Der Jurist und Ökonom Štokenbergs war Minister in verschiedenen Regierungskabinetten. Nun teilte er der Nachrichtenagentur LETA mit, dass er sich aus der Politik zurückzieht und in Schweden ein Unternehmen gründen möchte. Das Ende seiner politischen Karriere bezeichnet auch das Aus einer linksliberalen Hoffnung aus der Zeit der Regenschirmrevolution von 2007. Damals entließ ihn Premier Aigars Kalv?tis als Minister. Štokenbergs wurde auch aus der damals regierenden Tautas partija/ Volkspartei ausgeschlossen. Als Minister für regionale Entwicklung und kommunale Angelegenheiten hatte er sich gegen die Entlassung Aleksejs Loskutovs`, des Chefs der Antikorruptionsbehörde KNAB, ausgesprochen und sich den Oligarchen Andris Š??le zum innerparteilichen Gegner gemacht. Danach gründete Štokenbergs mit Loskutovs und Artis Pabriks die Partei Sabiedr?ba citai politikai/ Gesellschaft für eine andere Politik (SCP), die ein linksliberales Sozial- und Wirtschaftsmodell nach skandinavischem Modell propagierte. Aber bei den Kommunal- und Europawahlen von 2009 erzielte die SCP nur mäßige Ergebnisse. Sie vereinigte sich schließlich mit zwei größeren Parteien, der rechtsliberalen Jaunais Laiks/ Neue Zeit und der konservativen Pilsonisk? savien?ba/ Bürgerunion, zur Mitte-Rechts-Partei Vienot?ba/ Einigkeit. Diese bildet nun seit der Neuwahl vom vergangenen Herbst mit der Zatlera reformu partija/ Zatlers Reform Partei eine Regierungskoalition unter dem Ministerpräsidenten Valdis Dombrovskis. Štokenbergs gehört diesem Kabinett nicht mehr an. In der 10. Legislaturperiode der Saeima war Štokenbergs noch Justizminister, Parteifreund Pabriks ist bis heute Verteidigungsminister. Wirtschaftlich und sozial konnten die Ex-SCP-Politiker in diesen Ämtern nichts ausrichten.
Aigars Štokenbergs, Foto: Saeima auf Wikimedia Commons
Zu unglaubwürdig für linke Politik
Štokenbergs hat laut LETA-Meldung vom 18.4.12 den Plan, im schwedischen Västervik eine Firma zu gründen. Sie soll Stahlkonstruktionen für günstige und energieeffiziente Bauten produzieren. Als ersten Auftrag nannte der Politiker, der 2006 auch einige Monate Wirtschaftsminister war, eine Siedlung schwimmfähiger Häuser in der Ostseestadt Gävle. Damit verabschiedet sich Štokenbergs von seinem Anliegen, eine Alternative zu den konservativen und rechtsliberalen lettischen Parteien anzubieten. Neben dem russisch orientierten Saska?as Centrs/ Zentrum der Eintracht blieb Štokenbergs` SCP die einzige maßgebliche Partei, die bekannte: „M?s esam kreisi" - "Wir sind Linke“. Doch „Stocki“ verstand es nicht, die Letten für sich zu erwärmen. Bei der letzten Wahl straften ihn die Wähler sogar ab. Er erhielt auf der Wahlliste soviele Abzüge, dass er nicht mehr ins Parlament gelangte. Er nannte persönliche Gründe, die zum Misserfolg führten. Der Politiker bekannte, dass seine Stimme nicht laut genug sei. Zurückhaltend bis melancholisch redete er vor Kameras und Mikrofonen. Das Publikum lässt sich von energischen Charismatikern offenbar mehr beeindrucken als von Sachverstand, Programmen und Zielen. Außerdem nahmen ihm viele sein Engagement für soziale Gerechtigkeit nicht ab. Sein Pullover sei zu teuer, um sozialliberale Ideen glaubwürdig zu vertreten, nannte der Firmengründer als weitere Erklärung. Tatsächlich gehört er zu den reichsten und einflussreichsten Letten. Der investigative Journalist Lato Lapsa wirft ihm zudem vor, gegenüber der Steuerbehörde unehrlich gewesen zu sein. Doch die Antikorruptionsbehörde KNAB konnte dem vielfachen Millionär nichts nachweisen.
Verteidigungsminister Artis Pabriks war Mitglied der SCP, Foto: Marcello Casal Jr./Abr. auf Wikimedia Commons
Keine Alternative zum Wirtschaftsliberalismus
Mit dem Abgang Štokenbergs ist die Mission der SCP offenbar endgültig gescheitert. Sie wollte die „ultrarechte und oftmals auch unehrenhafte Politik“ ändern. „Ultrarechts“ agierten die übrigen lettischen Parteien nicht im rassistischen oder völkischen Sinne. Doch sie vertraten wirtschaftsliberale Ziele und ignorierten Forderungen, einen leistungsfähigen Sozialstaat aufzubauen. Auch die jetzige Regierung Dombrovskis weigert sich, die progressive Einkommensteuer, die Reichere stärker belasten würde, einzuführen. So wirkt das lettische Parteienspektrum paradox: Die lettischsprachigen Bürger wählen lettische Mitte-Rechtparteien, die russischsprachigen Bürger eine Mitte-Links-Partei, die stets in der Opposition bleibt. Dabei zeigte jüngst eine Untersuchung des privaten Forschungsinstituts SKDS, dass sich auch die lettischsprachigen Wähler einen besseren Sozialstaat wünschen.
Externer Linkhinweis:
delfi.lv: Štokenbergs b?v? r?pn?cu Zviedrij? un nepl?no atgriezties politik?
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