Umgekippte KGB-Säcke
25.11.2006
Mag sein, dass es niemand interessiert, wenn in China ein Sack Reis umfällt, geschieht dies jedoch in Lettland und handelt es sich bei dem Fallgut um einen dieser ominösen „KGB Säcke“ sieht das freilich anders aus: „Lettlands Präsidentin gesteht Kontakte mit dem sowjetischen Geheimdienst KGB.“ hieß es am 20. November bei der staatstreuen russischen Online Nachrichtenagentur RIA Novosti. Ist Frau Vaira Vike-Freiberga etwa eine ehemalige KGB Agentin, wie es diese Meldung durch ihre Wortwahl suggerieren möchte?
Als KGB-Sack bezeichnet man in Lettland die geheimen Akten oder Listen von ehemaligen KGB Mitarbeitern, die ihre lettischen Landsleute im In- und Ausland, also auch die so genannten Exil-Letten bespitzelten. Der Maler und Dramaturge Raimonds Staprans kippte seinen eigenen KGB Sack mehr oder minder unbeholfen um. Unbeholfen deshalb, weil dieser einen vermeintlich anderen Sack traf, eben jenen der lettischen Präsidentin, Vaira Vike-Freiberga.
Der Künstler und langjähriger Exil-Lette sagte gegenüber Gints Grube vom lettischen Magazin Riga Laiks (Rigas Zeit) zum Thema „KGB Säcke“: „Ich bin sicher in einen dieser Säcke. Ich verstand mich als Dienstboten, wusste aber, dass sie mich als unbrauchbar einstuften. Ich habe das nicht überprüft, aber wenn man die Säcke öffnen würde, wäre ich sicher da drin. In der einen oder anderen Weise. So wie unsere Präsidentin da drin wäre.“
Als die Katze dann aus dem Sack war, versuchte sich Staprans in Anbetracht des nationalen Presseechos um Schadensbegrenzung:„Ich halte die Frau Präsidentin nicht für eine KGB-Agentin. Ich habe das auch gar nicht gesagt. Ich weiß es nicht. Vike-Freiberga ist ein Gewinn für die lettische Geschichte und es ist unakzeptabel wenn jemand das anzweifelt indem er meine Aussagen dazu benutzt“, zitiert die LETA den Künstler.
Zu spät, Lettlands First Lady musste und wollte sich erklären und tat dies auch in der Fernsehsendung „De Facto“. Ja, sie habe Kontakt zum sowjetischen Geheimdienst gehabt. „Unter den Personen, die uns im Exil besuchten, waren KGB Agenten.“ Wenig überraschend für den objektiven Beobachter. Wer sonst kam zur Zeit der Sowjetunion in den Genuss Auslandsreisen nach Westeuropa oder gar Übersee zu tätigen. Freiberga sagte dazu: “Grundsätzlich gab es bei uns Exil-Letten zwei Meinungsgruppen. Eine vertrat die Auffassung, dass man jeglichen Kontakt mit Letten aus der Sowjetunion meiden sollte, weil sie alle KGB Agenten seien, die andere Gruppe vertrat die Meinung, dass man zwar äußerst vorsichtig sein sollte aber mit ihnen den Kontakt halten müsse, um herauszufinden, was eigentlich hinter dem eisernen Vorhang geschieht. Auch ich war dieser Meinung.“
Vaira Vīķe-Freiberga verließ 1944 mit ihrer Familie Lettland als Kriegsflüchtlinge. Sie studierte in Toronto und promovierte 1965 im Fach Psychologie an der McGill Universität. Bis 1998 hatte sie an der Universität von Montreal einen Lehrstuhl inne, bis sie im selben Jahr nach Lettland zurückkehrte und die Leitung des Lettland-Instituts übernahm. 1999 wurde sie als Nachfolgerin von Guntis Ulmanis zur Präsidentin der Republik Lettland gewählt.
Auf die Frage des TV-Moderators, warum nach ihrer Meinung diese ominösen KGB-Säcke nicht publiziert werden sollten, erklärte Freiberga: „Nur ein kleiner Teil der in diesen Akten enthaltenen Namen sind wirklich KGB Agenten. Eine Veröffentlichung dieser Namen ist daher weder moralisch noch juristisch vertretbar.“
Die Pressesäkreterin der Präsidentin Aiva Rozenberga erklärte zudem gegenüber der LETA, dass Freiberga sich in keiner KGB Liste finden ließe. Auch bestünde diese Möglichkeit nicht, da man Freiberga vor ihrer Ernennung sehr sorgfältig überprüft hätte. Rozenberga erinnerte zudem daran, dass die lettische Staatspräsidentin auch zu sensiblen NATO Informationen mit hoher Geheimnisstufe Zugang habe. Man kann also davon ausgehen, dass auch anderer Stellen die Präsidentin mehr als sorgsam überprüft hätten, so Rozenberga.
-JvR-
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