Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Der 15. August, Mariä Himmelfahrt, ist im lettischen Aglona ein besonderer Tag
14.08.2022


Wo die Gottesmutter Maria wie eine Königin verehrt wird

Der Altar mit Marienbild der Basilika Mariä Himmelfahrt von Aglona, Foto: Benio at pl.wikipedia, CC BY 2.5, Link

Für deutsche Katholiken ist Mariä Himmelfahrt eher ein Gedenktag unter ferner liefen. In Italien hingegen bezeichnet der 15. August, der Ferragosto, den Höhepunkt des Sommers. Auch in Lettgallen, im katholischen Zentrum Aglona, ist Marijas debesbrauksana ein besonderer Festtag für Pilger aus nah und fern; denn wo die heilige Jungfrau verehrt wird, bleiben die Wunder nicht aus.


Einige dieser Wunder, die in der Nähe Marias meistens Wunderheilungen bedeuten, schilderte Aleksandra Novicka 1929 in ihrem Buch Aglyuna. E. Kalniss berichtete ihr damals: “Aus vollem Herzen schreibe ich diese Worte. Mein schwerstes Kreuz wurde von mir genommen. Wer hat das getan? Die allerheiligste Jungfrau Maria in der Kirche von Aglona. Dies ist die kurze Geschichte meiner Erkrankung und Genesung. 1924 erkrankte ich am Magen. Mehr als vier Jahre litt ich fürchterliche Schmerzen. Mir gelang es nicht, geeignete Speisen zu finden. Wegen der Krankheit konnte ich mein Brot nicht verdienen - ich ging zu den Ärzten, aber sie konnten nicht helfen. Es fehlte das Geld für eine Behandlung. Als ich erfuhr, dass im letzten Jahr, 1928, zu Pfingsten, eine Pilgerreise von Riga nach Aglona ausgerichtet wurde, wollte ich daran teilnehmen, um von der Jungfrau Maria Gesundheit zu erbitten. Aber meine Mittel waren begrenzt, so dass ich die Reise nicht bezahlen konnte. So blieb ich traurig daheim, allerdings gab ich den Reisenden eine kleine Spende, um sie nach Aglona zu bringen und ich entschloss mich zu beten, um zu versprechen, dass ich im Falle der Gesundung mich gewiss selber nach Aglona begeben werde. Die Pilger mit dem Priester D. Murinieks voran erreichten glücklich den heiligen Ort. Zu meinem Glück vergaßen sie mich auch nicht und erfüllten meinen Wunsch. Nach einigen Wochen spürte ich eine Veränderung meines gesundheitlichen Zustands. Es vergingen kaum zwei Monate und ich fühlte mich vollkommen genesen, ohne irgendwelche Medikamente genommen zu haben. In diesem Sommer war ich zu Pfingsten in Aglona, um mein Versprechen zu erfüllen.” (aglonasbazilika.lv)


Die Webseite, die der Basilika von Aglona gewidmet ist, zählt noch einige weitere Wunderheilungen auf; beispielsweise ein Halbblinder, der nach seiner Pilgerfahrt wieder vollständig sehen konnte oder die Mutter eines Gläubigen, die schwer an Krebs erkrankt war und in Aglona geheilt wurde. Zwar gebe es im Unterschied zu den Wunderheilungen von Lourdes oder Fatima keine ärztlichen Beglaubigungen, doch auch diese Fälle seien glaubhaft.


Schon in zaristischer Zeit war Aglona ein Pilgerzentrum und blieb es unter bolschewistischer Herrschaft trotz Repressionen. Die Gläubigen reisten zu Mariä Himmelfahrt nach Aglona, schliefen unter Bäumen und auf Bänken, um der Heiligen nahe zu sein - genauer: ihrem Porträt mit Jesus auf dem Arm. Dieses bildet über dem Altar das optische Zentrum im Innenraum der Basilika, ist aber die meiste Zeit und größtenteils mit einem Silberrelief verdeckt, das 1875 angefertigt wurde. Nur die Gesichter und Hände sind von Maria und Jesus zu sehen, das übrige Gemälde wird nur an Tagen mit Gottesdienst enthüllt.


Wahrscheinlich brachten Dominikanermönche aus dem litauischen Trakai das Gemälde nach Lettgallen. Es befindet sich spätestens seit 1770 in Aglona, das bekundet eine Inventarliste aus jener Zeit. Der Maler benutzte ein deutlich älteres Vorbild als Muster, das sehr ähnlich ist. Stanislavs Astics, der das im Ikonenstil gearbeitete Kunstwerk in den 90er Jahren restaurierte, bestreitet aber, dass es sich lediglich um eine Kopie handelt. Die Maria von Aglona sei feiner und präziser gemalt als das Vorbild. (lsm.lv)


Ähnlich bedeutend wie das Gemälde ist das Bauwerk, das es beherbergt. Die Kirche von Aglona ist eine der wenigen Basilica Minor außerhalb Roms auf der Welt; ein Titel, den ihr der bekannte Marienverehrer Papst Johannes Paul II. im Jahr 1980 verlieh. Schon Ende des 17. Jahrhunderts war Aglona dem Marienkult gewidmet. 1697 hatte eine örtliche Adelige den Dominikanern von Vilnius ein Grundstück zur Verfügung gestellt, um in Aglona ein Kloster und eine Gemeindeschule zu errichten. Ob die erste Kirche, die aus Holz gefertigt war, tatsächlich abbrannte, ist umstritten. Die prächtige weißfarbene und steinerne Kirche im Stil des italienischen Spätbarocks mit den beiden 60 Meter hohen Türmen wurde nach zwölf Jahren Bauzeit 1780 fertiggestellt. Nach katholischer Lesart entstand die Basilika aufgrund einer Doppelvision von Vater und Tochter: Während der Magd Anna auf dem Friedhof die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind erschien, sah ihr Vater Remigius, der am selben Ort betete, eine weiße Kirche mit zwei Türmen; ob auch spirituelle Getränke im Spiel waren (deshalb die Doppeltürme), ist nicht überliefert.


Das Originalbild in Trakai wurde 1718 vom Bischof von Vilnius gekrönt. Etwas Königinnenhaftes umgibt offenbar auch die Maria von Aglona. Lidija Agloniete, die durch Heirat den passenden Namen erwarb, bevor sie mit ihrem Mann nach Aglona zog, um mit ihm zusammen für die Basilika zu arbeiten, berichtete den LSM-Journalistinnen Tina Sidorovica und Dace Stirane, dass sie Maria nach wie vor wie eine Königin verehrt, die ihr unter anderem bei der Erziehung ihres Sohnes half. Die inzwischen 77jährige hat den Eindruck, dass die heutige Pilgerschar der himmlischen Herrscherin nicht genügend Ehrfurcht entgegenbringt: “Nun, Kleider oder Blusen sind ja noch erträglich, aber wenn man mit zerfetzten Shorts und nacktem Hintern sich auf Pilgerreise begibt... Würde man mit diesem Aussehen auch zum Präsidenten gehen? Aber wir sind hier doch bei der Königin! Und ihr kommt mit diesem Aussehen, um die Königin zu besuchen? Das sprengt jeglichen Rahmen! Beim Präsidenten werdet ihr so nicht eingelassen!”


Udo Bongartz


 




 
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