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Krisjanis Karins und Roberta Metsola fordern den Sieg der Ukraine
28.10.2022


Metsola: “Baltische Region ist das Zentrum der Entscheidungsfindung”

Karins und Metsola vor dem lettischen Ministerkabinett, Foto: Valsts Kanceleja, flickr.com , CC BY-NC-ND 2.0

 

Die EU-Parlamentspräsidentin Metsola besuchte am 27. Oktober 2022 Riga. Sie traf sich mit Ministerpräsident Krisjanis Karins und hielt im lettischen Parlament eine Rede (europa.eu). Metsola und Karins sind sich einig: Die Ukraine müsse von der EU und sämtlichen Mitgliedstaaten bis zum Sieg unterstützt werden. Metsola bekannte vor den Abgeordneten, dass seit der “russischen Invasion” das “Zentrum der Entscheidungsfindung” im Baltikum liege. Sie lobte die Führungsstärke der lettischen Regierung.


Metsola lobte in ihrer Rede Lettland, es habe andere Länder lange Zeit vor Russland gewarnt und recht behalten. Seit der “russischen Invasion der Ukraine” habe sich “das Zentrum der Entscheidungsfindung auf dem Gebiet der europäischen Verteidigung und Sicherheit” in die baltische Region verlagert. “Und Lettlands Erfahrung und Führungsstärke werden in den kommenden Schritten entscheidend sein, um die Bedrohungen für unsere demokratischen Werte und das Wohlergehen der EU zu überwinden,” meinte sie. Lettland sei ein Symbol der Hoffnung, der Transformation, der Resilienz, indem es die Qualitäten und Werte repräsentiere, für die Europa stehe. (europa.eu)


Als Metsola im Januar überraschend als Nachfolgerin des unerwartet verstorbenen EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli gewählt wurde, war die EVP-Kandidatin wegen ihrer konservativen Überzeugungen manchem suspekt. Die katholische Malteserin ist eine entschiedene Gegnerin des Rechts auf Abtreibung. Baltischerseits wurde ihre Wahl von Anfang an begrüßt. Der litauische EU-Abgeordnete Andrius Kubilius lobte, dass sie “sehr gut” sein werde, weil sie die baltische Region gut kenne und verstehe (tv3.lv). Sie komme von einem kleinen Inselstaat und begreife die Natur kleiner Länder. Baltischen Zuspruch erhält sie zudem, weil sie die geopolitische Sicht der Osteuropäer und deren Verständnis von Begriffen wie “Sicherheit”, “Verteidigung” und “Bedrohung” teilt.


Ähnlich wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die Riga im April besucht hatte, erweist sich Metsola als folgsame Schülerin lettischer Politiker, wie Baerbock scheint auch die EU-Politikerin von der “Wehrhaftigkeit des Baltikums viel [zu]  lernen” (tagesschau.de). Ministerpräsident Krisjanis Karins gab im Treffen mit Metsola die Marschrichtung vor: Er dankte seinem Gast für die klare, strikte und wahrnehmbare Position und forderte von der EU und ihren Mitgliedern, die Ukraine bis zum vollständigen Sieg zu unterstützen (mk.gov.lv). Lettland habe das bislang mit 320 Millionen Euro, 0,92 Prozent des lettischen BIP, getan und werde es auch weiterhin tun. Zudem forderte er von der EU die Einrichtung eines Sondertribunals, um gegen “das russische Regime” zu ermitteln und es zur Rechenschaft zu ziehen; zudem wünscht er eine weitere Sanktionsrunde. Metsola pflichtete seiner Russlandstrategie mit der Forderung nach Panzerlieferungen und Luftabwehrsystemen für die ukrainische Armee bei.  


