Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Architekt Peteris Blums beklagt den baulichen Zustand der Rigaer Petrikirche und bezeichnet den Konflikt über die Eigentümerfrage als “Krieg”
26.11.2021


“Eine Kirche ist keine GmbH”

Die Rigaer Petrikirche, dahinter der Dom, Foto: Moralist, Eigenes Werk, Gemeinfrei, Link

Jeder Tourist erinnert sich nach einem Riga-Besuch an den hohen, mehrstufigen Barockturm der Petrikirche, der die Silhouette der baltischen Metropole prägt. Das Gotteshaus hat eine bewegte Geschichte, hier formierte sich in der frühen Neuzeit die Bürgerschaft gegen den katholischen Bischof, hier predigte erstmals ein Anhänger Luthers. Der einst hölzerne Turm stand mehrmals in Flammen, zuletzt im Zweiten Weltkrieg; danach wurde er durch eine gleichförmige Metallkonstruktion ersetzt. Seit sowjetischer Zeit wird das Gebäude als Veranstaltungsraum für weltliche Konzerte und Ausstellungen verwendet. Lettische Medien berichteten jüngst über den politischen Streit, wem die Kirche überhaupt gehört, denn die Eigentümerfrage ist seit 30 Jahren ungeklärt. Politiker der Nationalen Allianz setzen sich dafür ein, sie der Lettischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (LELB) zu übereignen. Bislang bewirtschaftet die Stadt das Bauwerk. Vor einem Jahr warnte Dainis Ivans, ein prominenter Vertreter der lettischen Unabhängigkeitsbewegung, den historischen Bau an die hierzulande nationalkonservativ gesinnten Lutheranern abzutreten, weil er befürchtet, dass sie Einfluss auf das Veranstaltungsprogramm nehmen könnten. Nun veröffentlichte Architekt Peteris Blums am 26. November 2021 einen erbitterten Kommentar zum baulichen Zustand und richtete schwere Vorwürfe an die verantwortlichen Kommunalpolitiker (delfi.lv). Blums, ein Mitglied des deutsch-lettischen Kulturvereins Domus Rigensis, ist vielen Deutschsprachigen bekannt, die mit Lettland vertraut sind. Er hat sich oftmals für die Sanierung von Kulturdenkmälern mit deutschbaltischem Bezug eingesetzt. Der Architekt ist der Ansicht, dass um die Petrikirche ein “Krieg” ausgebrochen sei.  


“Ja, Krieg,” so beginnt Blums seinen Artikel: “Eine abscheuliche Sache, besonders der Bürgerkrieg. Vor einigen Jahren erwähnte ich gegenüber lettischen und deutschen Gleichgesinnten die Idee, die Barockorgel der Petrikirche zu rekonstruieren, damit mit ihrer Rückkehr der Zweite Weltkrieg für die Kirche ein Ende findet. In meinen finstersten Alpträumen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass die Wahrheit schmerzhafter sein wird: Der Krieg ist noch gar nicht vorbei, er setzt sich zwischen den Mitmenschen fort. Die Stadt lässt sich gegen die lutherische Kirche aufwiegeln, Letten gegen Deutsche, Persönlichkeiten aus der Kunst beginnen klüger zu sein als Baufachleute - und andere präsentieren die eigene Erinnerungscollage als historische Wahrheit.”  


Statt zu streiten müsste dringend gehandelt werden. Blums beschreibt den architektonischen Zustand der Kirche als äußerst kritisch. Die Sanierung nach Kriegsende war offenbar flüchtig und fehlerhaft. Eine gerade erfolgte Untersuchung ergab allenthalben Mängel, an denen das Bauwerk buchstäblich zugrunde gehen könnte. Unter dem Metallturm könnte sich Rost befinden, das Hauptdach, unter dem sich der Taubenmist sammelt, ist an vielen Stellen undicht, so dass Wasser in die Mauern dringt. Alle Wände sind durch größer werdende Risse durchzogen, manchen Fenstergewölben droht der Einsturz. “Im Keller, unter der Sakristei, dampft heißes Wasser, in den Gräbern sammelt sich tausenderlei Unrat der letzten Jahre, durch die Fensterspalten pfeift der Wind.” Einst sorgte die Aussichtsplattform des Turms für Einnahmen. Sie ist aber längst gesperrt, denn für den betagten Aufzug besteht keine Betriebsgenehmigung mehr und das Feuerlöschsystem funktioniert nicht.  


Blums macht die Stadt für die miserable Situation verantwortlich. Obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet gewesen sei, habe sie die Einnahmen, die sie mit Veranstaltungen und Besichtigungen der Kirche verdiente, nicht in die Sanierung investiert. 30 Jahre lang hätten Kommunalpolitiker Zeit gehabt, die Besitzverhältnisse zu klären, nun, wo die Lutheraner Ansprüche anmelden, erinnere man sich daran, dass sich historisch das Gotteshaus im Besitz des Rats und der Bürgerschaft befunden habe. “Die Kirche ist weder eine Aktiengesellschaft, noch eine GmbH, sondern eine Gemeinde - eine religiöse Stiftung, die sich und ihr Eigentum zum Wohl der eigenen Stifter erhält. Das war und ist so in der gesamten zivilisierten Welt. Und niemand fordert für seine Spende eine Kirche als Kriegsbeute. Für die Petrikirche spendeten viele Generationen und falls man rechnerisch vorgeht, dann haben Generationen von Rigensern seit dem 14. Jahrhundert unschätzbar viel mehr gespendet als das dürftige Nachkriegsbudget der Lettischen SSR - minus dem in letzter Zeit entwendeten Geld... Währenddessen findet man im Rigaer Rat diese und jene, welche den stattfindenden Krieg Gegenreformation nennen und hinter den Kulissen sagen, dass die Reformation überhaupt ein großer Fehler der Zivilisationsgeschichte sei, gleich nach der schicksalhaften Perestroika Gorbatschows. Ein revanchistischer Wunsch?”


Peteris Blums hat sich seit seiner Studentenzeit für den Erhalt der Kirche engagiert. Er brachte seine deutschbaltischen Freunde auf die Idee, Geld für die Rekonstruktion der historischen Barockorgel zu sammeln, die im Krieg zerstört wurde. Die deutsche Gemeinde Rigas soll Miteigentümerin werden oder zumindest Mitbestimmungsrechte erhalten. Der Stadtregierung wirft er vor, erst über Sanierungsprojekte zu reden, nachdem LELB mit ihren Partnern die eigenen Planungen vorgelegt hatte. “Für mich ist es schon peinlich, dass nicht mein Riga, sondern LELB gemeinsam mit der deutschen Gemeinde der Petrikirche sich seit Jahren auf diese Verantwortung vorbereiten - nicht nur, um die Schuld an der Untätigkeit des jetzigen Wirtschafters zu sühnen, sondern um es wieder in ein Gotteshaus zu verwandeln, um es wieder zum Rigaer Stolz mittelalterlicher Baukunst und einer zeitgemäßen Haltung zu machen.” 

UB 




 
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