Gesetzgebernot beim Rauchverbot
18.12.2006
Es scheint, als habe die Rache der nord- und mittelamerikanischen Indianer am weißen Mann einen sehr langen Atem. Das Rauchen verursacht nicht nur allerlei Krankheiten, sondern fördert auch die Streitsucht. In Deutschland reibt sich die Politik daran, wie sie einen Kompromiss zwischen freier Entfaltung der Persönlichkeit und dem Schutz der Nichtraucher finden soll. Das Rauchen in der Öffentlichkeit gilt dabei als der große Zankapfel. Auch in Lettland, wo bereits gesetzliche Einschränkungen für den Raucher seit Juli 2006 in Kraft sind, bereitet die rauchende Unvernunft des Bürgertums der Obrigkeit noch immer Kopfzerbrechen. In Riga ist der Ton jedoch deutlich aggressiver als in Deutschland, wo es beim Streit um den qualmenden Glimmstengel eher akademisch zugeht.
Berliner Verwirrspiel
Erst die Gerichtsschlappe in Luxemburg hinsichtlich des Tabakwerbeverbots, dann ein plötzliches Auflodern der Föderalismusdebatte. Das Rauchen beschäftigt die deutsche Politik mehr denn je. Wo darf geraucht werden, fragte sich die große Koalition und steckte in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe die Köpfe zusammen. Raucher sind auch Wähler und die Tabaksteuer für Berlin eine gern gesehene Einnahmequelle, da kann man sich als Politiker leicht vergaloppieren.
Als Hauptproblem des Rauchverbots entpuppt sich nun die föderalistische Struktur Deutschlands, die ein bundesweites Gesetz zum Rauchverbot in der Öffentlichkeit eigentlich unmöglich macht. Die Gesundheits-Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) sagte unlängst gegenüber dem ZDF: “ Es macht keinen Sinn, jetzt eine Regelung festzulegen, die dann schon im Bundesrat scheitert oder später von Gerichten gekippt wird“. Im Übrigen stehe es den Ländern frei, die bundeseinheitliche Regelung zu verschärfen. Der erste Schritt sei jedenfalls getan: „Worauf sich der Gast einstellen muss, wird künftig schon von außen zu erkennen sein.“ Damit meint Caspers-Merk das Ergebnis der zuständigen Arbeitsgruppe der großen Koalition, die als Richtlinien für ein Rauchverbot in der Öffentlichkeit gelten sollte.
Ergebnis der Arbeitsgruppe
In Deutschland sollte in allen öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln ein Rauchverbot geben, ebenso in Krankenhäusern und Restaurants. Erlaubt ist das Rauchen nur in eigens eingerichteten Raucherräumen, die durch Türen vom Nichtraucherbereich abgetrennt sein müssen. In Schulen soll es überhaupt keine Raucherräume mehr geben. Von den geplanten Verboten ausgenommen sind Bars, Nachtclubs, Kneipen oder Bierzelte. Hier darf man weiterhin seiner Sucht ohne jede Beschränkung frönen. „Dieser Nichtraucherschutz sollte mehrheitsfähig sein.“ sagte die Staatssekretärin Caspers-Merk zum Vorschlag der Arbeitsgruppe.
Ist sie nicht, wie sich jetzt herausgestellt hat. Das Innen- und Justizministerium hat nämlich verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wies darauf hin, dass der Bund zwar für seine eigenen Gebäude und Einrichtungen Maßnahmen erlassen kann, dass er für Schulen und seit der Föderalismusreform auch für Gaststätten überhaupt nicht zuständig ist. Für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach ist der Streit um den Nichtraucherschutz „eine Bankrotterklärung gegenüber der Tabaklobby“ so Lauterbach in der Frankfurter Rundschau. Der deutsche Michel bleibt verwirrt zurück. Was demnächst im Berliner Restaurant völlig normal ist, könnte in einer nordrheinwestfälischen Gaststätte gesetzeswidrig sein. Es bleibt zu fragen, ob der deutsche Föderalismus hier im Sinne seiner Erfinder angewendet wird.
In Lettland sollen Raucher an den Mülleimer
Die lettische Regierung beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Thema und plant eine drastische Eingrenzung für das Rauchen in der Öffentlichkeit wie die LNT Nachrichten am 11. Dezember berichteten. Seit Juli 2006 ist in Lettland das Rauchen am Arbeitsplatz, in Schulen, Kinos, Konzerthallen, Haltestellen, öffentlicher Verkehrsmittel, Sportzentren und in Gesundheitseinrichtungen verboten. In Restaurants, Bars, Cafés und Diskotheken ist nur in abgetrennten und mit speziellen Belüftungsanlagen ausgestatteten Räumen das Rauchen noch erlaubt.
Das geht einigen Politikern nicht weit genug. Eine neue Debatte um das Rauchen in der Öffentlichkeit begann nun mit einem heftigen Vorstoß aus dem lettischen Gesundheitsministerium in Person von Gundars Berzins, seines Zeichens Gesundheitsminister, Ex-Raucher und selbst erklärter Feind des Rauchens: „Wir wollen den Rauchern das Leben unerträglich machen, daher sollten wir ab 2008 auf jedem öffentlichen Platz, auf den Straßen und in allen Kantinen, Cafes und Restaurants das Rauchen gänzlich verbieten.“ Berzins liebäugelt also mit einem absoluten Rauchverbot in der Öffentlichkeit, wie man es weltweit nur in Singapur kennt.
Der lettische Gesundheitsminister erhielt für seinen Maßnahmenkatalog heftig Schelte aus den eigenen Reihen. Absurd und überhaupt nicht durchsetzbar sei dieser Vorschlag. Man würde sich mit so einem Gesetz gar der Lächerlichkeit preisgeben. Kein Mensch in Lettland würde sich daran halten, so die Kabinettskollegen von Berzins. Ministerpräsident Aigars Kalvitis schlug daher sanftere Töne an und forderte eine schrittweise Verschärfung der Gesetze, die der Realität entsprächen. Schließlich käme man mit allgemeinen gültigen Verboten kaum weiter, so Kalvitis in LNT. Laut dem lettischen Gesundheitsministerium sollen In Lettland 47 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen rauchen.
Minister Berzins lässt sich freilich nicht beirren: „Es gibt für Raucher doch nur drei Möglichkeiten: Blutgefäßerkrankung, Lungenkrebs oder Bein ab. Da sollte der Raucher sich schon entscheiden und es lieber lassen, bevor er zusätzlich noch andere gefährdet“. Das Rauchverbot im Freien relativierte Berzins dann auf süffisante Art: „Wenn jemand unbedingt auf der Straße rauchen will, soll er das gefälligst am Mülleimer tun. Da stinkt es sowieso.“
-JvR-
zurück