Lettisches Centrum Münster e.V.

   
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Corona-Krise: Lettische Regierung verhängt wegen steigender Infektionszahlen erneut den Ausnahmezustand - Experte fordert drastische Senkung der Neuinfektionen
09.11.2020


Bislang schien Lettland zu jenen Ländern zu gehören, die die Covid-19-Pandemie recht gut bewältigen. Im Frühjahr lagen die täglich ermittelten Infektionszahlen im ein- bis zweistelligen Bereich und sie verringerten sich im Sommer auf wenige Fälle, nur der Vatikan stand besser da. Die Masken verschwanden nach dem ersten Lockdown wieder. Im Land ging es relativ locker zu, weil die lettische Regierung sich an scharfen Grenzwerten orientierte, die die Einreise aus Krisenregionen erschwerte. Wer aus einem Land kam, das 16 oder mehr ermittelte Neuinfizierte auf 100.000 Einwohner innerhalb von zwei Wochen aufwies, musste sich in Selbstisolation begeben. Das schreckte natürlich die meisten Touristen ab. Inzwischen ist außer dem Vatikan, der aber keinen Flughafen hat, um einen Direktflug nach Riga zu buchen, ganz Europa Risikogebiet und deshalb muss nun jeder Einreisende sich erst einmal für zehn Tage einsperren. Dennoch erhöht sich in diesem Herbst auch in Lettland die Zahl der Neuinfektionen fortwährend, in letzter Zeit ist sie von Tag zu Tag dreistellig. Am Freitag erreichte die Zahl gemessener Neuinfizierter den bisherigen Rekordwert von 404 Fällen, d.h. 6,1 Prozent der Getesteten waren positiv; bei mehr als drei Prozent befürchten die Experten eine weitere Ausbreitung der Seuche. Die lettische Regierung reagierte in der letzten Woche und verhängte erneut den Ausnahmezustand, nachdem sie schon im Oktober Mund- und Nasenschutz in Bussen, Bahnen und Geschäften wieder zur Pflicht gemacht und die Teilnehmerzahl an Veranstaltungen begrenzt hatte. Ministerpräsident Krisjanis Karins begründet den wiederholten Lockdown mit dem Anliegen der Regierung, dass ihr die Gesundheit und das Leben jedes Menschen wichtig sei. Hier ein Überblick über die wichtigsten Regeln im neuen Corona-Ausnahmezustand. Juris Puce, Foto: CC BY-SA 2.0, Link

 

  • Wer gegen die Verordnungen des Ausnahmezustands verstößt, muss mit bis zu 2000 Euro Geldbuße rechnen. (lsm.lv)

 

Kulturstätten

  • Veranstaltungen wie Konzerte und Theater sind verboten.

  • Kulturstätten wie Museen, Bibliotheken, Ausstellungssäle und Kulturzentren dürfen nur von Einzelpersonen oder von Angehörigen eines Haushalts aufgesucht werden. Veranstaltungen dürfen nicht stattfinden.

  • Nicht mehr als der Hälfte der gesetzlich für diese Kulturstätten zugelassene Besucherzahl darf Einlass gewährt werden. Jedem Besucher müssen mindestens zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen. Die Veranstalter müssen die Kunden über diese Beschränkungen informieren.

  • Bei privaten Treffen dürfen nicht mehr als zehn Personen anwesend sein und sie dürfen maximal aus zwei verschiedenen Haushalten stammen.

  • Vergnügungs- und Erholungszentren wie Discotheken, Bars, Spielhallen, Eislaufbahnen, Schwimm- und Spaßbäder, Saunen und weitere Stätten sind geschlossen. Wald- und Naturpfade bleiben für die individuelle Erholung geöffnet.

 

Sport

  • Sportveranstaltungen wie Wettbewerbe, Vorführungen, Shows sind untersagt.

  • Erwachsene Sportlerinnen und Sportler dürfen an internationalen Spielen und Wettkämpfen teilnehmen, wenn die Veranstaltungen ohne Zuschauer stattfinden.

  • Training und sportliche Unterweisungen dürfen im Freien stattfinden, wenn eine Gruppe, ungeachtet des Personals, nicht mehr als zehn Teilnehmer hat. Umkleidekabinen dürfen nicht benutzt werden. Falls das Gelände groß genug ist, dürfen mehrere Grupen mit jeweils zehn Personen trainieren.

  • In geschlossenen Räumen darf ein Trainer mit Einzelpersonen oder mit Personen üben, die aus einem gemeinsamen Haushalt stammen; die Zwei-Meter-Distanz zwischen Personen muss beachtet werden und jedem Teilnehmer müssen mindestens zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen.

  • Profi-Sportler dürfen weiterhin uneingeschränkt trainieren.

  • Sportstätten müssen um 22 Uhr schließen.


