Latviešu Centrs Minsterē

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Deutsch-lettisches Forscherteam entdeckte das bislang früheste Pestopfer
02.07.2021


Steinzeitliche Schädel aus Virchows Sammlung molekularbiologisch erforscht

Am Ufer des nordlettischen Flusses Salaca findet man Steinzeitliches, Foto: Ivo Kruusamägi, Eigenes Werk CC BY-SA 3.0, Link

 

Der beschauliche, mit Kiefern bewachsene sandige Hügel Rinnukalns an den Ufern des nordlettischen Flusses Salaca hat es in sich: Der Hobby-Archäologe Karl Georg Graf von Sievers entdeckte in ihm in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts eine Mulde, die mit uraltem Geschirr und Nahrungsresten angefüllt ist. Hier hatte sich eine ein Meter hohe Schicht mit steinzeitmenschlichen Hinterlassenschaften gebildet. Sievers und seine Nachfolger fanden Fischgräten, Muschelschalen und Tierknochen, aber auch altes Geschirr und knöcherne Werkzeuge: Harpunen, Angelruten, Stachel, Dolche und vereinzelt Stein-Gegenstände, die als Meißel, Pfeilspitzen oder Dornen benutzt wurden. Die Archäologen fanden zudem etwa 90 Gräber eines Friedhofs aus dem 15. und 16. Jahrhundert, der in schriftlichen Quellen bekundet ist. Doch Sievers grub tiefer und fand Gräber, die aus der Jungsteinzeit stammten, also aus der Zeit, als unsere Urahnen gerade sesshaft wurden und begannen, Landwirtschaft zu betreiben und Besitz zu nehmen (burtniekunovads.lv). Sievers schickte seinem Berliner Mentor, dem bekannten Mediziner und Forscher Rudolf Virchow, die steinzeitlichen Schädel namens RV 1852 and RV 2039, die in vorgeschichtlicher Zeit einer jugendlichen Frau und einem 20 bis 30 Jahre alten Mann gehörten.


Ein deutsch-lettisches Team unter Leitung der Professoren Julian Susat und Ben Krause-Kyora hat Virchows Hinterlassenschaft nun mit modernsten Methoden erforscht. An ihrem Institut an der Kieler Universität untersuchten sie die Schädelfunde molekularbiologisch. „Bisher war wenig bekannt über die Jäger, Fischer und Sammler, die zu dieser Zeit in Nordosteuropa lebten, und über ihre Belastung durch Infektionskrankheiten,“ erläutert Krause-Kyora das Forschungsinteresse (uni-kiel.de). Die Forscher wollten herausfinden, ob sich auf Knochen und Zähnen DNA-Überreste befinden, die von bakteriellen und viralen Krankheitserregern stammen.  


Und sie wurden fündig: Das Bakterium mit dem schönen Vornamen Yersinia und dem schlimmen Nachnamen Pestis ließ sich auf den Überresten des Mannes feststellen, den Yersinia Pestis wahrscheinlich dahinraffte. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Bakterium durch einen Tierbiss übertragen wurde, was die Experten als “Zoonose” bezeichnen - vielleicht von einem Nagetier; man spekuliert über einen Biber, der gejagt wurde. Damals löste die Pest nach ihrer Auffassung noch keine Epidemien aus, weil sie noch nicht so infektiös war wie im Mittelalter, als sie den Tod für Millionen Menschen bedeutete, weil Flöhe imstande waren, den Erreger zu verbreiten, der sich genetisch fortentwickelt hatte. In den Erdschichten der Steinzeit fanden die Archäologen nur vereinzelte Pestopfer. Die Krankheit war zu jener Zeit wahrscheinlich noch nicht von Mensch zu Mensch übertragbar.


Das Team ist sich sicher, den frühesten Stamm des Pesterregers gefunden zu haben, der sich in der Zeit vor 7000 Jahren entwickelt habe, 1000 Jahre früher als bislang angenommen. Professor Stefan Schreiber, ein Kieler Kollege Krause-Kyoras, ist der Auffassung, dass die Untersuchung einen medizinischen Wert hat: “Die Ergebnisse tragen auch zu einem besseren Verständnis darüber bei, wie Zoonosen entstanden sind und entstehen und wie sich daraus wiederum Epidemien und Pandemien entwickeln können. (...) Wir können moderne Erkrankungen des Immunsystems und ihre Ursprünge besser verstehen, wenn wir mehr über die Krankheitserreger wissen, die früher das menschliche Immunsystem besonders gefordert haben. “


Bei dieser Untersuchung kooperierten Wissenschaftler der Universität Kiel mit dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, dem Schloss Gottorf sowie dem Institut für Lettische Geschichte der Lettischen Universität in Riga. Die Ergebnisse wurden auf cell.com veröffentlicht.

UB 




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