Latvieðu Centrs Minsterç

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LNMM-Ausstellung „Abriss der Mauer. Lettische Kunst 1985-1991“
01.02.2023


Mit den Mitteln der Kunst gegen Herrschaft und Gewalt

Lettische Avantgardekunst zur Wendezeit, Foto: LNMM

Im Hauptgebäude des Lettischen Nationalen Kunstmuseums (LNMM, Riga, Rozentala laukums 1) wird am 3. Februar 2023 eine Ausstellung eröffnet, die sich beinahe als Dauerausstellung bezeichnen lässt: Bis zum 12. Januar 2025 können Besucher lettische Kunst aus der Gorbatschow-Ära betrachten, als Letten mit friedlichen Mitteln ihre Unabhängigkeit erreichten. Lettische Künstler hatten mit ihrem Eskapismus, ihrem jahrzehntelangen, verdeckten Widerstand gegen den Stil des „sozialistischen Realismus`“, der Opposition den Weg gebahnt. Eine neue Künstlergeneration prägte die Bewegung in der Zeit des Umbruchs, vor und nach dem Berliner Mauerfall, der auch für Letten einen Wendepunkt darstellte. Die junge Avantgarde machte sich als Gruppe von Grenzgängern einen Namen, die sich nicht mehr an vorgegebene Normen hielt. Die Ausstellung erinnert an sie und an ihre Vorläufer. Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Bildungsveranstaltungen und künstlerischen Darbietungen ergänzt die Rückschau auf eine noch nicht ganz vergessene Ära. Gleich drei Kuratorinnen, Lina Birzaka-Priekule, Arta Varpa und Agnese Zviedre, planen und organisieren die Veranstaltungen, die vom Lettischen Staatlichen Fonds für Kulturkapital mitfinanziert wird.  


In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre kümmerten sich die Künstler nicht mehr um Parteivorgaben; sie experimentierten mit Installationen, gestalteten neoexpressionistische Grafiken, erweiterten die Ausdrucksformen auf vielfache Weise. Fotografen lichteten eine Realität ab, die nicht der geschönten Welt des „sozialistischen Realismus`“ entsprach. Audio- und Videoinstallationen wurden als Kunstformen entdeckt. Zur selben Zeit präsentierten die Künstler ihre Arbeiten im Ausland, sie knüpften Kontakte zu Kuratoren westlich des geöffneten Eisernen Vorhangs und organisierten mit ihnen internationale Gruppenausstellungen.  


Der Titel der Veranstaltung „Abriss der Mauer“ ist einer Videoinstallation von Kristaps Gelzs entlehnt. Birzaka-Priekule, Varpa und Zviedre verstehen ihre Ausstellung als aktuelle politische Stellungnahme: “Die Basis der Ausstellung bilden Werke aus der Sammlung des Lettischen Nationalen Kunstmuseums, die inhaltlich auf die sozialpolitische Realität der Sowjetunion reagieren und sich kritisch gegen sie wenden; sie bewahren auch heute eine eindringliche Aktualität, wenn gar nicht weit von uns Russland Krieg führt und ukrainisches Territorium und Menschenleben vernichtet. Künstler verdeutlichen in der Ära des Wandels die kennzeichnenden Widersprüche und existenziellen Erfahrungen, indem sie einerseits ideologisch gesättigte Symbolik, mythologische Allegorien und Bilder benutzen, zum anderen aber auch ganz direkt über bedeutende Ereignisse sprechen.” Und an späterer Stelle begründet der PR-Text nochmals den Bezug auf Russland und Krieg: “Derzeit, im Schatten des herrschenden Gefühls der Bedrohung und Ungewissheit, den Russlands Krieg in der Ukraine hervorruft, ist dem Lettischen Nationalen Kunstmuseum wichtig, mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Kraft der Solidarität, des Widerstands und des Wagemuts hinzuweisen. Das sind die entscheidenden Werte, welche zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit und zum Fall der Mauer am Ende des 20. Jahrhunderts führten.”


Zu den 30 Künstlern, an deren Schaffen zur Wendezeit die Ausstellung erinnert, gehört Andris Breze, der 1958 in Riga geboren wurde (studija.lv). Er hatte an der Lettischen Kunstakademie “Industriekunst” studiert; heutzutage würde man den Studiengang wohl als Design bezeichnen. Noch zur Sowjetzeit wurde er für seine Plakatkunst mit Preisen geehrt. Breze gehörte zu den ersten, die Neues wagten. 1984 präsentierte er auf der Ausstellung “Natur, Umwelt, Mensch” in der Rigaer Petrikirche seine Installation “Ausfahrt ins Grüne”: Die Besucher sahen die Karosserie eines betagten Moskwitsch 401 mit geöffneter Motorhaube, aus der lebendiges Grün hervorspross; im Wageninneren befanden sich wenig lebendig aussehende Gipsgestalten, die an die Skulpturen des US-amerikanischen Künstlers George Segal erinnerten. Breze beteiligte sich später an Ausstellungen in Rigas Partnerstadt Bremen, zur Zeit des Mauerfalls 1989 und 13 Jahre später. Die Taz beobachtete anlässlich der dortigen Ausstellung “Nichts Persönliches” im Jahr 2002, dass die lettische Avantgarde nach dem Kampf für Unabhängigkeit unpolitischer und auch beliebiger geworden war (taz.de). Breze zeigte in Bremen 15 steif gebügelte Hemden, die winkten: Sie sollten die 15 Sowjetrepubliken darstellen, die sich aus der Geschichte verabschiedet hatten.  


Udo Bongartz 

 




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