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Lettland: Jahresrückblick 2018 - Teil 2: Juli bis Dezember
29.12.2018


Tanzfest im Daugava-Stadion

Abschlussveranstaltung des Tanzfests im Daugava-Stadion. Das Lieder- und Tanzfest gehörte zu den Höhepunkten des 100jährigen Staatsjubiläums, Foto: Peteris Ponnies. Klicken Sie zur Fortsetzung des Jahresrückblicks auf "weiterlesen".

 

Juli

Torfbrand bei Talsi

Torfbrand bei Talsi, Foto: Arturs Andrejs Blomkalns, Valsts policija

In den ersten Juliwochen erreichte das Jubiläumsjahr zur 100jährigen Staatsgründung den ersten Höhepunkt: Die Letten veranstalteten in ihrer Hauptstadt das XXVI. Liederfest und das XVI. Tanzfest. In dieser Woche herrscht im Lande des Gesangs ein Ausnahmezustand der angenehmsten Weise, Auszeit vom Alltag sozusagen. 43.000 Sänger, Musiker, Tänzer und Schauspieler aus dem In- und Ausland beteiligten sich an der aufwändigsten lettischen Kulturveranstaltung, die alle fünf Jahre organisiert wird. Jeden Tag standen auf der großen, gerade renovierten Sängerbühne im Mezapark, im Daugava-Stadion und an verschiedenen Stätten der Innenstadt Musik und Tanz und andere Vergnügungen auf dem Programm. Höhepunkt war das große Abschlusskonzert „Auf dem Weg zu den Sternen“ am 8. Juli. *** Vielleicht wäre der Brand auch ohne Extremsommer ausgebrochen, doch bei dieser Trockenheit entwickelte er sich besonders heftig und hielt die lettische Feuerwehr wochenlang in Atem. Ende Juli fingen ein Wald und ein Torfgebiet bei Talsi Feuer. Die Rauchentwicklung war derart stark, dass seine Schwaden sogar im 100 Kilometer entfernten Saldus bemerkt wurden. Für die Feuerwehrleute ist brennender Torf eine Herausforderung, weil der Brand auch unterhalb der Oberfläche schwelt. Mehr als 1000 Hektar waren betroffen, damit gehörte dieser Brand zu den größten innerhalb der letzten Jahrzehnte.

Lettland: Abschluss des XXVI. Liederfestes und XVI. Tanzfestes im Mezapark

Waldbrand in Lettland: Torfgebiet von Valdgale könnte bis zum Herbst weiter schwelen

 

August

Werner von Sengbusch

Werner von Sengbusch überreicht dem Rigaer Museum für Stadtgeschichte ein Gemälde, Foto: W. v. Sengbusch

Die Afrikanische Schweinepest bleibt weiterhin eine tödliche Gefahr für das Borstenvieh. Am Anfang des Monats erwischte der Virus eine der größten lettischen Schweinefarmen Lettlands, die sich in Saldus befindet. Der staatliche Veterinärarzt ordnete an, alle 15.570 Tiere des Betriebs zu töten. Das war bislang auf lettischem Gebiet die größte Vernichtungsaktion im Zusammenhang mit dieser Seuche, die seit einigen Jahre in Osteuropa grassiert und von Wildschweinen übertragen wird. *** Werner von Sengbusch ist den Freunden des deutsch-lettischen Kulturvereins Domus Rigensis als engagiertes Vorstandsmitglied bekannt. Er übernimmt auch unangenehme ehrenamtliche Tätigkeiten, zum Beispiel die des Kassenwarts. Zudem fördert er gemeinsam mit seiner Familie Kunststudenten mit dem Brederlo-von Sengbusch-Kunstpreis. Für sein umfassendes ehrenamtliches Engagement wurde er in diesem Jahr gleich doppelt geehrt: Mit dem Bundesverdienstkreuz Deutschlands und dem Drei-Sterne-Orden Lettlands. Aus diesem Anlass gab der Architekt der Lettischen Presseschau ein Interview, das offenbarte, dass von Sengbuschs Aktivitäten im Lande seiner Vorfahren nur ein kleiner Teil der Hilfe ist, die er im Laufe seines Lebens anderen zuteil werden ließ.

