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Riga: Kein Silvester-Feuerwerk an der Daugava
30.12.2022


Der Ukraine-Krieg ändert mancherorts das Feierprogramm

Feuerwerk in Riga, Foto: Kârlis Dambrâns from Latvia, Rîgai 815 salûts CC BY 2.0, Link

Touristen werden sich an eine Nacht am Daugava-Ufer in Riga erinnern, wenn Feuer-Blüten sie zum Tag machten. Die aufwändigen Feuerwerke zu den Feierlichkeiten waren bislang besondere Höhepunkte der lettischen Hauptstadt. Beim Feuerspektakel anlässlich des hundertjährigen Bestehens der lettischen Republik am 18. November 2018 verwandelte sich der Himmel über Riga eine halbe Stunde lang in einen glühenden Garten aus weißen, goldenen und bunten Feuerblumen, bestaunt von einer dicht gedrängten Menschenmenge. Solche Feuerwerke sind echte Lichtkunst. Aber die eben auch laute und qualmende Pyrotechnik stieß in den letzten Jahren auf Kritik: Umweltschützer beklagen die Feinstaubbelastung, Tierschützer den Lärm, der Hunde und Katzen verschreckt. Wegen des Kriegs in der Ukraine haben nun die meisten lettischen Städte, auch Riga, beschlossen, auf ein Feuerwerk zu verzichten.  


Laut LSM begründet die Stadt Riga den Verzicht mit der geopolitischen Situation; der Lärm der Feuerwerkraketen erinnere an den Krieg. Sie fordert ihre Bürger auf, ebenfalls keine Knall- oder Feuerwerkskörper zu zünden. Feiern sollen die Rigenser und ihre Gäste dennoch: Vor der Kongresshalle und vor dem Rathaus finden Gratiskonzerte statt. Um 0.00 Uhr kündigt "eine kleine Licht- und Musikimprovisation" auf beiden Bühnen das neue Jahr an. Gratis ist zum Jahreswechsel auch die Fahrt in den Bussen und Straßenbahnen des Verkehrsbetriebs Rigas Satiksme. An Silvester und Neujahr sind die elektronischen Fahrscheinentwerter gesperrt.


Die Bürger von Ventspils und Aizkraukle können hingegen auch 2023 mit einem städtischen Feuerwerk beginnen. In Ventspils ließ die Stadtverwaltung die 600 ukrainischen Flüchtlinge befragen, die die Hafenstadt beherbergt. "Das Ergebnis ist: Die Flüchtlinge bestätigten, dass sie die festliche Veranstaltung begrüßen und sie wissen recht gut, was ein Fest ist, was ein Feuerwerk ist und was Krieg ist," kommentierte Edgars Purins als Vertreter der Stadtverwaltung. Traditionell beginnt das Feuerwerk zur "Ventspils-Zeit", 33 Minuten nach offizieller lettischer Mitternacht.


Auch in Aizkraukle wird Pyrotechnik den Nachthimmel erstrahlen. Auch in der knapp 7.000 Einwohner zählenden Gemeinde am Daugava-Ufer befragte die Verwaltung Flüchtlinge und Bürger. Mehr als 70 Prozent befürworteten ein Feuerwerk. Aizkraukles Verwaltungschef Aigars Zimelis erklärte der LSM-Journalistin Zane Brikmane, weshalb die Kommune zu Neujahr wieder ein Feuerwerk veranstaltet: Der Ort sei deutlich jünger als andere lettische Städte und unterscheide sich in den Traditionen. Aizkraukle bestehe vor allem aus größeren Wohnblocks für Arbeiterfamilien. Den Stadtpolitikern fiel der Entschluss leicht, weil ein privater Spender das Feuerspektakel finanziert.


Wie in Ventspils beginnt man auch in Jelgava das neue Jahr nach Ortszeit, 25 Minuten nach offizieller lettischer Mitternacht, doch in diesem Jahr ohne klassisches Feuerwerk; Kulturdezernent Mintauts Buskevics beschreibt das Festkonzept und seine Geschichte: "Dieses Jahr wird es bei uns ein bengalisches Feuer geben, das wie ein Springbrunnen aussieht; dann haben wir verschiedenfarbige Feuer und Feuerfackeln, auch Laser- und Lichtspiele sowie Konfetti. In Jelgava ist diese Tradition überhaupt recht alt, zu seiner Zeit hat Siegerist recht lange und bunte Feuerwerke entzündet, das war jener Politiker aus der Zeit des Erwachens. Dann veranstalteten für uns zu den Feierlichkeiten des Landes viele Jahre der Verband der Produtenten und Händler für gesammelte Spenden Feuerwerke, auch die Stadt Jelgava hatte zum Neujahr ein Feuerwerk."


Die Erinnerung an Joachim Siegerist, der ein Anwesen im Kreis Jelgava besaß, ist bemerkenswert; man liest in lettischen Medien nur noch selten über die umstrittenen Tätigkeiten des als rechtsradikal geltenden Journalisten und Politikers deutscher Herkunft, der in den 90er Jahren versuchte, lettischer Ministerpräsident zu werden. Dass er mit dem Verteilen von Bananen um Wählerstimmen warb, blieb in Erinnerung.  


Ob Letten nun mit traditioneller Knallerei oder stummer Lasertechnik das kommende Jahr einläuten: Einen zweiten Pullover müssen sie nicht überziehen, selbst die im Winter obligatorische Mütze kann im Schrank bleiben: Der lettische Wetterdienst prognostiziert zu Neujahr Rekordwärme bis zu zehn Grad plus.  


Den Leserinnen und Lesern einen schönen Jahreswechsel und alles Gute für 2023.


Udo Bongartz 




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