Latvieðu Centrs Minsterç

   

Lettland: Parlamentarier lehnen das Russisch-Referendum ab
27.12.2011


Saeima in RigaDie Saeima-Abgeordneten stimmten am 22.12.11 gegen den Vorschlag einer Verfassungsänderung, die bezweckt, Russisch als zweite Staatssprache zuzulassen. Die Initiative Dzimt? valoda (Muttersprache) hatte zuvor die notwendigen Unterschriften gesammelt, um diesen Antrag im Parlament einzureichen. Nun wird eine Volksabstimmung, die voraussichtlich am 28.2.12 (inzwischen stellte sich heraus: am 18. Februar) stattfindet, die endgültige Entscheidung bringen. 60 Parlamentarier lehnten Russisch als Amtssprache ab. Niemand stimmte dafür. Das oppositionelle Saska?as Centrs (Zentrum der Eintracht, SC), das u.a. die Interessen der russischstämmigen Minderheit vertritt, drückte sich – nicht zum ersten Mal – vor einer unbequemen Entscheidung. Die SC-Politiker verließen vor der Abstimmung den Saal. Unterstützung erhalten die Gegner der Staatssprache Russisch von überraschender Seite: Der Lette Alfr?ds Rubiks zeigt sich mit ihnen solidarisch. Seine Landsleute haben den heutigen SC-Europaabgeordneten wegen seiner Tätigkeit als sowjetischer KP-Funktionär in schlechter Erinnerung. Ausgerechnet ein Abgeordneter der zuweilen russophob agierenden Nationalen Allianz enthielt sich der Stimme.

Die Saeima, das lettische Parlament, in Riga, Foto: LP

 

SC-Parlamentarier blieben der Abstimmung fern

So brisant es zunächst scheint, dass der nationalkonservative Volksvertreter K?rlis Kr?sli?š sich der Stimme enthielt, so enttäuschend banal ist die Erklärung, die er dem Nachrichtenportal delfi.lv dafür gab, sie lohnt kaum das Klicken auf den "Weiterlesen"-Button, sorry: Er habe seine Brille vergessen und deshalb die Tasten für die elektronische Abstimmung verwechselt. Außer ihm stimmten sämtliche Saeima-Vertreter, die die Mitte-Rechts-Regierung des Ministerpräsidenten Valdis Dombrovskis stützen, gegen das Referendum. Dazu gehören die Mitglieder der Fraktionen Vienot?ba (Einheit), Zatlera Reformu Partija (Zatlers Reformpartei, inklusive ihrer sechs Abweichler) und die Nationale Allianz. Auch Abgeordnete der verbliebenen Oppositionsfraktion Za?o un Zemnieku savien?ba (Union der Grünen und der Bauern) lehnen Russisch als Staatssprache ab. Der SC-Abgeordnete J?nis ?damsons hatte zuvor an seine Fraktionskollegen appelliert, den Saal zu verlassen. Er verband dies mit scharfer Kritik an der amtierenden Mitte-Rechts-Regierung: „Der herausragende Dichter und Sozialdemokrat J?nis Rainis sagte in seiner Zeit (zwanziger Jahre), dass im lettischsprachigen Lettland die Demokratie allen gehört. Auch wir treten für einen Staat ein, in welchem die Mehrheit nicht die Rechte der Minderheit unterdrückt. Mehr als 180.000 Menschen unterschrieben das Referendum. Nicht weil sie gegen Letten oder lettische Herrschaft sind, sondern sie unterschrieben deshalb, weil sie sich gegen rechte Politiker aussprechen, die sie allein in den letzten Monaten für die Krisen der Kr?jbank?, der AirBaltic und der erfolglosen Ausschreibung für Passagierzüge verantwortlich machen. Und dazu sprechen sie sich auch gegen die nationalistische Politik der rechten Parteien aus.“

Adamsons

Der SC-Abgeordnete J?nis ?damsons, Foto: Saeima

 

