirtschaftsministerium zur Nacharbeitung zurück (Dienas bizness, 24. Januar).

Mitnichten also ein leichtes Heimspiel für den lettischen EU-Energiekommissar A. Piebalgs am 5. Februar in Riga.

-OJR-
 



 
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