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Sputnik-Journalist Marats Kasems in Lettland festgenommen
10.01.2023


Eine präzise Begründung ist der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt

Medien und Geheimdienst, ein eigenartiges Verhältnis, Foto: National Security Agency, Gemeinfrei, Link

Der lettische Geheimdienst VDD nahm am 3. Januar 2023 den lettischen Staatsbürger Marats Kasems fest. Ihm wird vorgeworfen, für das russische Medium "Sputnik" gearbeitet zu haben, das auf der EU-Sanktionsliste steht. Laut Informationen des unabhängigen russischsprachigen Webportals der Redaktion von Nowaja gaseta drohen Kasems bis zu 20 Jahren Haft (novayagazeta.eu). Die Europäische Journalistenföderation ist über das Vorgehen der lettischen Behörden besorgt.


Noch scheint der Vorwurf gegen Kasems, soweit er der Öffentlichkeit bekannt ist, unpräzise. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur LETA habe der VDD ihn festgenommen, weil er "wirtschaftliche Ressourcen" für ein Medium sicherte, dass sich der russischen Propaganda unterordnet und damit gegen EU-Sanktionen verstößt (tvnet.lv). Die lettische "Jauns"-Redaktion interpretiert die Formulierung auf diese Weise: "In einfachen Worten: Marats Kasems wurde festgenommen, weil er als lettischer Staatsbürger mit einem vom russischen Staat kontrollierten Medium zusammenarbeitete, das intensiv Desinformation verbreitet, Lettland und westliche Länder anschwärzt und den Krieg in der Ukraine unterstützt." (jauns.lv)


Kasems arbeitete als Chefredakteur der litauischen Sputnik-Filiale. Doch seit 2018 darf er nicht mehr ins Nachbarland einreisen. Die litauischen Behörden begründen das Verbot mit Sicherheitsbedenken. Seitdem berichtet er aus dem russischen Homeoffice über die Lage in den baltischen Ländern. Der VDD beobachtete bereits vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine die Aktivitäten des unter Verdacht geratenen Staatsbürgers. 2013 kandidierte er für die Partei Saskanas Centrs für den Kreistag von Salaspils, wurde aber nicht gewählt. Er veröffentlichte danach ein Video, in dem er die lettischen Wähler derb beschimpfte, was er anschließend als einen Scherz darstellte. Doch seine Partei schloss ihn aus. Auch spätere Versuche einer Politiker-Karriere scheiterten. 


Über seine konkreten journalistischen Tätigkeiten berichten lettische Medien wenig. Laut Jauns-Redaktion veröffentlichte er Videos, in denen er sich mit dem ebenfalls in Haft sitzenden Vladimirs Lindermans, der sich zum Nationalbolschewismus bekennt, über die vermeintliche weltweit tätige "Gay-Lobby" oder über die Situation der russischen Sprache in Lettland unterhielt. Kasems hat Kontakte zu Personen, die aus lettischer Sicht als "Kreml-Propagandisten" gelten, zu ihnen zählt Dmitri Kisseljow, der Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja, die Sputnik betreibt. Kisseljow steht auf der EU-Liste jener Personen, die keine Visa erhalten. Er versammelte sich am 6. Januar 2023 mit einigen Dutzend Demonstranten vor der lettischen Botschaft in Moskau, um gegen die Festnahme seines Mitarbeiters zu demonstrieren (lsm.lv). Nowaja gaseta zitiert Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums: "Das ist die Vergeltung dikatorischer Regime für seine Freiheit, seine Wahrheit und seiner Prinzipientreue." 


Ende Dezember 2022 war Kasems nach Lettland eingereist. Nowaja gaseta nennt dafür familiäre Gründe. Die Europäische Journalistenföderation (EJF), der u.a. die DJU-Gruppe der Gewerkschaft Ver.di, der Deutsche Journalisten-Verband, der lettische und der litauische Journalistenverband angehören, zeigt sich über das Vorgehen der lettischen Behörden alarmiert. Ricardo Gutierrez, der EJF-Generalsekretär, erfuhr, dass man Kasems der Spionage beschuldige und er gleich nach der Festnahme ins Rigaer Zentralgefängnis abgeführt wurde. Die EJF stellt die Verhältnismäßigkeit in Frage. Die EU-Sanktionen zielten gegen die Verbreitung der russischen Medien, nicht aber gegen deren Mitarbeiter, die auf EU-Territorium weiterhin journalistisch tätig sein dürften. Die Inhaftierung im Rigaer Zentralgefängnis scheint der EJF "völlig unangemessen": "Wir fordern eine deutliche Erklärung der lettischen Behörden über den vermeintlichen Verstoß gegen EU-Sanktionen, dessen er bezichtigt wird. Uns sind derzeit keinerlei Beweise bekannt, die eine Inhaftierung rechtfertigten. Wir glauben daher, dass die Inhaftierung willkürlich und ungerechtfertigt zu sein scheint. Dies könnte ein Verstoß gegen Artikel 5 der Europäischen Konvention der Menschenrechte darstellen. Die EJF fordert die lettischen Behörden auf, Herrn Kasems unverzüglich über die Gründe seines Arrests und über jegliche Anklage gegen ihn zu informieren." In Korrespondenz mit der Lettischen Presseschau ergänzte Gutierrez seine Stellungnahme: Es sei eine Frage des demokratischen Prinzips. "In keiner Weise unterstützt die EFJ die harsche Propaganda der kremlbasierten Medien. Die eigentliche Frage ist: Was kann die Inhaftierung eines Journalisten auf der Grundlage von EU-Sanktionen bezüglich verbotener Sender rechtfertigen? Wir sehen keinerlei Grund dazu."


Udo Bongartz 




 
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