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Schloss Mesothens (Mezotnes pils) weitere Nutzung ungewiss
24.04.2021


“das Gepräge guten Geschmackes und größter Sauberkeit”

Schloss Mesothen, Foto: Martin Thirolf, www.thirolf.com - selbst fotografiert CC BY-SA 2.0 de, Link

In der Nähe der Kleinstadt Bauska an der Grenze zu Litauen befindet sich inmitten eines idyllischen Parks ein gelbfarbener repräsentativer Bau mit zwei Seitenflügeln und mittiger Kuppelhalle. Er gilt als klassizistisches Meisterwerk des 18. Jahrhunderts, das so manche Kriegswirren und Unruhen überstanden hat. In den letzten Jahren bewirtschaftete ein Pächter die Immobilie und das 90 Hektar umfassende Areal mit seinen Wirtschaftsgebäuden. Er nutzte das Schloss als Hotel und Restaurant, musste nun aber aufgrund der Einnahmeverluste aufgeben, die ihm die Pandemiebestimmungen beschert haben. Allerdings bezweifelten Lato Lapsa und Kristine Bormane bereits 2017, ob das Kapital des Pächters zur Bewirtschaftung des beträchtlichen Komplexes ausreicht (la.lv). Das Schloss ist im Besitz der Staatlichen Immobilienverwaltung VNI, die nun erkundet, wie das denkmalgeschützte Anwesen weiter genutzt werden kann.


Die Düna-Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 8. Oktober 1905, also im Revolutionsjahr, in dem viele deutschbaltische Herrensitze als Herrschaftssymbol von der lettischen Landbevölkerung gestürmt und gebrandschatzt wurden, in ihrer Reihe “Baltische Kultur- und Landschaftsbilder” von der reizvollen Gegend von Mesothen an den Ufern der kurländischen Aa (Lielupe), die Besucher erfreute und offenbar keinen Zerstörungen anheim gefallen war:


“Schöne seltene Bäume zieren diesen nach englischer Manier eingerichteten Park, außerdem Teiche, Brücken und besonders zwei luxuriös ausgeführte Pavillons; der eine, auf Granitquaderwerk in Gußeisen hergestellt, eröffnet eine reizende Aussicht auf das Aatal und jenseitige Ufer. In den Anlagen des ebenen Parkterrains erkennt man allenthalben die schaffende und ordnende Hand des Kunstgärtners; das Arrangement der freien Plätze mit ihren Teppichbeeten, Baumgruppen, die Alleen, Baum- und Zierstrauchanlagen tragen das Gepräge guten Geschmackes und größter Sauberkeit. Vorzügliche Resultate ergeben in günstigen Jahren die Treibereien: das Weinhaus liefert 3—4000 Pfd. Trauben guter Qualität. Die Orangerie enthält viele schöne und seltene exotische Gewächse. Eine tiefdunkle, dichtverwachsene Lindenallee führt unmittelbar bis zur Gartenfassade des Schlosses heran.” (periodika.lv)


Nicht nur Wein und Orangen erinnern an den Süden; auch der architektonische Stil des Hauptgebäudes ist mediterranen Ursprungs. Der in der Lombardei geborene Baumeister Giacomo Quarenghi baute für Zarin Katharina II. und ihre Nachfolger öffentliche Gebäude im Palladio-Stil in Petersburg und Moskau. Dieser klassizistische Stil mit seinen einfachen, klaren Linien entwickelte sich zur protestantischen Antwort auf den schwülstigen katholischen Barock. Nach Quarenghis Entwurf entstand auch Schloss Mesothen, das der in Jena geborene Architekt Johann Georg Adam Berlitz ausführte. 1775, zwei Jahre vor Baubeginn, hatte die Herrscherin mit deutschem Migrationshintergrund ihre Staatsdame Charlotte von Lieven, die die Enkelkinder der Kaiserin erzogen hatte, das Nießrecht am Gut Mesothen gewährt. Laut Ambermarks.com hat sie ihr semgallisches Anwesen nur einmal in ihrem Leben besucht (ambermarks.com).


