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LNMM-Ausstellung: 100 Jahre “Rigas Künstlergruppe”
15.09.2021


„Keine Gemälde für den durchschnittlichen Bürgergeschmack...“

Foto: LNMM

 

Die neue Ausstellung im Großen Saal des Lettischen Nationalen Kunstmuseums (Jana Rozentala laukums 1, Riga), die noch bis zum 2. Januar 2022 zu sehen ist, bietet Interessierten eine gute Gelegenheit, sich mit der hiesigen künstlerischen Moderne der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts vertraut zu machen.  


Nach dem Ersten Weltkrieg trafen sich in Riga junge lettische Malerinnen und Maler, die als Generation der Kriegsflüchtlinge in Lettland kein vollständiges Kunststudium absolvieren konnte, sondern sich ihre Kenntnisse an russischen Privatschulen oder autodidaktisch aneignen mussten. So wurden sie mit einem weiten Spektrum verschiedener Kunstrichtungen vertraut. Sie nannten ihren Kreis zunächst “Gruppe der Expressionisten”, benannten sich aber nach kurzer Zeit in “Rigas Künstlergruppe” um. Landschaftsmalerei, wie sie von Impressionisten betrieben wurde, reichte ihnen nicht. Als Bewohner einer industrialisierten Metropole beschäftigten sie sich lieber mit der menschlichen Natur, die sich gerade noch in den Schlachtgetümmeln von ihrer barbarischen Seite gezeigt hatte: “Die reale Abbildung der Natur stellt uns einfach nicht zufrieden. Unser ganzes Bestreben gilt der Darstellung der Persönlichkeit. Nicht die Natur, die objektive äußere Natur, wollen wir jetzt in unseren Arbeiten zeigen, sondern die eigene individuelle Natur, das eigene geistige Wesen,” heißt es in der Erklärung, die die Gruppe dem Katalog zur ersten Ausstellung beifügte. Diese fand übrigens im selben Kunstmuseum statt, das damals als “städtisch” und heutzutage als “national” betitelt wird. Vilhelms Purvitis war hier Direktor, übrigens Lettlands bekanntester Landschaftsmaler.


Neben dem Kubismus erprobten Lettlands junge Wilde weitere westliche Stilrichtungen, mit denen sie sich auf Reisen nach Paris, Rom oder Berlin vertraut gemacht hatten. Im Riga der 20er Jahre führten sie ein Boheme-Leben, das den braven Bürger provozierte. Debatten und Streit um ihre modernen Kunstauffassungen schadeten der Gruppe nicht, sondern förderten ihre Bekanntheit. Sie errang nach und nach die öffentliche Anerkennung und vermochte sogar die lettische Kulturpolitik zu beeinflussen. Der Kunsthistoriker Boriss Vipers schrieb 1933: Die Ausstellungen der Rigaer Künstlergruppe gehören zu den vortrefflichsten Erscheinungen im Kunstleben. Die Künstler der Gruppe eint unbestreitbar ein gemeinsames stilistisches Interesse und dennoch hat sich jeder von ihnen zur selben Zeit ein unabhängiges individuelles Konzept bewahrt. Alle ihre Werke sind von einer ernsthaften, tiefen Haltung zur Kunst inspiriert. Die Mitglieder der Gruppe lieben keine Kompromisse, keine oberflächliche Mode, fabrizieren keine Gemälde für den durchschnittlichen Bürgergeschmack, sondern arbeiten wirklich, suchen, oft zweifeln sie und täuschen sich, gehen aber auch immer öfter aus den Kämpfen als Sieger hervor. Ohne Übertreibung können wir sagen, dass das letzte Wort der modernen lettischen Kunst am überzeugendsten und vollständigsten in den Ausstellungen der Rigaer Gruppe gesprochen wird.“


Kuratorin Dace Lemberga organisierte die Ausstellung in drei Abteilungen, die chronologisch gegliedert sind, von der Vorgänger-Vereinigung „Grüne Blume“, die sich in der Kriegszeit traf, bis zur Rückkehr zu traditionelleren Kunstformen in den 30er Jahren:


1915-1920: „Von der `Grünen Blume` bis zur ersten Ausstellung“  

1920-1930: „Auf der Zick-Zack-Suche nach Erneuerung“

1930-1940: „Vortrefflichster Ausdruck lettischer Kunst“


Zur Ausstellung ist ein lettisch-englischer Katalog erschienen, der für 15 Euro erhältlich ist.


Folgende Künstler waren Mitglieder dieser Gruppe; sie sind als bedeutende Vertreter der lettischen Moderne bekannt: Aleksandra Beïcova, Jana Cielava, Gederts Eliass, Jazeps Grosvalds, Jekabs Kazaks, Eduards Lindbergs, Janis Liepins, Emils Melderis, Marta Skulme, Oto Skulme, Uga Skulme, Niklavs Strunke, Romans Suta, Leo Svemps, Erasts Sveics, Valdemars Tone, Konrads Ubans, Sigismunds Vidbergs.

UB




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