Die Regierung von M?ris Ku?inskis - Teil 2: Meinung der Opposition
26.02.2016
Pimenovs: "Für mehr soziale Gerechtigkeit fehlt einer rechten Regierung die Kraft"
Der Wahl des neuen Ministerpräsidenten Ku?inskis ging am 11.2.2016 eine Saeima-Debatte voraus. Oppisitionelle fanden naturgemäß kritische Worte und begründeten, weshalb sie den zukünftigen Regierungschef nicht wählten. Aber die Kritik der Ku?inskis-Gegner unterschied sich in Wortwahl und Argumentation erheblich. Das verdeutlichen stellvertretend die Beiträge des Vorsitzenden der Lettischen Allianz der Regionen (RA), M?rti?š Bondars, und des Saska?a-Abgeordneten Igors Pimenovs.
Die ehemalige Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma gratuliert ihrem Nachfolger M?ris Ku?inskis, Foto: Reinis Ink?ns, Saeimas Kanceleja
Im Schatten der Oligarchen
Bondars ging in der Saeima-Debatte mit Ku?inskis scharf ins Gericht: „Kollegen! Kollege M?ris Ku?inskis kam unter der Obhut Andris Š??les [Ein Politiker und Geschäftsmann, der zu den „Oligarchen“ des Landes gezählt wird] in die lettische Politik - Andris Š??le führte M?ris Ku?inskis in die lettische Politik ein. Danach setzte M?ris Ku?inskis seine Karriere im Windschatten Ain?rs Šlesers` fort [Šlesers wird ähnlich wie Š??le eingeschätzt]. Schon seit mehreren Jahren ist schon der Schatten Aivars Lembergs` [des dritten „Oligarchen“] über ihn. Und nichts weist darauf hin, dass M?ris Ku?inskis imstande ist, auf eigenen Füßen zu stehen.“ Bondars beklagte, dass der neue Regierungschef politisch totes Personal reaktiviere und selber in der Saeima noch keine konstruktiven Vorschläge gemacht habe. In den sogenannten „fetten Jahren“ unter dem Premier Aigars Kalv?tes, die zur Wirtschaftskrise von 2008 führten, habe ihm Ku?inskis als Fraktionschef der damaligen Regierungspartei Tautas partija die Mehrheiten gesichert. Zudem wirft ihm Bondars Vetternwirtschaft vor. 2011 habe Ku?inskis in der Saeima gegen die Aufhebung der Immunität Ain?rs Šlesers` gestimmt, um die Hausdurchsuchung dessen Anwesens zu verhindern. Mit solchen Tönen lehnt sich Bondars weit aus dem Fenster. Er hätte über den eigenen Parteifreund, den RA-Fraktionschef Dainis Liepi?š, mit fast gleichem Wortlaut herziehen können. Denn auch Liepi?š absolvierte seine politische Karriere im Windschatten der „Oligarchen“. Bondars` RA-Kollege J?nis Ruks warf den Ministern der ehemaligen und zukünftigen Regierung vor, bei der Verabschiedung des aktuellen Haushalts weder die Kritik der Saeima-Abgeordneten noch jene der Sozialpartner vernommen zu haben, wobei er vor allem an die Vorwürfe von bestimmter Seite denkt: „zum Beispiel die Einwände der lettischen Industrie- und Handelskammer und der Lettischen Arbeitgeber im Bereich der Steuerpolitik.“ Die Vorgängerregierung unter Laimdota Straujuma hatte es gewagt, eine „Soldaritätssteuer“ für Besserverdiener einzuführen und den Übergang zur progressiven Einkommenssteuer in Aussicht gestellt. Doch plötzlich sei man imstande, so Ruks, den Arbeitsstil zu ändern. In der Regierungserklärung sei nun zu lesen, dass man mit den Sozialpartnern eine ausgewogene und vorausschauende Steuerpolitik gestalten wolle. Der Streit um eine Steuerpolitik, die den Spalt zwischen Arm und Reich verringern könnte, dürfte der entscheidende Grund für den Fall der Regierung Straujuma und den Zwistigkeiten innerhalb der Regierungpartei Vienot?ba darstellen. Inguna Sudraba, Vorsitzende der Partei Vom Herzen für Lettland, verriet, weshalb sich ihre Partei nicht als Alternative zum schwierigen Koalitionspartner Nationale Allianz empfiehlt: „Unserer Ansicht nach ist in der Regierungserklärung auch nicht klar formuliert, was die lettische Gesellschaft insgesamt erwartet: Wie lautet die Einigung der drei Parteien darüber, was mit den Flüchtlingen geschehen wird. Wird die von Vienot?ba begonnene Politik, Flüchtlinge aufzunehmen, weiter verwirklicht?“ Die zukünftige Regierung beabsichtige, sich an den Beschluss im Rahmen des EU-Solidaritätsmechanismus zu halten. Das sei weit interpretierbar. Sudraba wünscht sich ein klares Nein zu weiterer Flüchtlingsaufnahme und vertritt damit die gleiche kompromisslose Haltung wie die mitregierenden Nationalkonservativen.
