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Auch der Kreis Dobele widersetzt sich dem Bau von Windkraftanlagen
10.02.2022


240 Meter hohe Windräder sind nicht willkommen

Details eines Windkraftrotors, Foto: Office of Energy Efficiency and Renewable Energy, Neaizsargâts darbs, Saite

Die lettische Regierung gehört zu den schärfsten Kritikern der beiden Nord-Stream-Röhren, weil sie der Ukraine buchstäblich ein “Druckmittel” nehmen. Doch die eigene Abhängigkeit von Russlands fossilen Brennstoffen ist immer noch beträchtlich. Mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs muss Lettland mit Importen decken, hauptsächlich Gas- und Öllieferungen vom großen Nachbarn, der in der baltischen Region von vielen als Bedrohung empfunden wird. Das Gas liefert Gazprom seinen lettischen Kunden über eine eigene Leitung (reuters.com), so dass sie nicht betroffen wären, falls bei einem eskalierenden Konflikt die Gasversorgung über die Ukraine ausfiele, was in den Nullerjahren schon mehrmals der Fall war. Nicht nur diplomatische Streitigkeiten, sondern vor allem die Klimaerwärmung erfordern den raschen Ausstieg. Zwar gehört Lettland mit einem Anteil von 42 Prozent am Gesamtverbrauch zu den EU-Spitzenreitern bei der Erzeugung erneuerbarer Energieformen (zum Vergleich: Schweden: 60 Prozent, Finnland 43, Österreich 37, Estland 30, Litauen 27, Deutschland 19; Quelle: cc.europa.eu), doch diese Bronzemedaille hat es überwiegend den vier Wasserkraftwerken der Daugava zu verdanken, von denen eines aus der Ulmanis-Ära, die anderen aus sowjetischer Zeit stammen. Flaute herrscht dagegen bei der Windenergie; nur ein Prozent des Stroms, der in lettischen Steckdosen fließt, kommt aus Windkraftanlagen; die baltischen Nachbarn erzeugen das zehnfache, der EU-Durchschnitt liegt beim 30fachen. Gigantische Windräder vor der eigenen Haustür sind auch im windreichen Lettland unbeliebt; Einwohner und Kommunalpolitiker leisten Widerstand, wenn ein ausländischer Investor auf ihrem Gelände einen Windpark plant; das jüngste Beispiel dafür liefert der semgallische Kreis Dobele.  


Die Pläne des schwedischen Investors Eolus für Dobele sind tatsächlich gigantisch: Für 250 Millionen Euro will die Firma in dieser landwirtschaftlich geprägten Region 23 Windkraftanlagen errichten; sie könnten die windbasierte Stromerzeugung Lettlands verzehnfachen (lsm.lv). Doch diese Megaanlagen bedeuten einen schweren Eingriff in die Landschaft: 240 Meter hoch sollen diese Windkraftwerke in den Himmel ragen; der Turm des Ulmer Münsters, das höchste Bauwerk der Christenheit, kommt gerade mal auf 161 Meter. 


Seit mehreren Jahren ist das Vorhaben der Schweden bekannt. Vor Ort trifft es nicht auf Begeisterung. Ein Rinderzüchter fürchtet, dass er seine Tiere nicht mehr auf die Weide lassen könne, wenn in der Nähe Eolus solche Anlagen errichte; 100 Arbeitsplätze seien gefährdet. Ein Ingenieur kritisiert, dass ein Mega-Windpark wegen der Beschaffenheit des semgallischen Bodens Unmengen an klimaschädlichem Beton benötige. Andere sind der Auffassung, dass dieses Projekt nicht in die Dobelner Gegend passe und der Standort sich zu nahe an bewohntem Gebiet befinde. Firmenvertreter und Einwohner starteten eine Unterschriftenaktion, um “SIA Dobele Wind” zu verhindern.  


Die Kreistagsabgeordneten von Dobele folgten dem Anliegen der Bürger. In ihrer Sitzung vom 28. Oktober 2021 beschlossen sie, die Pläne, die bereits Anfang 2017 von Eolus eingereicht wurden, aufgrund kommunaler Bestimmungen nicht zu akzeptieren, weil auf der vorgesehenen Fläche die Infrastruktur fehle: Zufahrtsstraße, Strom- und Telefonleitungen; zudem müsse das Entwässerungssystem umgebaut werden. Die Frist für das behördliche Prüfverfahren wurde verlängert, weil die Kreisvertreter erst einmal eine kommunale Gebietsreform abwarten wollen.


Dobele.lv erläutert, dass sich die Kommunalpolitiker mit ihren Bürgern in dieser Sache einig sind: “Doch zweifellos muss man auch ohne die zuvor erwähnten Argumente tatsächlich die öffentliche Meinung in Betracht ziehen, die ausgesprochen negativ ist. Dobele ist eine Industriestadt und auch die größten Unternehmen haben Einwände gegen dieses Vorhaben, denn es entspricht der Haltung einer wertvolleren Ressource zum Kreis Dobele als Wohn- und Arbeitsort: der Einwohner mit ihrer bestehenden und potenziellen Arbeitskraft. Man muss auch die Verhältnismäßigkeit prüfen: Aufgrund der öffentlichen Meinung werden die wirtschaftlichen Verluste für den Kreis größer ausfallen als die Gewinne, ungeachtet des Green Deals der EU. Deshalb muss man nach alternativen Möglichkeiten suchen.”


Die Firma Eolus wird ihren Zeitplan, den Windpark in diesem Jahr fertigzustellen, deutlich verfehlen. Der ehemalige Umweltminister Juris Puce warf in der LTV-Talksendung “Kas notiek Latvija?” dem Dobelner Kreistagabgeordneten Gintus Kaminskis vor, dass sein Gremium seit zwei Jahren den Bau des Windparks verzögere, der von der Umweltbehörde längst genehmigt worden sei (lsm.lv). Kaminskis widersprach und wies auf eine Vereinbarung mit der lettischen Regierung, bis zum 1. März zu einer Lösung zu kommen. 


Eolus plant im Kreis Tukums einen weiteren Windpark und stößt auch dort auf Widerstand  (LP: hier). Obwohl das endgültige Gerichtsurteil noch aussteht, haben hier die Baumaßnahmen begonnen. Gundars Vaza, der Vorsitzende des Tukumer Kreistags, formuliert das Haupthindernis für die lettische Windenergie, nämlich die mangelnde Bürgerbeteiligung: “Wir wollen so etwas wie eine Garantie für die Betroffenen haben, dass man eine Art Vereinbarung darüber trifft, dass für die örtliche Gemeinschaft etwas bleibt.” (lsm.lv)


Auch jene, die Windenergie befürworten, betrachten es als Hauptproblem, solche Anlagen über die Köpfe der Betroffenen hinwegzuplanen. Sie sind, ohne etwas mit zu entscheiden, mit einem erheblichen Eingriff in ihre Umgebung konfrontiert, ohne einen unmittelbaren Vorteil zu haben, denn nur Investor Eolus profitiert und dessen Steuern kassiert die lettische Regierung. Ministerpräsident Krisjanis Karins hat gesetzliche Reformen angekündigt, damit für lettische Einwohner erneuerbare Energien akzeptabler werden. 

UB 




 
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