Film-Dokumentation: Weihnachten in Lettland
27.12.2020
Zwischen Dämonen und dem Christuskind
Die TV-Dokumentation von Tom Kühne gibt einen Einblick in lettische Weihnachtstraditionen zwischen Riga und der ostlettischen Provinz, wo fernab des geschäftlichen Treibens das Feiern noch besonders besinnlich erscheint.Foto: Iknowthegoods at angïu Vikipçdija, CC BY-SA 3.0, Saite
Kühnes halbstündiger Film aus dem Jahr 2015 wurde gerade auf 3sat wiederholt und ist noch im Internet zu sehen (youtube.com). Er berichtet vom jungen Geologen Steffen aus Zwickau, der in Lettland Ruta, seine große Liebe gefunden hat. “Was sie begonnen haben, ist ein Abenteuer,” lautet der Kommentar. Die beiden haben einen kleinen Bauernhof auf einer ehemaligen Kolchose bezogen und eine Ziegenzucht begonnen. Die 130 Tiere liefern die Milch für den Käse, den das Paar im 150 Kilometer entfernten Zentralmarkt Rigas verkauft. Die Ziegen scheinen ein idyllisches Leben zu führen, hinter dem Holzgitter hören sie geduldig den Cello-Übungen von Rutas Sohn zu.
Auf dem Rigaer Zentralmarkt treffen sich Letten und Russen. Das TV-Team stellt eine russische Familie aus Jekabpils vor, die an ihrem Stand in der Markthalle Gänse- und Schweinebraten verkauft. Für sie ist der 24. ein arbeits- und umsatzreicher Tag; nach gregorianischem Kalender findet für Christen russisch-orthodoxer Konfession das Weihnachtsfest erst am 6. Januar statt. Der Film aus der Vor-Corona-Zeit berichtet, dass zu den Festtagen täglich 150.000 Kunden die fünf Markthallen aufsuchen. Wenn die lettischen Protestanten feiern, herrscht für die orthodoxen Gläubigen noch Fastenzeit, in der kein Fleisch gegessen werden darf.
Ruta schätzt die heidnischen Traditionen Lettlands, die sich mit den christlichen Ritualen vermischt haben. Weihnachten ist die Zeit der Wintersonnenwende. Einige Landsleute verkleiden sich in Tierkostümen, die am Stadtrand von Riga einen großen Holzklotz durch den Schnee ziehen. Er soll die bösen Geister aufnehmen. Zuletzt wird der Klotz samt aller Sünden verbrannt. Im Land der Lieder finden sich auch zu dieser Gelegenheit die passenden Dainas, die alle mitsingen. Der Film kommentiert die Gesänge als “Quelle der Lebenskraft”.
Zurück irgendwo im Osten Lettlands – der Film verrät den Ort nicht – widmet sich die junge Familie zwischen den täglichen Hofarbeiten den Weihnachtsvorbereitungen. Der Zuschauer erfährt, dass jeder Haushalt in Lettland das Recht habe, sich im Staatsforst einen Tannenbaum zu schlagen: “Jeder darf sich einen Baum mopsen.” Zuhause wird er mit traditionellen lettischen Holzornamenten verziert.
Zum Festessen an Heiligabend hat das Paar die Nachbarn eingeladen, die halfen, die maroden Gebäude des Hofs wieder bewohnbar zu machen. Ihnen werden neun Gerichte serviert, denn die Zahl Neun soll Glück für das nächste Jahr bringen. Zu den Speisen gehören die Früchte aus dem eigenen Garten: Rote Beete, Pilze, eingelgte Kürbisse, Tomaten in Gelee und Bohnen, die aufgegessen werden müssen, damit im nächsten Jahr niemand Kummer zu leiden hat.
Auch ein leibhaftiger Weihnachtsmann schaut vorbei und lässt gnädig die Rute beiseite. Die Bescherung ist für lettische Kinder eine besondere Geduldsübung: Denn zu jedem Geschenk muss ein Lied gesungen werden.
UB
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