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Olegs Burovs zum neuen Rigaer Bürgermeister gewählt
21.08.2019


Auch vier Ausgeschlossene der Saskana-Fraktion unterstützen ihn

Am 19. August 2019 wählte der Rigaer Stadtrat, nach der Saeima das wichtigste Parlament Lettlands, Olegs Burovs, Mitglied der Stadtpartei „Gods kalpot Rigai“ (GKR), zum neuen Ratsvorsitzenden. Er ist bereits das dritte Stadtoberhaupt Rigas in diesem Jahr. Ende Mai war Nils Usakovs zurückgetreten, der ein Jahrzehnt lang die Stadtpolitik geprägt hatte. Nach Vorwürfen, zuwenig gegen Korruption in stadteigenen Institutionen, vor allem dem Verkehrsunternehmen Rigas Satiksme (LP: hier) unternommen zu haben, kündigte Usakovs seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik an und ließ sich als „Saskana“-Spitzenkandidat ins EU-Parlament wählen. Die regierenden Fraktionen „Saskana“ und GKR entschieden sich danach für Dainis Turlais als Bürgermeister, doch vier „Saskana“-Mitglieder weigerten sich, für dessen Stellvertreter zu stimmen und wurden deshalb von ihrer Fraktion ausgeschlossen. Turlais wurde Ende Juni auf Antrag der Opposition abgewählt. Das Ämterkarussell deutet auf schwerwiegende Unstimmigkeiten zwischen und innerhalb der Fraktionen.

Das Rathaus von Riga, Foto: Mettmann - Paša darbs, CC BY 3.0, Saite

Burovs erhielt 35 Stimmen von den Ratsmitgliedern, die sich an der Abstimmung beteiligten, neben den 11 Stimmen der eigenen GKR-Fraktion auch die 17 der „Saskana“ sowie die 4 der von „Saskana“ Ausgeschlossenen (und weitere drei der Splittergruppe „Rigai!“). Viesturs Zeps, Kandidat der oppositionellen „Latvijas attistibai!“ konnte neben acht Stimmen seiner eigenen Fraktion nur die vier der Nationalen Allianz auf sich vereinigen. Oppositionsabgeordnete von „Vienotiba“ und „Jaunas konservativas partija“ hatten vor der Abstimmung den Saal verlassen (lsm.lv). Insgesamt hat der Rigaer Stadtrat 60 Abgeordnetenplätze. Im Gegensatz zur Saeima gelingt es der sozialdemokratischen Saskana, die als Vertreterin der russischstämmigen Minderheit gilt, im Rat mit der GKR eine Koalition zu bilden - in der Saeima wird Saskana", die dort ebenfalls die größte Fraktion stellt, von den rechtsliberalen und nationalkonservativen Parteien in der Opposition isoliert. 

Burovs, der seit 2001 führende Ämter in städtischen Institutionen ausübte, fand nach seiner Wahl versöhnliche Worte. Er wolle keine Wand zur Opposition errichten. Er verstehe sich nicht als Anführer einer Partei, sondern repräsentiere die Stadt und deren Institutionen. In vielen Angelegenheiten wolle er sich neutral verhalten. Als dringendste Aufgaben nannte er die Aufstellung des Budgets für 2020, die Sanierung der maroden Straßen und Brücken, Verkürzung der Wartezeiten auf Kindergartenplätze und die Lösung der Probleme beim defizitären und mit Korruptionsvorwürfen konfrontierten Verkehrsbetrieb Rigas satiksme.

Vor seiner Wahl wurde Burovs von einem Ratsmitglied gefragt, ob er sich wie Usakovs an den umstrittenen 9.-Mai-Feierlichkeiten am sowjetischen Siegesdenkmal beteiligen werde. Burovs ist nicht der Ansicht, dass die Stadt dort offiziell präsent sein sollte und erklärte eine Teilnahme zur Privatsache. Er unterstützt nicht die von lettischer Seite erhobene Forderung, das Denkmal abzureißen (LP: hier), schlägt aber vor, eine Gedenktafel anzubringen, die darüber aufklärt, dass der sowjetische Sieg die Okkupation lettischen Territoriums zur Folge hatte. Burovs nannte seinen Vorvorgänger eine „Ikone“ und einen „Leader“. Sich selbst sieht das neue Stadtoberhaupt als Mitglied eines Teams. Das lässt auf mehr Transparenz hoffen, die in der Ära Usakovs` fehlte. Dafür lieferten die Querelen um Usakovs` kurzfristigen Nachfolger Dainis Turlais noch jüngst ein Beispiel.

