Architekten wollen das Gebäude des KP-Zentralkomitees in Riga erhalten
23.01.2021
Kulturminister Puntulis wünscht den Abriss des “kommunistischen Gespensts” zugunsten einer Nationalen Konzerthalle
Das Gebäude des Zentralkomitees der Lettischen KP in Riga, Foto: Paða darbs, Neaizsargâts darbs, Saite
“33 Stunden und 20 Minuten - gerade soviel Zeit war vergangen von der ersten öffentlichen Ankündigung des Kulturministeriums bis zum Beschluss des Ministerkabinetts zur Projektentwicklung einer Nationalen Konzerthalle an der Elizabetes Straße 2 in Riga. Die Eile wurde als Vorwand benutzt, um öffentliche Diskussionen und die Auswertung alternativer Varianten zu vermeiden. Der derzeitige Beschluss des Kulturministeriums berücksichtigt weder zuvor vorgenommene Untersuchungen noch die Diskussionen unter Spezialisten.” (manabalss.lv)
Mit dieser Kritik wandte sich Architekt Peteris Bajars an die Öffentlichkeit. Das Zitat ist Teil des Aufrufs, den er am 17. Juni 2020 auf der Initiativ-Plattform Manabalss publizierte, um zu verhindern, dass das Welthandelszentrum “Riga” im Kronvalda-Park im Zentrum der lettischen Hauptstadt abgerissen wird. Krisjanis Karins` Kabinett hatte gerade die Pläne des Kulturministers Nauris Puntulis (Nationale Allianz) gebilligt, um an dieser Stelle die seit vielen Jahren geplante Halle zu errichten.
Bajars und andere Architekten beharren auf eine öffentliche Diskussion des Vorhabens, die das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung und in staatliche Prozesse wieder herstellen könne. Die Kritiker halten das leer stehende modernistische Gebäude, das 1974 gebaut wurde, für erhaltenswertes sowjetisches Kulturerbe. Bevor es als Bürogebäude für verschiedene Organisationen genutzt wurde - hier war die Schweizerische Botschaft untergebracht - diente der dreiflügelige Komplex im Marmorlook als Sitz des Zentralkomitees der Lettischen KP.
Unterstützung erhält Bajars u.a. vom ehemaligen Stadtarchitekten Gunars Asaris, der an der Planung der KP-Zentrale beteiligt war. Der Bau sei qualitativ hochwertig, es bestehe keinen Grund für einen Abriss (lsm.lv). Bajars weist auf eine veränderte Haltung in westlichen Ländern hin, Ressourcen nicht einfach zu verschwenden, sondern weiter zu nutzen. Man könne den Bau renovieren und wahlweise für Großraum- oder Einzelbüros verwenden. Bajars` Mitstreiter Uldis Luksevics stellte sogar den Antrag, den eckigen Marmorpalast unter Denkmalschutz zu stellen.
Die zuständige Behörde NKMP lehnte das im November ab. Zwar habe das Gebäude unzweifelhaft den modernistischen Charakter sowjetischer Nachkriegsarchitektur, sei mit hochwertigen Materialien ausgestattet, doch im Detail erkenne man Nachlässigkeiten. Die Begründung lässt erkennen, dass eine solche Entscheidung eine Bewertung ist, also nicht auf objektiven Kriterien beruht: Das Parteigebäude habe keine pädagogische oder wissenschaftliche Bedeutung und es zu bewahren, indem man es unter Denkmalschutz stellt, entspreche nicht dem Interesse des lettischen Staats und des lettischen Volks. Für die amtlichen Sachverständigen erweist sich in der sowjetischen Baugeschichte die Diktatur: “Die Bebauung auf dem Parkgelände war kein demokratischer Prozess, welcher die städtbauliche Situation berücksichtigte, sondern die erkennbare Besonderheit des Parteidiktats, welches möglicherweise die Architekten daran hinderte, frei und ohne Beschränkungen zu arbeiten.” (lsm.lv)
Die Denkmalschutzbehörde kommt somit der Ansicht des nationalkonservativen Kulturministers entgegen, der das Gebäude als “sowjetisches Gespenst” bezeichnet hatte. Die Debatte erinnert Deutsche an den Abriss von “Erichs Lampenladen”, dem Palast der Republik in Berlin, der für viele DDR-Bürger ein Identifikationsobjekt darstelllte. Er musste auf Beschluss des Bundestags einem ebenso umstrittenen Hybridbau mit barocker Schlossfassade und moderner Museumsarchitektur im Inneren weichen, in der u.a. koloniale Raubkunst präsentiert werden soll.
Puntulis zeigt beim Eifer, den Musikern endlich zu einer respektablen Konzerthalle zu verhelfen, eine Vorliebe für Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), also Finanzierungsmodelle, bei denen die Verträge geheim bleiben, die öffentliche Auftraggeber mit privaten Teilhabern schließen. So besteht die Gefahr, dass die Verantwortlichen das Investitionsrisiko auf das Staatsbudget abwälzen. Diese Intransparenz entspricht keinem demokratischen Vorgehen, wird aber in vielen Ländern mit demokratischem Anspruch praktiziert.
Zuvor hatte Puntulis schon eine solche ÖPP mit der Familie des ehemaligen Politikers Andris Skele erwogen, die für eine Konzerthalle ein eigenes Grundstück in der Nähe des Schiffsterminals an der Daugava zur Verfügung stellen wollte. Skele gilt als geschäftstüchtiger “Oligarch”, der sich nach politischen Affären aus der Politik zurückzog. Puntulis` Amtsvorgängerin und Parteifreundin Dace Melbarde warnte damals gegenüber Re:Baltica-Journalisten vor dem engen Verhältnis zwischen Staat und Business: “Wissen Sie, mir erscheint das ziemlich falsch, alle diese guten Orte sind in diese Hände gelangt und wir als Gesellschaft sind in einem gewissen Grad die Geiseln. Wir benötigen den Bau national bedeutender Objekte und sind gezwungen, uns damit auseinanderzusetzen, dass alle diese guten Orte privatisiert sind.”
Das Gelände an der Elizabetes Straße 2 befindet sich hingegen im Staatsbesitz. Doch auch hier erwägt der Minister eine ÖPP, die ihm zunächst Vorteile bringt, weil aus seinem Ressortbudget weniger finanziert werden müsste, die zusätzliche finanzielle Last trügen voraussichtlich seine Amtsnachfolger. Das Kulturministerium forderte im November den Lettischen Architektenverband (LAS) auf, zum Bauvorhaben Stellung zu nehmen.
Am 13. Januar 2021 erhielt es diese Antwort: “LAS hat die Realisierung des für die lettische Kultur so bedeutenden Baus unterstützt und ist aktiv in das Bestreben des Kulturministeriums der Lettischen Republik eingebunden, dies zu bewerkstelligen. Bislang erfolgten viele Diskussionen, durchgeführte Untersuchungen und ausgerichtete Wettbewerbe, um verschiedene potenzielle Stätten sowohl von Musikern als auch von Architekten und anderen Experten, Politikern und Menschen aus der Mitte der Gesellschaft zu überprüfen, doch eine gemeinsame Ansicht hat sich nicht ergeben.” (lsm.lv) Die Architekten schlagen eine stufenweise Auswahl eines geeigneten Geländes vor, an der unterschiedliche Experten beteiligt sind.
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