Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Das Nationalmuseum zeigt die Ausstellung zu Gunars Cilitis “Mit einer Münze in der Tasche”
04.08.2022


Der Maler, der als Zeichner und Filmschaffender Erfolg hatte

Cilitis-Illustration im Buch “Märchen über den Groschen” von Karlis Skalbe, 1979, Foto: LNMM

Cilitis war gewiss froher Erwartung, als er als 30jähriger im Jahr 1957 seine Examensarbeit “Selbstporträt auf der Brücke” auf der 2. Ausstellung junger Künstler der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik präsentieren durfte. Es zeigt ihn als Bärtigen mit Hut und im dunklen Wintermantel, wie er, den Körper schräg nach vorn geneigt, um dem Wind zu trotzen, über die Steinbrücke geht. Unter ihm sieht man die Daugava, wo das sich in Mosaiken auflösende Eis den nahenden Frühling ankündigt, hinter ihm beschränkt Rigas Eisenbahnbrücke die Sicht auf den weiß bewölkten und sonnigen Horizont. Auf seinem Gemälde zeigte sich Cilitis also entschlossen, dem Gegenwind zu trotzen. Aber als Künstler machte ihm der Gegenwind seiner Kritiker deutlich mehr zu schaffen.


Sein Gemälde entfachte unerwartet heftige Diskussionen und seine Kritiker griffen ihn scharf an. Ilze Putnina, die die derzeitige Ausstellung zu Cilitis kuratiert hat, ist der Auffassung, dass sich der Künstler, der vor allem als Maler Anerkennung suchte, zu schnell ins Bockshorn jagen ließ: “Cilitis, der Maler, zog sich in die Abgeschlossenheit seines Ateliers zurück. Damals trafen fast alle Nachwuchskünstler wie Biruta Baumane, Boriss Berzins, Uldis Zenzaris, Rita Valnere, Henrijs Klebahs erniedrigende und sarkastische Anmerkungen, die, das muss man hinzufügen, sie nicht von der Malerei abhielten. Möglicherweise verlor Cilitis wegen seiner Selbstzweifel, der langsamen Malmethode und der ständigen Suche nach der besseren Lösung den Glauben an die eigenen Fähigkeiten.” Das gekrümmte Gehen über eine Brücke entsprach offenbar nicht den Vorstellungen der Ideologen eines sozialistischen Realismus, der überall westlichen Formalismus witterte und der den Sowjetmenschen eher pathetisch als realistisch gestaltet sehen wollte.


Cilitis litt darunter, als Maler keine ungeteilte Anerkennung zu finden. Fortan verdiente er sein Geld als Grafiker und Illustrator. Dabei demonstrierte er, dass künstlerische Qualität nicht von der Sparte abhängig ist. Sein Ausdruck war vielfältig, reichte von der realistischen Darstellung über surreale Kompositionen bis zu modernen Collagetechniken. Er zeichnete für die Illustrierten Zvaigzne und Dadzis, die er aber nur als Möglichkeit betrachtete, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die damalige grobe Papierqualität führte allerdings dazu, dass sie beim Druck die feinen Linien seiner Zeichnungen verwischten. Cilitis illustrierte die Bücher vieler lettischer und internationaler Autoren, unter ihnen Regina Ezeras Romane “Gewalt” und “Verrat” und Ernest Hemingways “Wem die Stunde schlägt”. Zudem gestaltete er die fünfbändige lettische Werkausgabe “Zeichnungen und Beschreibungen” des Deutschbalten Johann Christoph Brotzes, die zwischen 1992 und 2007, dem Todesjahr Cilitis`, erschienen ist.


Der Maler war nicht nur als Zeichner, sondern auch als Filmschaffender gefragt. Mit dem Regisseur Arnolds Burovs gestaltete er Puppenfilme für Kinder, die die Fantasien einer ganzen Generation geprägt haben, dazu gehören die Filme “Der Tiger Njau-Njau” oder “Das Märchen über die Münze”. Seitdem musste er sich keine Sorgen machen, dass sich in seinen Taschen Münzen befanden. Dort, im Abgrund der Hose, befanden sich auch seine Ideen und Entwürfe. Putnina beschreibt, dass er seine Ideen auf Streichholzschachteln, Zettelchen und Servietten festhielt. Schließlich gelang ihm noch die Anerkennung als Maler: Seine Bilder waren auf der Ausstellung “Lettische Malerei von der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre bis in die siebziger Jahre” in der Petrikirche zu sehen. Das Nationalmuseum hat sechs Gemälde und 19 Illustrationen Cilitis` in seinem Bestand; hinzu kommen Tagebücher und Skizzen des Künstlers, die das Nationalarchiv aufbewahrt. Die Exponate sind bis zum 4. September 2022 im Hauptgebäude des Lettischen Nationalmuseums am Janis-Rozentals-Platz 1 zu sehen.


Udo Bongartz 

 




 
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