Nach den erneuten Korruptionsvorwürfen gegen Rigas satiksme befand sich „Saskana“, die größere der beiden regierenden Fraktionen, in der Defensive. Das nutzte der Koalitionspartner GKR, um nun selbst das Bürgermeisteramt zu fordern. Er ernannte allerdings nicht Usakovs` Stellvertreter Burovs, der bereits kommissarisch regierte, sondern Turlais zum Kandidaten; weshalb die GKR so entschied, blieb der Öffentlichkeit verborgen. Die „Saskana“-Fraktionsspitze um Usakovs akzeptierte diese Bedingung und Turlais, der schon in sowjetischer Zeit als Soldat gedient hatte, in Magdeburg stationiert war und am sowjetischen Krieg gegen Afghanistan beteiligt war (und sich später gegen den Afghanistan-Einsatz der Nato aussprach), wurde am 30. Mai 2019 zum Bürgermeister gewählt.

Vier „Saskana“-Ratsmitglieder zeigten sich unzufrieden und enthielten sich bei der Wahl ihres Parteifreundes Sandris Bergmanis der Stimme, so dass seine Kandidatur zum Vizebürgermeister scheiterte. Gegenüber dem TV-Magazin „De facto“ hatte Bergmanis zuvor ein eigenartiges Demokratieverständnis bekundet: Er sei wie Turlais ehemaliger Soldat. Man müsse im Stadtrat Armeedisziplin einführen: „Aber vielleicht ist das in solch einer Situation erforderlich. Vielleicht gibt es gerade solche Zeiten, in denen Militärs die Dinge zum Guten wenden müssen.“ (lsm.lv)

Die vier Abweichler wurden sogleich von der Fraktion ausgeschlossen, so dass die Stadtregierung ihre Mehrheit verlor. Ivo Leitans versuchte in seinem Artikel vom 2. August 2019, den Hintergründen auf die Spur zu kommen. Er zitierte Usakovs erboste Äußerungen aus einem Interview mit „De facto“: „In nächster Zeit wird es auch einen Beschluss geben, sie aus der Partei auszuschließen, nämlich, Baranniks, Petrovs, Roslikovs und Dubovs. Und in verhältnismäßig kurzer Zeit auch die entsprechenden Maßnahmen des Stadtrats: über ihre Abberufung aus allen Ämtern.“

Der ausgeschlossene Vadims Baranniks begründete seine Wahlenthaltung mit mangelnder Kommunikation innerhalb der „Saskana“-Fraktion: „Es wurde nicht irgendwelche Revolution vorbereitet. Wir wollten einfach gerade im Fraktionsinneren alle Fragen besser besprechen und Beschlüsse fassen, die nachvollziehbar und logisch sind und alle zufriedenstellen.“ Mangelnde Kommunikation dürfte nur ein Teilproblem darstellen. Der Unwille zur Aussprache könnte durch die Verstrickung von Saskana-Politikern in Korruptionsfälle bedingt sein.

Leitans erinnert daran, dass die Antikorruptionsbehörde KNAB gegen Vita Jermolovica (GKR) ermittelt, die auf der gemeinsamen Wahlliste mit Saskana für Usakovs in den Stadtrat nachrückte. Als Leiterin des stadteigenen Tourismusbüros besteht gegen sie der Verdacht, Geld veruntreut zu haben. Gegen ihren damaligen Angestellten Maksims Tolstojs, der nun ebenfalls Ratsmitglied ist und der Saskana-Fraktion angehört, ermitteln die Fahnder in derselben Angelegenheit (LP: hier). Laut KNAB-Auflage dürfen sich beide nicht begegnen, was die Arbeit der Koalition noch weiter erschwert.

Ist Usakovs ein Basta-Bürgermeister gewesen, ein Politiker dergestalt, wie man ihn in Deutschland in der Schröder-Ära erleben musste? Hinsichtlich seines eigenen Wirkens und des Zustandes seiner Partei, deren Vorsitzender er weiterhin ist, zitiert Leitans den neuen EU-Abgeordneten zuversichtlich: Er sei nicht der Ansicht, dass seine Partei zukünftig finanzielle Probleme habe, weil KNAB Geldstrafen auferlegen könne: „Ich plane bestimmt nicht, Spekulationen, Verdachtsfälle und Prozesse zu kommentieren, aber ich bin wieder einmal bestätigt, dass die Partei nirgends Gesetze übertreten hat,“ und: „Wenn ich als Parteivorsitzender behaupte, dass die Partei nirgends Gesetze übertreten hat, dann bezieht sich das auch auf den Vorsitzenden der Partei.“

Übrigens müssen die beiden Ratskatzen Kuzja und Muris das Amtszimmer des Bürgermeisters verlassen, weil Burovs gegen sie allergisch ist. Kuzja und Muris sollen weiterhin Usakovs bespaßen, ob in Straßburg, Brüssel oder bei ihm zuhause in Riga ist allerdings unbekannt.


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