Lettland: Bislang größter Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest

Architekt Werner von Sengbusch engagiert sich ehrenamtlich in Lettland und Südamerika

 

September

Basilica Minor von Aglona

Die Basilica Minor von Aglona - Zentrum des katholischen Glaubens in Lettland, Foto: Foto: "Aglona basilica". Via Vikip?dija. GFDL with disclaimers, Saite

Auch Papst Franziskus ließ es sich nicht nehmen, den baltischen Republiken anlässlich ihres 100jährigen Bestehens einen Besuch abzustatten. Er nahm im Rigaer Dom an einem ökumenischen Gottesdienst teil, der Hausherr ist dort evangelisch. Nachmittags reiste das Kirchenoberhaupt nach Aglona in Lettgallen weiter, wo die Katholiken in der Mehrheit sind. Hier traf er auf dem Gelände der Basilica Minor mehr als 40.000 Gläubige. Er rief dazu auf, sich im Sinne Marias um die Unterdrückten und Ausgebeuteten zu kümmern. *** Bundeskanzlerin Angela Merkel traf in Vilnius die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite und die Ministerpräsidenten Juri Ratas aus Estland und Maris Kucinskis aus Lettland. Man kann davon ausgehen, dass Treffen mit baltischen Politikern zu den angenehmeren Begegnungen der Kanzlerin zählen, denn hier herrscht im allgemeinen liberalkonservative und transatlantische Gesinnungsfreundschaft. Allerdings trübte der Zwist über die deutsch-russische Ostseepipeline Nordstream 2 etwas die gute Laune. Dagegen einte die Entschlossenheit, Russland zu sanktionieren.

Papst Franziskus sprach in Lettland soziale Themen an

Die Bundeskanzlerin sprach in Vilnius mit Dalia Grybauskaite, Maris Kucinskis und Jüri Ratas

 

Oktober

Lettische Saeima

Die Saeima in Rigas Innenstadt, Foto: LP

Nur knapp 55 Prozent aller Stimmberechtigten beteiligten sich an den diesjährigen Parlamentswahlen. Zählt man jene über 200.000 meist russischsprachigen "Nichtbürger" hinzu, die nicht wählen dürfen, muss man feststellen, dass die Saeima-Abgeordneten nicht die Mehrheit der Einwohner vertreten. Jene, die sich an der Wahl beteiligten, bereiten der bisherigen Regierungskoalition eine schwere Niederlage. Gleich drei neue Parteien gelangen mit mehr als zehn Prozent erstmals ins Parlament. Nun konkurrieren sechs ähnlich große Fraktionen um die Macht und das Amt des Ministerpräsidenten. Einig sind sich die lettisch orientierten Mitte-Rechts-Parteien darin, die größte Fraktion der Partei Saskana, der zu große Russlandnähe vorgeworfen wird, von der Regierungsbildung auszuschließen. Die Koalitionsverhandlungen werden wohl bis ins neue Jahr dauern. *** Das Jubiläumsjahr bietet den Medien Anlass, viele historische Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Manche Journalisten widmen sich auch Themen, die nicht zur Glanzseite der lettischen Republik gehören. Martins Kibilds erläutert lettischen Zuschauern die sogenannte "Umsiedlung" der deutschbaltischen Mitbürger im Jahr 1939. Nationalismus auf beiden Seiten, der die Vorstellung von ethnisch homogenen Nationen beförderte, hatte den Verlust der Heimat ideologisch begründet. Lettische Nationalisten sprachen den Deutschbalten als ehemalige "Kolonisten" eine eigene baltische Identität ab und die "Umsiedler", die jahrhundertelang in der baltischen Region gelebt hatten, rannten an der Seite der Nationalsozialisten ins eigene Verderben. Kibilds stimmt die Geschichte skeptisch und fragt sich, wie es der lettischen Gesellschaft gelingen soll, 600.000 russischstämmige Einwohner zu integrieren, wenn sie damals schon mit 60.000 Deutschbalten überfordert war.

13. Saeima-Wahl: Geringste Wahlbeteiligung seit Bestehen der lettischen Republik

Lettische TV-Sendung über Deutschbalten und deren „Umsiedlung“ 1939

November

Feuerwerk am 18.11.