Gaststätten, Restaurants, Kantinen, Imbissstätten

  • Zubereitete Speisen dürfen nur noch zur Mitnahme verkauft werden, ausgenommen sind Bildungs- und Arbeitsstätten sowie Rigas Flughafen, wo die Geschäftsinhaber folgendes gewährleisten müssen: Angestellte und Kunden sollen Mundschutz tragen, zwei Meter Abstand zwischen den Tischen halten, falls zwischen ihnen keine Trennwand montiert ist; an einem Tisch dürfen nicht mehr als zwei Personen sitzen, falls sie nicht aus einem Haushalt stammen; für alle Kunden muss es Sitzplätze geben; jedem Besucher müssen Geschirr und Besteck individuell ausgehändigt werden; nach jedem Essen müssen die Tische desinfiziert werden. An der Kasse und am Eingang muss der Betreiber über die Beschränkungen auf Lettisch und in einer Fremdsprache informieren.


Zugang zu Behörden und Geschäften, Arbeitszeiten

  • Staatliche und kommunale Ämter leisten ihre Dienste via Internet oder nach Terminvereinbarung.  

  • Schönheitssalons, Piercing- und Tattoo-Studios müssen geschlossen bleiben.

  • Frisörsalons dürfen weiterhin öffnen, wenn mit den Kunden Termine vereinbart und im Salon zwei Meter Distanz eingehalten werden kann.

  • In Handelszentren ab 10.000 Quadratmetern oder mit mindestens 10 Angestellten dürfen an Sonn- und Feiertagen nur folgende Geschäfte öffnen: Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Optiker-Fachhandlungen, Geschäfte für Tiernahrung, Läden für Bücher und Zeitschriften, für Hygienebedarf und Haushaltswaren, für Telekommunikation; Warenlieferungen, die über das Internet bestellt wurden. Jedem Kunden müssen zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen. Die Maske muss nicht nur in den geschlossenen Räumen der Handelszentren, sondern auf dem gesamten Gelände getragen werden.  

  • Kulturveranstaltungen, Gottesdienste, Ausstellungen dürfen nur zwischen 6 und 20 Uhr stattfinden.

 

Bildungsstätten

  • Für die erste bis sechste Klasse wird weiterhin Präsenzunterricht angeboten. Vorschulen, spezielle Bildungsstätten und Kindergärten bleiben geöffnet.

  • Für die siebte bis zwölfte Klasse, Studierenden und für beruflich Aus- und Fortzubildende erfolgt der Unterricht via Internet, abgesehen von Praktika. Sonderpädagogische Einrichtungen und die Erziehungsanstalt “Naukseni” bieten weiterhin Präsenzunterricht an. Hochschulunterricht erfolgt bis 31. Dezember im Fernunterricht.

  • Veranstaltungen zur Allgemeinbildung finden bis 6. Dezember im Fernunterricht statt. In geschlossenen Räumen sind Lehrveranstaltungen nur für Einzelpersonen oder für Personen gestattet, die aus einem Haushalt kommen bzw. für bestehende Gruppen und Klassen einer Bildungsstätte. Probetreffen von Chören und Blasorchestern sind nicht erlaubt. Amateurmusiker (Chöre, Orchster, Volksmusik-Ensemble) dürfen bis 9. Dezember sich nicht für Proben treffen.

  • Ab dem 13. Lebensjahr müssen Schüler, Studierende und Auszubildende in den Gemeinschaftsräumen der Bildungsstätten Masken tragen und an Orten, wo mehrere Kindergruppen zusammenkommen bzw. wo sich Kinder und Lehrer begegnen.

 

Unternehmer müssen Beschäftigten Möglichkeit zum Homeoffice gewährleisten

  • Falls die Arbeit vollständig via Internet von zuhause aus bewerkstelligt werden kann, muss der Unternehmer den Beschäftigten Homeoffice ermöglichen.

  • Jenen Beschäftigten, die weiterhin im Betrieb arbeiten, muss der Unternehmer die entsprechenden Schutzmittel bereitstellen.

  • Der Unternehmer muss eine Person bestimmen, die für die Durchführung von Corona-Schutzmaßnahmen verantwortlich ist. Die Belegschaft muss über die Schutzmaßnahmen informiert werden.

 

Soziale Dienstleistungen

  • Soziale Pflegeeinrichtungen und Rehabilitationszentren dürfen weiterhin Menschen aufnehmen, wenn sie alle notwendigen Vorkehrungen treffen und die Sicherheit gewährleisten.

  • Solche Einrichtungen dürfen ihre Dienstleistungen verringern, wenn wegen objektiver Umstände die gesundheitliche Sicherheit nicht gewährleistet werden kann.

  • Häusliche Pflege und ambulante Betreuung sind weiterhin möglich, sofern die Pandemie-Beschränkungen und Schutzbestimmungen beachtet werden. Soziale Betreuung darf weiterhin geleistet werden, wenn die Betroffenen negativ getestet wurden.

Nicht alle sind mit den neuen Regeln einverstanden, in der Regierungskoalition aus fünf Parteien gibt es Meinungsverschiedenheiten; darüber wird noch zu berichten sein. Uga Dumpis, Infektiologe im Dienst des Gesundheitsministeriums, macht wenig Hoffnung, dass die Regierung den Ausnahmezustand bald wieder aufheben könnte (nra.lv). Ziel sei es, die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb der letzten zwei Wochen auf weniger als 50 zu verringern. Letzten Freitag habe dieser Wert aber die Rekordzahl von164,6 erreicht. Er rechnet damit, dass die Werte in den nächsten Tagen noch ansteigen könnten. Die größte Sorge bereite ihm die Virusverbreitung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.

 UB



 
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