Zur Frage, was die EU-Parlamentspräsidentin denn unter einem ukrainischen Sieg verstehe, gab sie im Interview mit der Brüsseler LSM-Korrespondentin Ilze Nagla eine ausweichende Antwort (lsm.lv). Nagla fragte zudem, ob die EU die Sanktionen beende, wenn Russland seine Armee aus der Ukraine abziehe. “Ich kann derzeit auf diese Frage nicht antworten und ich werde erklären, weshalb. Zunächst müssen wir sehen, ob die Sanktionen wirken, wo die Lücken sind und ob solche beseitigt werden. Frühere Sanktionsrunden, die weltweit beschlossen wurden - wir sehen die Wirkung und wie sie verwirklicht wurden. Die gleiche Analyse wird wieder durchgeführt werden müssen,” antwortete Metsola. Auf die Nachfrage Naglas, was Russland tun müsse, um alle EU-Sanktionen aufzuheben, meinte die Politikerin: “Wir wollen, dass Russland mit dem Angriff und der Bombardierung aufhört.” Doch der erfahrenen Journalistin reichte auch das nicht. Sie erkundigte sich nochmals, ob die Sanktionen aufgehoben würden, wenn die russische Armee abziehe. “Zuerst möchte ich sehen, dass das geschieht: Russland zieht die Armee ab und stoppt die Bombardierung.” Offenbar besteht in der EU keine Klarheit darüber, was “Sieg der Ukraine” bedeutet, ob die Sanktionen wirken und wann sie beendet werden. Was Metsola wünscht, ließe sich durch Waffenstillstandsverhandlungen erzielen, dies setzt aber Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten voraus.  


In einem Interview mit anonymousnews.org hat General Harald Kujat, ehemaliger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, Anfang Oktober auf die versäumte Chance hingewiesen, im April einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Wladimir Putin habe sich einverstanden gezeigt, die russische Armee aus den seit dem 24. Februar eroberten Gebieten zurückzuziehen. Im Gegenzug hätte die Ukraine auf einen NATO-Beitritt verzichten müssen, dafür von verschiedenen Staaten Sicherheitsgarantien erhalten. “Damit,” so Kujat, “hätte der Krieg bereits im Frühjahr beendet werden können! Doch er ist nicht beendet worden, weil zu diesem Zeitpunkt, präzise am 9. April, der damalige britische Premierminister Johnson nach Kiew reiste und veranlasste, dass der ukrainische Präsident Selenskyj dieses Abkommen nicht unterzeichnete und die Gespräche mit Russland abbrach.” Auf die Frage des Interviewers Rene Nehring, ob dies nicht eine von Putins Propagandlügen seien, meinte Kujat, dass die US-Zeitschriften Foreign Affairs und Responsible Statecraft seine Aussagen stützten. Laut Responsible Statecraft habe Boris Johnson “das Nein des Westens” überbracht, weil man mit einem Kriegsverbrecher nicht verhandeln könne und dass der Westen für ein Kriegsende nicht bereit sei, weil er nun die Chance sehe, Putin unter Druck zu setzen. “Seit Ausbruch des Krieges wird viel von `Zeitenwenden` gesprochen – dieser 9. April 2022 war tatsächlich ein Wendepunkt, weil der Krieg hätte beendet werden können. Doch haben Erwägungen, den geopolitischen Rivalen Russland unerwartet schwächen zu können, dies verhindert. Ein nächster Wendepunkt könnte nun wieder anstehen, falls Putin seine `militärische Spezialoperation` für beendet erklären sollte. Dann stellt sich wieder die Frage, wie der Westen handelt,” sagte Kujat.


Ein Waffenstillstand, der Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten erfordert, scheint auch Metsolas “Lehrern” an der NATO-Ostflanke nicht zu behagen. Wer den Gegner zum Kriegsverbrecher erklärt, kann mit ihm kaum noch verhandeln. Experten, die in lettischen Medien befragt werden, stützen die Regierungsmeinung und verurteilen die deutsche Entspannungspolitik. Der Politologe Andis Kudors ist der Ansicht, dass man mit Putin nur mit entschiedenen Ansagen sprechen könne. “Wir haben schon gesehen, wie Frankreich und Deutschland in Gesprächen um Ausgleich und Balance bemüht waren, aber bei Russland wird deutlich, dass das nicht wirkt.” Es sei eine gute Nachricht, dass Deutschland sich geändert habe, dass Scholz seine Rhetorik änderte. Kudors behauptet, dass Deutschland weiterhin versuche, [mit Russland] befreundet zu sein, doch die Realität und auch die öffentliche Stimmung richte sich gegen Putin. Schließlich bekundete Kudors, auf welcher Seite Lettland sich tatsächlich befindet und sich deshalb im Zentrum der Entscheidungsfindung sonnt: “Der Schritt Lettlands, des Baltikums, Polens ihre nationale Sicherheit vor allem den USA und nicht Europa - Deutschland, Frankreich - anzuvertrauen, das war die richtige Entscheidung, wie wir jetzt sehen.” (la.lv)


Udo Bongartz 

 

 

 

 

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