Feuerwerk am 18.11. in Riga, Foto: LP

"Fachkräftegewinnung aus dem Ausland" gilt in Deutschland als Ausweg, um medizinische Versorgung weiterhin zu gewährleisten. Was dieser Brain Drain in den Herkunftsländern anrichtet, ist in deutschen Medien nur selten Thema. Am 9. November verkündeten Rigas Rettungssanitäter den Ausnahmezustand: Je mehr Mitarbeiter den Dienst quittieren, desto arbeitsintensiver und stressiger werden die Einsätze für die Restbelegschaft. Hinzu kommt die spärliche Bezahlung, die zur Annahme weiterer Jobs zwingt. Der Ausnahmezustand bedeutet zwar für Patienten noch keine Katastrophe - wer sich in Lebensgefahr befindet, darf weiterhin mit mobilem Rettungseinsatz rechnen, aber zur optimalen medizinischen Behandlung gehören optimale Arbeitsbedingungen, davon ist Lettland weit entfernt. Immerhin hat die noch amtierende Regierung Gehaltserhöhungen in Aussicht gestellt, ob sie erfüllt werden, hängt von der zukünftigen ab, die noch nicht zustande gekommen ist. *** Die Jubiläumsfeierlichkeiten der lettischen Republik erreichen an ihrem 100. Geburtstag am 18. November den Höhepunkt. Den ganzen Tag über tummeln sich in der Rigaer Innenstadt, in der die Hauptstraßen für motorisierten Verkehr gesperrt sind, Passanten in Feierlaune. Sie nehmen an einem großen Volksfest teil - mit zahlreichen Veranstaltungen am Daugavaufer, am Nationaldenkmal, in den Konzerthallen und auf den Theaterbühnen. In den Altstadtgassen versammeln sich die Mengen, um an Verkaufsbuden einen Imbiss oder kunsthandwerkliche Habseligkeiten zu ergattern. Den Abschluss bildet ein halbstündiges, mit Musik begleitetes Feuerwerk, das sich in bunten und goldenen Farben in der Daugava spiegelt.

Der medizinische Rettungsdienst in Riga verkündet den Ausnahmezustand

18. November 2018: Die lettische Republik wird 100


Dezember

Gedenkmarke für das Paar Lipke

Lettische Gedenkmarke für das Ehepaar Lipke, die Israel mit dem Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern" auszeichnete, Foto: Latvijas Pasts (Latvian Post) - wnsstamps.ch/en, Neaizsarg?ts darbs, Saite

Lettland reiht sich in die Länder ein, die den UN-Migrationspakt ablehnen. Die Saeima-Parlamentarier stimmen am 6. Dezember mit großer Mehrheit dagegen. Kritiker sind der Ansicht, dass Migration in diesem UN-Text zu positiv dargestellt werde, Befürworter weisen auf die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit hin. Die lettischen Paktgegner stammen aus dem nationalkonservativen Lager, zu denen man nach dieser Debatte neben der Nationalen Allianz und der Union der Grünen und Bauern auch die Neuparteien Jauna Konservativa Partija (Neue Konservative Partei) und Kam pieder valsts? (Wem gehört das Land?) zählen darf. Einige ihrer Abgeordneten reden statt über Migranten lieber im AfD-Stil pauschal über Flüchtlinge. Dennoch werden voraussichtlich die liberaleren lettischen Parteien mit den Nationalkonservativen wieder die Regierung bilden.*** Zuletzt eine gute Nachricht über ein schlimmes Verbrechen der Vergangenheit: Das Gedenken an den Holocaust wird allmählich Teil der lettischen Erinnerungskultur. Ein Film über das Leben Zanis Lipkes, der zusammen mit seiner Frau und einem vertrauenswürdigen Freundeskreis unter Lebensgefahr 55 Juden rettete, entfacht lebhaftes Interesse. Das Zanis-Lipke-Haus auf der Daugava-Insel Kipsala erfreut sich seit der Kinopremiere steigender Besucherzahlen. Der Spielfilm, das Museum und auch das Gedenken an den Rigaer Blutsonntag, als Tausende von Getto-Insassen im Wald erschossen wurden, bieten Anlass, über ein lange verdrängtes schmerzliches Thema zu sprechen. Das macht dem KZ-Überlebenden Margers Vestermanis Hoffnung für die Zukunft seines Landes.

Lettisches Parlament stimmt gegen den UN-Migrationspakt

Lettisches Gedenken an die Holocaust-Zeit




 
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