Latvieðu Centrs Minsterç

   

Lettland: Rigas spalterische Fahrpreise: Kartoffelnasen mucken auf
21.10.2013


Kartoffelnase mürrisch an der BushaltestelleEigentlich propagiert Rigas Bürgermeister Nils Ušakovs den gebührenfreien Nahverkehr als Fernziel. Rentner können bereits jetzt die Busse und Straßenbahnen der Hauptstadt kostenlos benutzen. Doch die Stadtregierung plant nun, ab 1.1.2014 die Fahrpreise für Nichtrigenser zu verdoppeln. Dann wird der Standardtarif für Hauptstädter 0,60 Euro, für Nichtrigenser, auch Touristen, 1,20 Euro betragen. Ušakovs rechtfertigt die Ungleichbehandlung, weil viele Arbeitnehmer, die in Riga arbeiten, in seiner Stadt nicht mit ihrem Wohnsitz registriert seien und deshalb ihre Steuern in anderen Gemeinden bezahlten. Zudem sei die Hauptstadt Nettozahler im kommunalen Ausgleichsfonds. Gegen die Tarifpläne sammelt sich Protest. Auf der Webseite manabalss.lv ist die Zahl von 10.000 Stimmen für die Initiative „Gleiche Fahrpreise auch für Nichtrigenser“ fast erreicht. Neben der Begründung schaut der Internet-Nutzer auf ein Bild voller Kartoffeln: Ein Spötter machte den Vorschlag, alle Provinzler, die extra zahlen sollen, mit einer Kartoffel um den Hals zu kennzeichnen.

Die Kartoffelbürger üben den Aufstand, Foto: LP

 

Sozial und ökologisch fraglich

Das Vorhaben der Stadtregierung, eine Koalition aus der Mitte-Links-Partei Saska?as Centrs/ Zentrum der Eintracht und der klerikalen Gods kalpot R?gai/ Ehre für Riga zu dienen, stößt auf Widerstand. Es sei ein hastiger Versuch, Löcher im städtischen Haushalt zu stopfen. Allein die Subventionen für den Verkehrsbetrieb R?gas Satiksme kosteten im letzten Jahr 62 Millionen Lats (87 Millionen Euro). Kritiker werfen Ušakovs Populismus vor, der nicht auf soziale Belange, sondern auf Wählerstimmen ziele. Die Spaltung der Fahrgäste in Hauptstädter und Provinzler sind Argumente für seine Gegner: Schließlich ist auch arme Landbevölkerung auf Rigas Nahverkehr angewiesen, um den Arbeitsplatz, Schulen, Krankenhäuser, Behörden und kulturelle Einrichtungen zu erreichen. Ir-Journalistin Ginita Nagle beschrieb in ihrem Artikel vom 18.10.2013 die Situation der Stradi?a-Klinik in Riga als Beispiel. 45 Prozent der Patienten seien Nichtrigenser, auch 43 Prozent des Personals wohnten außerhalb der Hauptstadt. Bei einem mittleren Monatsgehalt von 330 bis 420 Euro ist die Verdoppelung der Fahrpreise kaum zu verkraften. Weder sozial noch ökologisch scheinen Strafgebühren für Kartoffelnasen nachvollziehbar. Nichtrigenser könnten fortan Rigas Busse meiden und lieber im privaten Auto den Verkehr in der 700.000-Einwohner-Stadt vermehren, damit auch Staus, Lärm und Abgase. Die Stadtregierung will Arbeitnehmer, die in Firmen innerhalb der Stadtgrenzen beschäftigt sind, ermuntern ihren Wohnsitz in Riga anzumelden. Davon erhofft sich der Stadtkämmerer mehr Steuereinnahmen. Die Initiatoren für gleiche Fahrpreise wenden dagegen ein, dass gerade ländliche Gemeinden Steuern benötigten. Das ohnehin knappe Geld würde für Kindergärten, Schulen und sozial Bedürftige dort fehlen. Der Streit um Steuereinnahmen und Ausgleichszahlungen, der in Deutschland zwischen Bundesländern ausgefochten wird, spaltet in Lettland Städte und Gemeinden.

Straße mit Autos in der Innenstadt Rigas

Die Rigaer Innenstadt, Foto: LP

 

Neue Unübersichtlichkeit

Der Plan von Kommunen, Fahrgäste nach ihrer Herkunft einzuteilen, könnte zu mittelalterlich anmutenden Zuständen führen: Die Gemeinde Sigulda einigte sich schon mit den Hauptstädtern, Fahrkartenrabatte für die eigenen Einwohner wechselseitig anzuerkennen. Machen solche Abkommen Schule, dürfte bald ein unüberschaubarer Tarifdschungel das Land überziehen. Auch Politiker auf nationaler Regierungsebene sind alarmiert. Rigas umstrittener Tarif-Antrag wird derzeit vom Minsterium für Umweltschutz und regionale Entwicklung geprüft. Dessen Entscheidung sollten die Fahrgäste mit Hauptstadtwohnsitz lieber nicht erst abwarten: Ab November können sie sich für ermäßigte personalisierte Fahrausweise bei R?gas Satiksme registrieren lassen.

 

Weitere LP-Artikel zum Thema:

Lettland - Nachlese zur Kommunalwahl in Riga: Theaterregisseur Alvis Hermanis polemisierte gegen die „Lumpen“-Regierung des Bürgermeisters Nils Ušakovs

Lettische Antikorruptionsbehörde übergibt den Fall Daimler dem Generalstaatsanwalt

Lettland: Erste Festnahmen im Mercedes-Benz-Korruptionsskandal

Lettische Schlagzeilen des Sühnemonats 2010

 

Externe Linkhinweise:

manabalss.lv: Par vien?du braukšanas maksu ner?dziniekiem

ir.lv: N?kam? pietura: Š?irotava

rigassatiksme.lv: Ticket-Informationen (Englisch)




 
      Atpakaï