Lettisches Centrum Münster e.V.

118402

Lettlands neue Covid-19-Welle: Der Ausnahmezustand wird voraussichtlich zum Lockdown verschärft
19.10.2021


Delta verbreitet sich auch durch Geimpfte

Einfahrt zur Rigaer Stradina-Universitätsklinik, Foto: Udo Bongartz

 

Die Delta-Variante des Corona-Virus` erobert das Baltikum überraschend schnell. Bei den Covid-19-Neuerkrankungen rangiert Lettland derzeit weltweit an erster Stelle. So verkündete es das staatliche Zentrum für Krankheitsprophylaxe und -kontrolle (SPKC) am 18. Oktober 2021 (spkc.gov.lv). In der letzten Woche hat sich die Zahl jener, die wegen Covid-19 in die Kliniken gebracht werden mussten, um 56 Prozent erhöht, schwere, intensivmedizinische Fälle um 62,8 Prozent. Täglich ermittelt das SPKC vierstellige Zahlen positiv Getesteter, deutlich mehr als im letzten Winter, dem bisherigen lettischen Höhepunkt der Pandemie-Krise. Die Zahl der Corona-Fälle, die stationär versorgt werden müssen, hat die kritische Grenze von tausend Patienten erreicht. 


Die Klinikärzte stellen auf Notbetrieb um, verschieben Behandlungstermine und lassen provisorisch Räume einrichten, um mehr Covid-19-Kranke behandeln zu können. In Rigas Universitätsklinik Stradina wird sogar das Vestibül umgebaut. Karlis Racens, Leiter der dortigen Covid-19-Abteilung, bekannte gegenüber LSM, dass der “Krieg” begonnen habe und er hoffe auf Verständnis und Toleranz, weil sein Team bald nicht mehr allen werde helfen können (lsm.lv). Auch Impfungen würden nun nicht mehr helfen, weil sich deren Wirkung erst in einigen Monaten zeige. “Die Ärzte raten Geimpften wie Ungeimpften, einfach zusammen mit ihrer Familie zu bleiben und sich nicht wechselseitig zu treffen. Ob jemand geimpft ist, hat keine Bedeutung. In diesem Moment, in dem sich die Krankheit derart rasch verbreitet, verbreitet sie sich auch zwischen Geimpften,” fügte Racens hinzu. 


Regierung und Experten machten die mangelnde Impfbereitschaft in der Bevölkerung für die Delta-Welle verantwortlich. Die lettische Impfquote gehört zu den niedrigsten in der EU. Die Regierung erließ für staatliche Angestellte eine Impfpflicht. Immerhin hat inzwischen sich auch hierzulande etwa die Hälfte der Einwohner die Spritze geben lassen. Das ist im weltweiten Vergleich wiederum viel (zum Vergleich: Madagaskar 0,7 Prozent). Es zeigt sich, dass Impfungen das Risiko, schwer zu erkranken, entscheidend verringern, aber sie hindern die Delta-Variante kaum an der weiteren Verbreitung, so dass im Kontakt mit infizierten Geimpften Ungeimpfte schwer erkranken können  (lsm.lv). Uga Dumpis, Lettlands bekanntester Infektiologe, schließt sich der Einschätzung Racens` an. Die Delta-Variante sei deutlich infektiöser als andere Corona-Viren. Man benötige jetzt nicht mehr wie bislang 15 Minuten, um sich anzustecken. Er sagt voraus, dass in den nächsten Wochen die Zahl der Neuerkrankten stark ansteigen werde; es hänge von den Beschlüssen der Regierung ab, wie lange “wir in diesem Tal hocken”, ob einen Monat oder drei. Dumpis empfiehlt, zwischenmenschliche Kontakte strikt zu verringern.  


Am 18. Oktober 2021 traf sich der Corona-Krisenstab der lettischen Regierung, um Gegenmaßnahmen zu besprechen (lsm.lv). Der vor einer Woche verkündete Ausnahmezustand, der vor allem bezweckt, die Impfquote zu erhöhen, erweist sich bei den alarmierenden Zahlen als unzureichend. Nach mehrstündiger Sitzung verkündeten Ministerpräsident Krisjanis Karins und Gesundheitsminister Daniels Pavluts am späten Abend das Ergebnis: Ein scharfer Lockdown vom 21. Oktober bis zum 15. November, dem das Ministerkabinett am Mittwoch aber noch zustimmen muss. In dieser Zeit ist zwischen 20 und 5 Uhr eine Ausgangssperre vorgesehen. Dann dürfen Lettlands Einwohner die Wohnung nur noch wegen medizinischer Notfälle verlassen oder um zur Arbeit zu fahren. Alle Geschäfte und Dienstleistungsbüros, die keinen lebensnotwendigen Bedarf anbieten, sollen bis Mitte November geschlossen bleiben.  Arbeiter und Angestellte sollen, so weit es möglich ist, im Homeoffice tätig sein. Die Schulferien werden bis zum 29. Oktober verlängert. Schülerinnen und Schüler ab der vierten Klasse lernen bis 15. November zuhause am PC, ebenso Studierende. Außerschulischer Unterricht darf nicht stattfinden. Kindergärten halten nur einen Notbetrieb für Kinder aufrecht, deren Eltern nicht im Homeoffice arbeiten können. Sport- und Kulturveranstaltungen müssen für diesen Zeitraum abgesagt werden; jegliche Art Versammlungen sind untersagt. 

UB 




      zurück