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Covid-19-Krise: In Lettland steigen die Inzidenzzahlen wieder
25.09.2021


Die Regierung zeigt sich unentschlossen

Lettisches Testlabor, Foto: Biafra, Paða darbs CC0, Saite

 

Am 24. September 2021 verkündete das Zentrum für Krankheitsprophylaxe und -kontrolle (SPKC) die täglichen Zahlen der ermittelten Covid-19-Neuinfektionen: Von 25.682 Getesteten innerhalb eines Tages erwiesen sich 710 als positiv, das entspricht 2,8 Prozent. Von den Neuinfizierten waren 570 nicht geimpft. Innerhalb von 24 Stunden starben 6 Patienten, zwei von ihnen waren jünger als 50 Jahre. In den lettischen Krankenhäusern liegen derzeit 375 Covid-Patienten, davon 51 mit schwerem Verlauf. Damit ist die Delta-Welle in der mittleren Baltenrepublik angekommen. Auf der Liste europäischer Inzidenzzahlen rangiert das Land nun weit oben. Epidemiologen fordern rasches Handeln von der Politik. Ein Politologe bezweifelt jedoch die Handlungsfähigkeit der lettischen Regierung.


Jeden Freitag veröffentlicht das SPKC die Liste mit den zweiwöchigen Inzidenzzahlen der europäischen Länder (spkc.gov.lv). Sie waren bislang maßgeblich, um Reisende zu Corona-Maßnahmen wie PCR-Tests oder Quarantäne zu verpflichten. Geimpfte sind von solchen Maßnahmen freigestellt. Derzeit gehören die baltischen Staaten zu den Ländern mit den höchsten Neuinfektionen:

1

Slowenien

651,8

2

Litauen

506,8

3

Estland

462,1

4

Irland

373,6

5

Schweiz

364,5

6

Kroatien

350,6

7

Lettland

316,7

8

Österreich

315,7

21

Deutschland

162,9

27

Italien

108,4


Jurijs Perevoscikovs, Leiter des SPKC, informierte die Presse, dass sich die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von drei Wochen verdoppelt habe (lsm.lv). Er befürchtet, dass die Krankenhäuser bald wieder Kapazitätsprobleme haben. Dann werden wieder Operationen verschoben und Rettungswagen müssen Patienten in entfernte Kliniken bringen, weil vor Ort kein Bett mehr frei ist.


Perevoscikovs wies darauf hin, dass derzeit in Ländern mit vergleichsweise hohem Anteil an Covid-Infizierten die Inzidenzwerte sinken; aber dort gebe es einen höheren Anteil an Geimpften. In Lettland sind bislang 821.233 Einwohner vollständig geimpft, das entspricht etwa 52 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahre, eine der geringsten Anteile in der EU. Bislang haben sich in Lettland 153.403 Menschen mit Covid-19 infiziert, 2674 sind gestorben.


In Lettland protestiert eine große Gruppe von Impfskeptikern, ihre Vertreter sorgen auch in der Saeima für Aufsehen. Der Abgeordnete Aldis Gobzems, der aus der Konkursmasse der rechtspopulistischen Partei "Wem gehört der Staat?" (KPV) die neue Fraktion "Recht und Ordnung" (LK) gegründet hat, brachte seinen Protest gegen Impfungen mit einem T-Shirt zum Ausdruck, das die jüdische Gemeinde Lettlands empört zur Kenntnis nahm: Denn darauf war der gelbe Davidstern mit der Aufschrift "ungeimpft" zu sehen (tvnet.lv). In der Saeima erschien Gobzems Anfang September, ohne ein Covid-Zertifikat vorzulegen, weshalb die Sitzung unterbrochen wurde (skaties.lv). Außerparlamentarisch organisierte der Jurist Demonstrationen gegen die Impflicht, die die Regierung ursprünglich für viele Berufsgruppen plante. 


Gobzems hatte Erfolg, denn Karins` Ministerkabinett zog den Gesetzentwurf zurück, offenbar in der Furcht, dass die fragile Vier-Parteien-Koalition in der Saeima keine Mehrheit findet. Nach dem Rauswurf der KPV-Minister hat Karins keine absolute Mehrheit mehr und ist auf Kooperation mit ehemaligen KPV-Abgeordneten angewiesen, die den Nachfolgefraktionen von LK oder "Für ein menschliches Lettland" (PCL) angehören.


Ugis Dumpis, Lettlands bekanntester Infektiologe, hält strengere Maßnahmen für dringend erforderlich (lsm.lv). Das Gesundheitsministerium plant, den Zugang zu Supermärkten nur noch mit einem Zertifikat zu gestatten, das Impfung, Negativ-Test oder Genesung der Kunden bescheinigt. Dumpis bleibt skeptisch: "Meiner Meinung nach reicht auch das nicht, denn diese Supermärkte sind tatsächlich recht gut durchlüftet. Man muss etwas mehr tun, damit die Beschränkungen beachtet werden." Laut Dumpis würden Corona-Maßnahmen hierzulande weniger befolgt als in anderen Ländern, beispielsweise beobachte er im öffentlichen Nahverkehr ständig jemanden, der keine Maske trägt. 


Politologe Filips Rajevskis zeigt sich skeptisch, was die Handlungsfähigkeit der Regierung angeht (lsm.lv). Er sagt voraus, dass es bis zu einer katastrophalen Lage in den Krankenhäusern keine weiteren gesetzlichen Verschärfungen geben werde. Jedes Ministerium und jede Partei setze eigene Prioritäten und irgendwann stehen wieder Wahlen an. Die Politiker sehen sich zwei großen Wählergruppen gegenüber: Den Impfbefürwortern und den Impfgegnern; da stellt sich nach Rajevskis ein Problem:


"Du hast einen großen Anteil Nichtgeimpfter und einen großen Anteil Geimpfter. Du musst die Ungeimpften zur Impfung zwingen und andererseits darfst du diejenigen nicht mit Einschränkungen diskriminieren, die geimpft sind, denn sie haben alles gemacht, was von ihnen verlangt wurde. Die Geimpften nur deshalb zu Opfern zu machen, weil du als Ergebnis der eigenen Politik mit der anderen Seite nicht zurechtgekommen bist, das ist auch nicht richtig." Die Regierung könne kaum kalkulieren, wen beschlossene Maßnahmen mehr oder weniger hart treffen, deshalb werde derzeit nichts beschlossen, sondern nur diskutiert.

UB




 
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