Lettische Polizei fahndet nach illegalen Geldgeschäften des russischen Milliardärs Arkadi Rotenberg
18.12.2021
Die Freundschaft mit Putin zahlt sich aus
Arkadi Rotenberg, Foto:Kremlin.ru, CC-BY 4.0, Link
Er erhielt den russischen Orden “Held der Arbeit”. Er und sein Bruder tragen den inoffiziellen Titel “Könige der Staatsaufträge” (handelsblatt.com). Nach deren Familiennamen ist sogar, ebenfalls inoffiziell, ein russisches Gesetz benannt, das sogenannte “Rotenberg-Gesetz”. Die Rotenberg-Brüder gelten als Freunde Wladimir Putins, ihn kannten sie schon in ihren gemeinsamen Leningrader Tagen. Während Putin immer mächtiger wurde, häuften sich bei den beiden Freunden die Millionen und Milliarden. Mit 2,9 Millarden US-Dollar Vermögen befand sich Arkadi Rotenberg letztes Jahr auf der Forbesliste der reichsten Russen, wo er Rang 39 einnahm, Bruder Boris Rotenberg folgte mit 1,2 Milliarden auf Rang 89 (laender-analysen.de). Die Geschwister machen Geschäfte mit ihrem Bauunternehmen SGM und sind Eigentümer der SMP-Bank. Eine ehemalige Rigaer Filiale dieses Geldinstituts wurde Anfang Dezember zum Durchsuchungsobjekt der lettischen Polizei. Zur Unterstützung tschechischer Ermittler fahndete sie nach Dokumenten, die eventuelle illegale Geldüberweisungen im Auftrag Arkadi Rotenbergs belegen könnten. Er steht wegen der Krim-Annexion auf der EU-Sanktionsliste und darf mit Banken des Staatenbundes keine Transaktionen tätigen.
Die tschechische Justiz ermittelt gegen Personen, gegen die der Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht und die in fragwürdige Immobiliengeschäfte verwickelt sein sollen. Zudem untersuchen die Fahnder, ob die Verdächtigen für Arkadi Rotenberg Geld auf Konten in der EU überwiesen haben. Eine Spur führt zur lettischen Industra Bank, die bis 2014, dem Jahr der Krim-Annexion, als eine Filiale der SMP-Bank firmierte, also der Bank, die den Brüdern Rotenberg gehört. Damals wechselte die lettische SMP-Filiale Namen, Management und Besitzer, so dass sie den EU-Sanktionen entkam. Gemeinsam mit tschechischen Kollegen durchsuchten lettische Polizisten in der zweiten Dezemberwoche die Büros der Industra Bank, außerdem einige Wohnungen. Sie nahmen Dokumente und Datenträger mit. Die lettische Industra-Geschäftsführung ist nach eigenen Angaben bereit, mit der Polizei zu kooperieren.
Die lettischen Fahnder hatten Rotenberg schon im Visier und leiteten bereits vor zwei Jahren Ermittlungsverfahren wegen möglicher Verstöße gegen EU-Sanktionen ein. Der Verdacht richtete sich gegen drei ausländische Unternehmen, von denen eine Geschäftsbeziehungen zur Industra Bank unterhielt. Die “Epaster Investments Limited”, die laut Informationen des LTV-Magazins “De facto” in Zypern beheimatet ist, verfügte über ein Industra-Konto (lsm.lv). Das Investmentunternehmen gehört zwei Mitarbeitern der SMP-Bank, also der Bank der Rotenberg-Brüder. Im Jahr 2012 forderten US-Behörden von den beiden Inhabern der zyprischen Firma fast eine Million Dollar Strafe wegen Devisenbetrugs. Letztes Jahr ließ ein lettisches Gericht 1,5 Millionen Euro von einem Epaster-Investment-Konto bei der Industra Bank konfiszieren. Der lettische Geheimdienst VDD hatte den Verdacht, dass die zyprische Firma Geschäfte für Arkadi Rotenberg tätigte. Die Ermittler überprüften zudem Konten der inzwischen bankrotten ABLV-Bank, die ebenfalls für illegale Geldüberweisungen im Auftrag Rotenbergs benutzt worden sein könnte. Das Gericht genehmigte den Antrag der Ermittler, auch dieses Geld zu konfiszieren. Insgesamt beschlagnahmten die lettischen Ermittler vier Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Namen Rotenberg.
