Latviešu Centrs Minsterē

   

In Deutschland, Österreich, der Schweiz: Letten feiern den 90. Jahrestag der Staatsgründung
05.11.2008


Proklamierung der Republik Lettland 18.11.1918
Von dem feierlichen Ereignis am 18. November 1918 ist nur ein einziges Photo erhalten. Die inzwischen legendäre Aufnahme des Lichtbildners Vilis Rīdzenieks zeigt den Innenraum des heutigen Nationaltheaters in Riga, der Hauptstadt Lettlands. Soweit es sich erkennen läßt, stehen auf der Bühne hinter einem Präsidiumstisch und unter der drappierten rot-weiß-roten lettischen Nationalfahne 38 Männer, die Vertreter von acht politischen Parteien in der damals deutsch besetzten Provinz des Zarenreichs, im Prinzip eine Art Vorparlament. Was man auf dem Bild nicht sehen kann: der Veranstaltung vorausgegangen waren nächtelange, teilweise erbitterte und kleinkarierte Verhandlungen. Aber schließlich hatten sich alle Kräfte am Vorabend auf eine gemeinsame Plattform verständigt: territoriale Integrität der historischen Landesteile Vidzeme, Latgale und Kurzeme, kein Anschluß an Deutschland oder einen anderen Staat, Übergang aller staatlicher Gewalt auf eine gewählte Volksvertretung. Die Proklamierung des neuen Staates sollte bereits am nächsten Nachmittag erfolgen. Wie der Historiker Uldis Ģērmanis schreibt, sei dieser 18. November 1918 in Riga "ein kühler und wolkenverhangener Tag" gewesen, doch in die Geschichte des kleinen Ostseestaates sei er mit "unvergänglichem Glanz" eingegangen.

Photo Proklamierung der Republik Lettland am 18. November 1918 in Riga: Vilis Rīdzenieks, aus dem Bestand des Rīgas Vēstures un kuģniecības muzejs. 
 
Da auf dem Photo auch die Menschen im Saal stehen, ist wohl zu vermuten, daß die Aufnahme den Augenblick bei oder unmittelbar nach dieser historischen Erklärung fixiert. So kleinlich man um die Unabhängigkeit Lettlands im Vorfeld gefeilscht hatte, so überschwenglich begrüßte zumindest die Presse das Ereignis am nächsten Morgen: "Die lettischen Landesteile (...) bilden nun ein geeintes Territorium Lettland. Die dort ansässige Nation hat die höchste Form gesellschaftlichen Zusammenlebens begründet, die der kreative Genius der Menschheit bislang erschlossen hat. Der Staat Lettland ist geboren! Vor den Augen der gesamten zivilisierten Welt sind die Nationalfarben Lettlands erhoben worden. Nach einer Nacht unermeßlicher Leiden dämmert für das lettische Volk ein neuer Morgen. Vivat res publica! Es lebe die Republik!", leitartikelte das Blatt Jaunākās ziņas.

Es war eine schwierige Geburt. Da man sich nicht sicher gewesen sei, ob denn die Herren Staatsgründer in der Hymne Lettlands firm seien, habe man dafür einen Chor bereitgestellt, will die Überlieferung wissen. Dafür aber habe das begeisterte Publikum "Dievs, svētī Latviju" ("Gott, segne Lettland") zum Abschluß der Veranstaltung gleich dreimal hintereinander intoniert, schreibt U. Ģērmanis.

Der Rest ist über weite Strecken leidvolle Geschichte. Zusammen mit seinen baltischen Nachbarn Estland und Litauen muß sich Lettland die eigentliche Souveränität in jahrelangen Auseinandersetzungen zunächst einmal erkämpfen (einen filmischen Eindruck davon kann man sich beim Festival des osteuropäischen Films in Cottbus am 12. November machen, s. den entsprechenden Eintrag im Event-Kalender). Auf fast zwei Jahrzehnten staatlicher Unabhängigkeit folgt eine im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt vereinbarte sowjetische Okkupation, die wiederum im II Weltkrieg von einer deutschen Besatzung und der abermaligen Annektion durch die Sowjetunion abgelöst wird. Bis 1991 verschwinden die baltischen Staaten gleichsam von der politischen Landkarte Europas, bis der Zusammenbruch der realen Sozialismus ihnen die Möglichkeit zur Wiederherstellung der staatlichen Souveränität eröffnet. 2004 treten Estland, Lettland und Litauen der EU bei.

Natürlich wird der Geburtstag Lettlands vor allem im Lande selber begangen, doch auch hierzulande erinnern mehrere Veranstaltungen an jenen "kühlen und wolkenverhangenen Tag" vor 90 Jahren in Riga - unter anderem in Basel (18. und 20.11), Berlin (17. und 18.), Gleisdorf (18.11), Hamburg (22.11), Münster (18. und 19.11), Siegburg (18.11) und Zürich (18.11). Die LettInnen feiern, feiern Sie mit, die entsprechenden Hinweise finden Sie im Event-Kalender der Lettischen Presseschau.
 
-OJR-



 
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