Igors Pimenovs: Ku?inskis am Scheideweg
Differenzierter und sachbezogener schätzte Igors Pimenovs, Abgeordneter der größten Fraktion, der oppositionellen Saska?a, die Tätigkeit der alten und neuen Regierung ein. Bei seiner Kritik wird eine gewisse Sympathie für den Kurswechsel deutlich, den Straujuma nach den wirtschaftliberal ausgerichteten Kabinetten Valdis Dombrovskis` anstrebte. Er sieht Ku?inskis nun am Scheideweg: „Ich folgere, dass die Regierungserklärung als solides Dokument zur Stärkung der Volkswirtschaft gestaltet ist, welches sich krass von vorhergehenden Erklärungen wirtschaftliberaler Regierungen, insbesondere jene Valdis Dombrovskis`, unterscheidet. Und hier sehe ich unmittelbar die Handschrift M?ris Ku?inskis`, unter dessen Leitung ich vor fünf Jahren zur Aufstellung des Nationalen Entwicklungsplans und Einführung einer Kontrollsubkommission gearbeitet habe. Falls dieses Programm, diese Erklärung und dieses Vorhaben […] sich damit krönt, dass die Wirtschaftspolitik dennoch zur vorherrschenden Politik wird, der die Haushaltspolitik untergeordnet bleibt, dann bedeutet dies einen guten Wandel für die weitere Entwicklung der lettischen Volkswirtschaft. Falls sich nichts ändert und sich die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin dem Budget beugen muss, dann wird die Regierung auch zukünftig mit selbst angelegten Handschellen agieren, mit denen auch die bisherigen liberalen Regierungen seit der lettischen Unabhängigkeit gearbeitet haben. Aus der Regierungserklärung ist eine vielversprechende Wendung von Laimdota Straujumas zweitem Kabinett herausgefallen, nämlich die soziale Ungleichheit und die Einkommensunterschiede zu verringern. Dieser Aspekt ist in dieser Erklärung überhaupt nicht erwähnt. Und das ist kein Zufall. Es ist offensichtlich, dass die vorhergehende Regierung sich überhoben hatte, indem sie versuchte, ein Gewicht zu heben, für das einer rechten Regierung die Kraft fehlt. Offensichtlich beschloss M?ris Ku?inskis nichts zu riskieren, obwohl eine der brennendsten Herausforderungen in der lettischen Gesellschaft die soziale Ungleichheit darstellt, die eine der höchsten in der EU ist. Doch, falls niedrige Marktnachfrage besteht und dies zu einer der Bremsen für die wirtschaftliche Entwicklung in der Gesellschaft werden kann, dann kann dies auch zu einem ernsthaften Hindernis für alle rechten Vorsätze geraten, welche M?ris eingeplant hat.“ Im dritten und letzten Teil erhalten Sie einen Überblick über die Einschätzung politischer Beobachter.
Externer Linkhinweis:
Weitere LP-Artikel zum Thema:
Die Regierung von M?ris Ku?inskis - Teil 1: Regierungserklärung
Briefwechsel zwischen Aleksejs Loskutovs und Solvita ?bolti?a
Lettland hat eine neue Regierung
Atpakaï