Nachricht des Tages I (9.2.07): Saeima billigt Vollmacht für Grenzvertrag mit Rußland
09.02.2007
Bei deutlichen Minusgraden, aber mit nackter Heldenbrust, als gelte es, gegen unverbesserliche Pelzträger zu demonstrieren, versuchte ein Häuflein Unentwegter am 8. Februar in Riga die lettischen Volksvertreter im allerletzten Augenblick dazu bewegen, nicht auf den Kreis Abrene zu verzichten. Es half aber nichts. Mit den vorhersehbaren Nein-Stimmen hat die Saeima, das Parlament der kleinen Ostseerepublik, die Regierung von Ministerpräsident Aigars Kalvitis per Gesetz bevollmächtigt, mit dem mächtigen russischen Nachbarn den seit 1997 auf Eis gelegten Grenzvertrag zu schließen. Der Preis dafür: keine territorialen Ansprüche wegen Abrene; den 85 km langen und 15 km langen Landstrich hatte sich die damalige Sowjetunion 1944 einverleibt (s. auch weiter unten die Nachricht des Tages für den 2.2.07 "Saeima berät Grenzvertrag mit Rußland" sowie den Artikel "Ende des Grenzstreits in Sicht").
Für die Vorlage sprach sich eine komfortable Mehrheit aus, nämlich 69 der 100 Abgeordneten. Inzwischen wird hinter den Kulissen an der Lösung für ein kleines verbliebenes Problem gearbeitet. 2005 hatte sich nämlich die damalige Regierung selbst die Hände gebunden, als sie ohne Vorankündigung und Abstimmung die Unterzeichung des Vetrages mit einer einseitigen Deklaration verknüpfte. Diese bezog sich wiederum auf den Friedensvertrag von Tartu (dtsch.: Dorpat), in dem Rußland 1920 "für alle Zeiten" die Unveränderbarkeit der Grenzen zusicherte.
Den damit verbundenen territorialen Anspruch hörte man in Moskau nun aber nicht mehr so gerne, und so verschwand der Grenzvertrag zunächst in der politischen Versenkung. Aber für die lettische Seite galt das damals formulierte Mandat samt Deklaration weiterhin. In der streng geheimen Abteilung für juristische Winkelzüge in Riga scheint man nun an einem Ausweg zu basteln, über den sich derzeit niemand vor Mikrofonen äußern mag. Aber die Grundlinie könnte in etwa so aussehen: nach Inkrafttreten des Gesetzes muß das Kabinett noch per Beschluß festlegen, wer eigentlich den Vertrag für die Baltenrepublik unterzeichnen darf. In diesen Akt, so die Überlegungen, könnte man auch einen Punkt hineinbasteln, der das bewußte Mandat aufhebt - womit dann auch die Deklaration vom Tisch wäre.
Ansonsten hat Lettlands Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga bereits vorab erklärt, sie werde das Gesetz so schnell wie irgend möglich unterzeichnen, der früheste Termin dafür wäre der 19. Februar. Damit tritt das Gesetz binnen zwei Wochen in Kraft und wird in den ersten Märztagen offiziell veröffentlicht. Danach muß die Regierung noch den eben erwähnten Beschluß zur Unterzeichnung des Vertrages fassen.
Aus inoffiziellen diplomatischen Quellen verlautet allderweil, der Schlußstrich unter die Grenzquerelen könnte in Moskau gezogen werden, als Unterzeichner käme auf russischer Seite Premierminister Michail Fradkow in Frage.
Da die nackten Männerbrüste den "Ausverkauf von Abrene" offenbar hatten nicht verhindern können, hat die oppositionelle Partei Jaunais laiks (Neues Zeitalter) inzwischen allerdings angekündigt, den Grenzvertrag durch das Verfassungsgericht in Riga prüfen zu lassen. Über die Erfolgsaussichten kann nur spekuliert werden.