Die russischen Milliardärsbrüder wurden vor allem mit ihrer Baufirma SGM (Bau, Gas, Montage) reich. Ihre Nähe zur Macht erwies sich als recht lukrativ. Das Unternehmen erhält Aufträge von Gazprom, um Öl- und Gaspipelines zu bauen. Der russische Staat versorgt die Brüder mit Großprojekten. Nebenbei ist Arkadi Rotenberg Besitzer eines Schulbuchverlags, der den russischen Markt beherrscht. Nachdem die USA und die EU Sanktionen gegen ihn verhängt hatten, erhielt er den Auftrag, für drei Milliarden Euro die Brücke über die Meerenge von Kertsch zu errichten, um das russische Festland mit der eroberten Krim zu verbinden. Zusammen mit seinem Freund Putin gab Rotenberg das Bauwerk im März 2018 für den Verkehr frei (vedomosti.ru). Dafür verlieh ihm Putin im letzten Jahr den Titel “Held der Arbeit der Russischen Föderation” (publication.pravo.gov).
Die italienische Polizei beschlagnahmte im September 2014 drei Villen, eine Wohnung und Anteile an einem römischen Vier-Sterne-Hotel; das bedeutete für Arkadi Rotenberg einen Verlust von etwa 40 Millionen Euro (skaties.lv). Die Parlamentarier der russischen Duma alarmierte das und sie beschlossen das sogenannte Rotenberg-Gesetz. Demnach können Russen, die durch westliche Sanktionen Verluste erleiden, entschädigt werden.
Alexey Nawalny hatte im Januar 2021 das millionenfach angeklickte Enthüllungsvideo “Ein Palast für Putin” veröffentlicht. Demnach ist der russische Präsident Besitzer eines Anwesens von barocker Pracht auf einem Gelände, das Zwergstaaten an Größe übertrifft. Das setzte Putin unter Druck. Daraufhin bezeichnete sich Rotenberg als Besitzer des gigantischen Gebäudes auf den Anhöhen am Schwarzen Meer (nau.ch).
Es ist nicht nur das “System Putin”, das unvorstellbaren Reichtum ermöglicht, kein Russe zählt zu den zehn reichsten Menschen des Planeten, dessen Ressourcen begrenzt sind. Die Zahl der Milliardäre ist in Deutschland größer als in Russland (bpd.de). Wachstumsorientierte Wirtschaft bedingt eine individuelle Kapitalkonzentration, die jeder meritokratischen Rechtfertigung Hohn spricht. Exzessiver Reichtum ist nicht ohne ihre Kehrseite, die ebenso exzessive Armut, zu haben. Die Nichtregierungsorganisation Oxfam stellt dazu fest: “Die Kehrseite des unfassbaren Reichtums der Wirtschaftselite ist die extreme Armut vieler Menschen: Über die Hälfte der Menschheit lebt in Armut, das heißt von weniger als 5,50 Dollar am Tag. Drei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und drei Viertel aller Arbeitnehmer*innen keinen Zugang zu sozialer Sicherung. Ungleichheit in Vermögen und in Einkommen – aber auch in Bildung, Gesundheit und sozialer Absicherung – behindert die Entwicklung von Einzelnen und Gesellschaften. Ungleichheit bedeutet, dass mehr Menschen krank sind, weniger Menschen eine gute Ausbildung haben und weniger Menschen ein glückliches, würdiges Leben führen. Und sie verhindert die Abschaffung von Armut. Wenn die Wohlstandsgewinne vor allem nach oben fließen, bleibt zwangsläufig weniger für alle anderen.” (oxfam.de)
UB
Atpakaï