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Lettland: Citadele-Bank zu billig verkauft
20.10.2016


Niemand ist verantwortlich

Citadele-BankElita Kr?mi?a, Leiterin der Valsts kontrole, einer staatlichen Behörde, die in etwa dem deutschen Bundesrechnungshof entspricht, nahm am 18.10.2016 zum Verkauf der Citadele-Bank im letzten Jahr Stellung. Die lettische Regierung hatte die Privatbank während der Finanzkrise für 2 Lats, also 2,45 Euro gekauft - und dem Staat damit Schulden in Höhe von 2,48 Milliarden Euro eingehandelt. Nach dem Lehman-Schock im Herbst 2008 galt auch diese Bank, die sich damals "Parex" nannte, als systemrelevant. Die staatlich eingesetzten Manager unterteilten das Geldhaus ohne Geld in die Bad Bank Reverta, die mit einem Schuldenberg von 800 Millionen Euro dem Steuerzahler weiterhin treu bleiben wird, und der inzwischen erfolgreich restrukturierten Citadele-Banka, die wieder Gewinn macht. Vielleicht wäre es eine gerechte Lösung gewesen, die "gute" Citadele so lange profitieren zu lassen, bis sie ihre "schlechte" Schwester Reverta hätte aufkaufen und deren Schulden tilgen können. Doch dazu kam es nicht, denn die EU-Kommission verlangte die Privatisierung der Citadele bis zum 30.9.2015. Das Kabinett der damaligen Regierung der Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma verkaufte die Bank in letzter Minute an US-Investoren. Kritiker bemängelten den niedrigen Verkaufspreis von 74,7 Millionen Euro. Kr?mi?a bestätigte deren Bedenken. Nach Einschätzung ihrer Behörde hätte die Regierung 25 bis 75 Millionen mehr verlangen können.

Die neu errichtete Zentrale der Citadele-Bank, Foto: LP

 

Vertrauen auf Ratgeber

Im lettischen Radio benannte Kr?mi?a die Versäumnisse. Den Verkauf bis zum letzten Moment aufzuschieben habe die Käuferseite begünstigt, so dass diese ihre Bedingungen weitgehend durchsetzen konnten. Die Mitglieder der staatlichen Privatisierungsagentur (PA) seien vertraglich von jeder Haftung befreit gewesen. Ihr Büro habe lediglich als Briefkasten für die angeheuerten Berater gedient, um dann deren Post der Regierung zuzustellen. Die PA hatte Vertreter der Society Generale und einer Kanzlei als Berater hinzugezogen und sich laut Kr?mi?as Urteil einseitig auf deren Empfehlungen verlassen. Der Ratschlag der Lettischen Staatsbank, die Citadele früher zu verkaufen, hätten die PA-Mitarbeiter nicht beachtet. Die angeheuerten Experten überreichten der PA umfangreiche Papiere, die ungefiltert auf dem Kabinettstisch landeten. Den Ministern sei keine Zeit für eine gründliche Lektüre geblieben. Die PA-Leiter Vladimirs Loginovs bestritt gegenüber lsm.lv Kr?mi?as Vorwurf. Dieser sei unbegründet. Die Regierung hätte die Bank zu einer früheren Zeit nicht teurer verkaufen können. Äußere Einflüsse hätten Investoren abgeschreckt, 2011 der Krach um die bankrotte Kr?jbanka (die der Staat nicht aufkaufte) und später die Krim-Krise und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland. Die Kaufinteressenten hätten damals ihre Angebote zurückgezogen, man hätte die Bank noch billiger veräußern müssen. Auch Laimdota Straujuma weist die Kritik zurück. Ihrem Kabinett sei nur ein halbes Jahr Zeit geblieben. Deshalb habe der Verkauf in Eile geschehen müssen. Sie könne nicht sagen, weshalb man nicht 2011 oder 2012 verkauft habe. Damals war der heutige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis ihr Amtsvorgänger.

Parex-Bank-Zentrale

Die ehemalige Parex-Bank-Zentrale in der Rigaer Altstadt, Foto: LP

Staatliche Interessen nicht hinreichend vertreten

Der Fiskus musste den Beratern 5,5 Millionen Euro Honorar zahlen. Dafür können nun alle Beteiligten ihre Hände in Unschuld waschen. Die Mitarbeiter der PA, die auf die Empfehlungen ihrer Berater weisen und die zuständigen Politiker, die in der Eile nicht alle Papiere zur rechten Zeit gründlich durchlesen und verstehen konnten. Lsm.lv zitiert aus den Schlussfolgerungen des 100seitigen Berichts der Valsts kontrole: Der Citadele-Verkauf sei nicht die einzige bedeutende Angelegenheit, bei denen staatliche Interessen nicht überzeugend vertreten worden seien. Hinzu zählen die staatlichen Prüfer den Verkauf von Liep?jas Metalurgs an die ukrainische KKV und die Beteiligung privater Investoren an der Fluggesellschaft Air Baltic. Verhandlungen über die staatlichen Anteile an den Telefongesellschaften Lattelecom und LMT und über den Bau der Rail Baltica stünden an. Solche Vorhaben hätten nicht nur beträchtlichen Einfluss auf die Volkswirtschaft, sondern erforderten auch erhebliche staatliche Investitionen. Deshalb hoffen die Autoren des Revisionsberichts, dass ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen Beachtung finden. Kr?mi?a nannte im Radiointerview vor allem die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, als Grundbedingung zukünftiger Entscheidungen. Dafür bedürfe es einer staatlichen Institution, die sich nicht auf Berater verlässt, sondern deren Empfehlungen kritisch prüft, zudem Beamte und Politiker, die imstande seien, die unterschiedlichen Ansichten auszuwerten und die für das Land günstigste Entscheidung zu treffen. Zudem müssten sie den Willen haben, tatsächlich die Interessen des Landes zu vertreten, denn der Druck von Lobbyisten sei groß. Im Falle des Citadele-Verkaufs kamen Journalisten allerdings nicht über Mutmaßungen hinaus, wer hinter den Kulissen den Citadele-Verkauf zugunsten privater Interessen beeinflusst haben könnte. Übrig bleibt der fade Nachgeschmack, dass in der EU nach wie vor Verlustbringendes verstaatlicht und Gewinnbringendes privatisiert wird.


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