Für die meisten Letten dürfte jedoch vor einer Woche der Abgeordnete Vents Armands Krauklis von der mitregierenden Tautas partija (Volkspartei) aus der Seele gesprochen zu haben: "Stellen wir uns die Situation vor, daß in der Nachbarschaft ein Fuchs zuhause ist, und daß der Bär eine Falle aufgestellt hat, und daß der Fuchs in diese Falle geraten ist und lange Zeit darin gefangen war. Um seine Freiheit zu erlangen, hat der Fuchs schließlich einen Teil seiner Pfote weggenagt. Und ist nun ist er frei und kann gehen, wohin er will. Natürlich humpelt er, aber er ist frei! Und wollen wir jetzt tatsächlich vom Bären diese abgenagte Pfote zurückverlangen, die längst zu etwas anderem verarbeitet worden ist?" (Neatkariga rita avize, 2. Februar; Neue Zürcher Zeitung und Diena, 9. Februar).
-OJR-
Den damit verbundenen territorialen Anspruch hörte man in Moskau nun aber nicht mehr so gerne, und so verschwand der Grenzvertrag zunächst in der politischen Versenkung. Aber für die lettische Seite galt das damals formulierte Mandat samt Deklaration weiterhin. In der streng geheimen Abteilung für juristische Winkelzüge in Riga scheint man nun an einem Ausweg zu basteln, über den sich derzeit niemand vor Mikrofonen äußern mag. Aber die Grundlinie könnte in etwa so aussehen: nach Inkrafttreten des Gesetzes muß das Kabinett noch per Beschluß festlegen, wer eigentlich den Vertrag für die Baltenrepublik unterzeichnen darf. In diesen Akt, so die Überlegungen, könnte man auch einen Punkt hineinbasteln, der das bewußte Mandat aufhebt - womit dann auch die Deklaration vom Tisch wäre.
Ansonsten hat Lettlands Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga bereits vorab erklärt, sie werde das Gesetz so schnell wie irgend möglich unterzeichnen, der früheste Termin dafür wäre der 19. Februar. Damit tritt das Gesetz binnen zwei Wochen in Kraft und wird in den ersten Märztagen offiziell veröffentlicht. Danach muß die Regierung noch den eben erwähnten Beschluß zur Unterzeichnung des Vertrages fassen.
Aus inoffiziellen diplomatischen Quellen verlautet allderweil, der Schlußstrich unter die Grenzquerelen könnte in Moskau gezogen werden, als Unterzeichner käme auf russischer Seite Premierminister Michail Fradkow in Frage.
Da die nackten Männerbrüste den "Ausverkauf von Abrene" offenbar hatten nicht verhindern können, hat die oppositionelle Partei Jaunais laiks (Neues Zeitalter) inzwischen allerdings angekündigt, den Grenzvertrag durch das Verfassungsgericht in Riga prüfen zu lassen. Über die Erfolgsaussichten kann nur spekuliert werden.
Für die meisten Letten dürfte jedoch vor einer Woche der Abgeordnete Vents Armands Krauklis von der mitregierenden Tautas partija (Volkspartei) aus der Seele gesprochen zu haben: "Stellen wir uns die Situation vor, daß in der Nachbarschaft ein Fuchs zuhause ist, und daß der Bär eine Falle aufgestellt hat, und daß der Fuchs in diese Falle geraten ist und lange Zeit darin gefangen war. Um seine Freiheit zu erlangen, hat der Fuchs schließlich einen Teil seiner Pfote weggenagt. Und ist nun ist er frei und kann gehen, wohin er will. Natürlich humpelt er, aber er ist frei! Und wollen wir jetzt tatsächlich vom Bären diese abgenagte Pfote zurückverlangen, die längst zu etwas anderem verarbeitet worden ist?" (Neatkariga rita avize, 2. Februar; Neue Zürcher Zeitung und Diena, 9. Februar).
-OJR-
zurück