Die Düna-Zeitung beschrieb das Interieur von 1905 als gediegenste Eleganz: “Vor allen andern Gemächern wird der oberlichtige Saal wohlgefallen; ihn schmücken Marmorstatuen, die sich aus dem Tiefgrau von Fächerpalmen blendend herausheben, wertvolle Ölgemälde und gediegenste Mobilienausstattung; große Lichtquelle verleiht den Gemächern den Charakter der Freundlichkeit; der Altan des oberen Stockes gewährt eine liebliche Aussicht auf die Parkanlagen.” Die prachtvolle Innenausstattung wurde 1919 von deutschen Freikorps geplündert. Anatol von Lieven, der letzte Besitzer, musste das Gut 1920 an den lettischen Staat abtreten. Der 1.696 Hektar große Feudalbesitz wurde unter 110 lettischen Jungbauern aufgeteilt, später im Herrenhaus eine landwirtschaftliche Schule eingerichtet, die bis ins Jahr 1944 bestehen blieb, als das Schloss schwer beschädigt wurde. Schon in sowjetischer Zeit begannen Sanierungsarbeiten, die bis 2001 andauerten.


Anatol von Lieven konnte in der jungen lettischen Republik seine Existenz sichern: Er behielt das Gut Mazmezotne am anderen Ufer der Aa und gründete dort eine Ziegelei. Der deutsche Adelige wurde nicht vollständig enteignet, weil er als Anführer einer militärischen Einheit für die lettische Republik gekämpft hatte.


Nun steht die klassizistische Perle erneut zur Disposition. Die VNI erwägt, Schloss Mesothen an die örtliche Kommune abzutreten, es dem Schloss Rundale anzugliedern oder es öffentlich versteigern zu lassen. Die staatlichen Immobilienverwalter beziffern die jährlichen Unterhaltskosten auf 100.000 Euro. Obwohl sich der Bau im guten Zustand befindet, müssten voraussichtlich Millionen investiert werden, um es einer neuen Bestimmung anzupassen. Arnolds Jatnieks (Nationale Allianz), Bürgermeister von Bauska, winkt ab: Es sei “sehr wichtig, dass sich der Staat auch um diese Werte kümmert. Es darf nicht geschehen, dass man auf einmal mit der Bewirtschaftung nicht zurechtkommt und plötzlich soll die Gemeinde übernehmen.” Falls Bauska die Übernahme nicht finanziert werde, müsse die Gemeinde andere Leistungen streichen, denn das Budget sei nicht unbegrenzt. (lsm.lv)


Einer möglichen Privatisierung begegnet die Verwaltung des nationalen Kulturerbes mit Skepsis. Deren Semgaller Regionalleiterin Elvira Mantrova weist auf schlechte Erfahrungen mit den Privateigentümern des Schlosses Kauzminde (Kaucmindes pils) hin, das sich in einem traurigen Zustand befinde. Ihrer Ansicht nach soll Mezotne im öffentlichen Besitz bleiben, als Museum der Gemeinde oder als Filiale des Schlosses Rundale. Doch solche Fragen könne nur eine Arbeitsgruppe lösen, die ein Konzept ausarbeiten müsse.


Auch wenn Wanderern die Türen des Herrensitzes für unbestimmte Zeit verschlossen bleiben, so haben sie dennoch Anlass, die historische Gegend zu erkunden, in der deutsche Ordensritter vor 800 Jahren die örtlichen Stämme unterwarfen und fortan Schlachten gegen die benachbarten Litauer führten. Die Geschlagenen hinterließen Burghügel und sonstige Artefakte. Nach kleinen Raddampfern, von denen die Düna-Zeitung noch berichtete, hält man heute allerdings vergeblich Ausschau: “Ein fester Steg und eine Fähre führen über die recht breite, aber flache Aa, die nur zur Hochwasserzeit mit kleinen Raddampfern bis Mesothen befahren wird. Am andern Ufer angelangt, führt ein gekrümmter Hohlweg zur Kirche. Der linksseitige Uferrücken, 30—40 Fuß hoch, tritt mit 1/4 Werst Abstand in Kurvenbögen vom Fluß zurück bis Klein-Mesothen und zeigt sich mannigfach bewachsen. Am untern Uferende entspringt ein reicher Quell, dessen in ein steineingefaßtes Bassin geleitetes kühles Wasser zum stärkenden Trunke einladet. Vom Pastorat neben der Kirche führt ein Pfad abwärts zu einer nach der Aa sich herabsenkenden Schlucht und von hier auswärts in spiraler Wendung zum sog. Bischofsberge, der seine Bezeichnung mit Recht führt, denn an dessen Fuße weilte einst Bischof Albert zweimal, 1219 und 1220, längere Zeit. Es ist der altberühmte semgallensche Burgberg Meschote, einer der größten seiner Spezies und wohlerhalten in seiner Form, seitdem die große Heidenburg hier vor bald 700 Jahren zerstört wurde.”

UB 




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