Joachim Gaucks letzter offizieller Besuch galt Lettland
16.02.2017
Einigkeit zwischen dem deutschen und den baltischen Präsidenten
Gaucks lettischer Amtskollege Raimonds V?jonis empfing ihn am 9.2.2017 in seinem Amtssitz, der frisch renovierten Rigaer Burg. Dort fanden sich zudem die beiden Staatspräsidentinnen der Nachbarländer ein, die Litauerin Dalia Grybauskait? und die Estin Kersti Kaljulaid. Die Runde der Staatsoberhäupter besprach die weltpolitische Lage. Am Nachmittag widmete sich der ehemalige evangelisch-lutherische Pastor aus Rostock dem Lutherjahr. Riga war eine der ersten Städte, die reformiert wurden. Andreas Knöpken, ein Anhänger Luthers, predigte in der Rigaer Petrikirche bereits 1522 im protestantischen Sinne. Am Nachmittag besuchte Gauck diese Kirche und nahm an der Umbenennung ihres Vorplatzes in „Reformationsplatz“ teil. Der Fall eines Lüsters aus der Decke der Rigaer Ordensburg sorgte für weiteres Aufsehen.
Gauck und V?jonis vor der Petrikirche in Riga, Foto: Toms Kalni?š, Latvijas Valsts prezidenta kanceleja
Einigkeit gegen Russland
In der Runde dieser Staatsoberhäupter traf Gauck auf Gleichgesinnte. Die baltischen Mitte-Rechts-Politiker teilen seine Skepsis gegenüber Wladimir Putins Politik, gegen die Besetzung der Krim, gegen die russische Militärhilfe für ostukrainische Rebellen. Seine Reden über „Freiheit“ und „Verantwortung“ kommen hier an. Der Ostdeutsche begründet seine Zuneigung zu den baltischen Republiken mit ähnlichen Erfahrungen: Er könne die Sorgen der baltischen Länder um ihre Sicherheit sehr gut nachvollziehen. Er habe eine enge Bindung an die mittelosteuropäische Region. Seine Vergangenheit beschrieb er als vergleichbar, denn er sei im Kommunismus aufgewachsen. Daher liegen ihm die Probleme und Sorgen dieses Teils Europas besonders nahe am Herzen – so zitiert ihn lsm.lv. Die russischsprachigen Minderheiten in den baltischen Ländern betrachten Gauck und seine Kollegen als Objekte russischer Desinformationskampagnen. Diese verstehen sie als Teil eines von Putin veranstalteten Hybridkrieges. Um diesem zu begegnen forderte die Runde in der Rigaer Burg europäische Solidarität ein. Dabei ist gerade das Verhältnis bzw. Nichtverhältnis zu Russland einer der großen Zankäpfel in der zerstrittenen EU. Zeit.de zitiert Gauck mit der Forderung, dass Deutschland in der baltischen Region mehr Verantwortung übernehmen solle, „auch mit verteidigungspolitischen Maßnahmen“. Sicherheit bedeutet für ihn und seine baltischen Gesprächspartner militärische Abschreckung. Bei seinem Antrittsbesuch bei der Bundeswehr im Jahre 2012 kritisierte der Bundespräsident die „glückssüchtige Gesellschaft“, die schwer ertrage, „dass es wieder deutsche Gefallene gibt.“ (bundespraesident.de) Raimonds V?jonis forderte in diesem Zusammenhang die Erfüllung der Nato-Beschlüsse (president.lv). Dazu gehört die Verpflichtung, mindestens zwei Prozent des BIP für Militärisches auszugeben. Estland hat diese Marke bereits übertroffen, Litauen und Lettland folgen mit rasch ansteigenden Militäretats. In dieser Hinsicht erfüllen die baltischen Regierungen Donald Trumps (derzeitige) Erwartungen.
Die zehn Staaten mit den weltweit höchsten Militärausgaben im Jahr 2015, in Milliarden US-Dollar
Martin Luther verbindet
Nachmittags besuchten Gauck und V?jonis die Petrikirche, in der in Riga die Reformation begann. Der lettische Staatspräsident äußerte die Hoffnung, dass das Lutherjahr neue Möglichkeiten zur deutsch-lettischen Zusammenarbeit für Kultur und Wissenschaft bietet (president.lv). Die beiden Politiker beteiligten sich an der feierlichen Umbenennung des Vorplatzes der Petrikirche in „Reformationsplatz“ und an der Enthüllung einer Gedenktafel zur Erinnerung an Luthers Veröffentlichung der 95 Thesen vor 500 Jahren. Für seinen deutschen Kollegen hatte V?jonis noch ein Geschenk dabei: Die digitale Kopie eines Lutherbriefs, den der Kirchenrebell einst an die Stadt Riga und Livland geschickt hatte. Dieses Schreiben sei eine unikale Hinterlassenschaft und ein bedeutender Nachweis für Luthers persönliche Beziehung zur Reformation im Baltikum. Während Gaucks Visite fiel ein Lüster aus der Foyerdecke der Rigaer Burg. Arnis Blodons, Vertreter der staatlichen Immobilienverwaltung, äußerte sich dazu im Lettischen Radio. Niemand sei verletzt worden. Der Vorfall habe sich nicht auf das Tagesprogramm des Präsidenten ausgewirkt. Wahrscheinlich sei ein Wasserschaden die Ursache, der sich vier Wochen zuvor im Weißen Saal ereignet hatte. Die Rittermönche des Schwertbrüderordens bauten diese Burg im 13. Jahrhundert. Heute hat hier der lettische Staatspräsident seinen Sitz. Allerdings musste er in der Zeit von 2012 bis 2015 ins Schwarzhäupterhaus umziehen, weil die Burg umfassend saniert werden musste. Ein beträchtlicher Brandschaden verzögerte im Jahr 2013 die Bauarbeiten. (lsm.lv)
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