Die Mehrheit fürchtet einen anderen Staat

Die Parlamentsvorsitzende und Vienot?ba-Abgeordnete Solvita ?bolti?a formulierte die Position der Mehrheit: „Der Vorschlag einer Verfassungsänderung ist als Norm eingereicht, die bestimmt, was die lettische Republik ausmacht. Gemeinsam mit den übrigen Grundsätzen der Verfassung drückt Lettisch als einzige Staatssprache den wesentlichen Sinn unseres Staates aus. Falls Lettisch nicht mehr die einzige Staatssprache wäre, dann wäre es überhaupt ein anderer Staat, in welchem andere Prinzipien und Bedingungen zur Grundlage würden. Diese Änderungen zu befürworten bedeutet, der Gestaltung eines neuen und anders gearteten Staates zuzustimmen.“ Ministerpräsident Valdis Dombrovskis will an der geplanten Volksabstimmung teilnehmen, die endgültig über diese Frage entscheiden wird. Er appelliert an alle, die sich gegen Russisch als zweite Staatssprache aussprechen, ihr Votum abzugeben. Die Mehrheit soll bekunden, dass sie Lettisch als einzige Staatssprache bewahren möchte.

Solvita Aboltina

Parlamentsvorsitzende Solvita ?bolti?a, Foto: Saeima

 

Alfr?ds Rubiks: Russisch als Veständigungsmittel - nicht mehr

Auch der SC-Europaabgeordnete Alfr?ds Rubiks, der wegen Hochverrats von 1995 bis 1997 inhaftiert war, möchte den lettischen Staat nicht in dem Sinne geändert wissen, wie Solvita ?bolti?a es fürchtet. Der Tageszeitung Diena sagte er am 21.12.11: „Ich habe es schon klar und deutlich gesagt – ich bin der Ansicht, dass in Lettland keine zweite Staatssprache nötig ist, deshalb werde ich als Vorsitzender der Sozialistischen Partei (innerhalb des SC-Bündnisses) keinerlei Aktivitäten entfalten und mich auch nicht am Referendum beteiligen.“ „Ich selbst nehme eine absolut neutrale Position ein und fordere andere dazu auf, so zu handeln, dass alles so bleibt, wie es ist, damit der Status Quo erhalten bleibt.“ Allerdings macht er die Nationale Allianz als Ursache für den neuerlichen Streit zwischen den ethnischen Gruppen verantwortlich: „Den Beginn von dem Ganzen muss man bei den nationalistischen Kräften rund um Raivis Dzintars suchen.“ Diese hatten im letzten Sommer ebenfalls ein Referendum initiiert, um Russisch als Unterrichtssprache abzuschaffen. Doch die Initiative scheiterte wegen mangelnder Beteiligung. „Es war nicht nötig, die Sprachdebatte anzuheizen -  tatsächlich verbietet nur ein Okkupationsregime andere Sprachen. Gewiss ist, dass in Lettland 40 Prozent Russisch sprechen, gewiss ist, dass Menschen, deren Muttersprache Russisch ist, diese benötigen, aber sie muss ein Verständigungsmittel bleiben und nicht mehr. Man muss alles tun, um den Druck abzulassen, damit sich alles beruhigt, denn, wenn man sich auf die eine oder andere Seite schlägt, dann provoziert man nur Gegenreaktionen. Man muss den Verstand einsetzen, nicht die Emotionen.“ Zudem vermisst Rubiks das Wort Völkerfreundschaft in heutigen Lexika – doch die Zeit, in der es noch in Wörterbüchern verzeichnet war, behielten die Letten in schlechter Erinnerung.

 

Weitere LP-Artikel zum Thema:

Lettland: Russisch Referendum in der zweiten Runde erfolgreich - Nun wird das Parlament entscheiden

Lettland: Verfassungsreferendum für die Staatssprache Russisch spaltet die öffentliche Meinung

 

Externe Linkhinweise:

diena.lv: Rubiks - Krievu valoda ir j?atst?j k? sazi?as l?dzeklis un ne vair?k

saeima.lv: Latvijas Republikas 11.Saeimas rudens sesijas sešpadsmit? (?rk?rtas) s?de 2011.gada 22.decembr?

delfi.lv: Valodas referendums - SC atst?j z?li, Saeima noraida Satversmes groz?jumus




 
      Atpakaï